Das Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand ist ein wirksames Instrument, um Eigentümer zu einem sozialverträglichen Umgang mit ihrer Wohnimmobilie zu veranlassen. Die Krux: In Berlin wird es nicht angewendet.
In förmlich festgelegten Sanierungs- und Erhaltungsgebieten kann die Stadt das Vorkaufsrecht ausüben. Wenn ein Eigentümer mit seinem Haus etwas plant, was den Zielen der Sanierung oder der Erhaltungssatzung widerspricht, kann die Stadt das Grundstück erwerben.
Hamburg und München nutzen diese Möglichkeit offensiv, insbesondere in sozialen Erhaltungs-(„Milieuschutz“)gebieten. In diesen Quartieren soll die Zusammensetzung der Bewohnerschaft bewahrt werden. Deshalb werden Luxussanierungen und Modernisierungen, die über den Standard hinausgehen und die Mieten stark verteuern, nicht genehmigt.
In den Hamburger Erhaltungsgebieten prüft die Verwaltung bei jedem Grundstücksverkauf, ob spekulative Methoden erkennbar sind, die das stadtentwicklungspolitische Ziel gefährden. Ist das der Fall, übt die Stadt ihr Vorkaufsrecht aus. Sie erwirbt die Immobilie zum Verkehrswert und veräußert sie anschließend zu einem ähnlichen Preis an einen „zuverlässigen Eigentümer“ – das sind in der Regel Genossenschaften, die keine Gewinnerzielungsabsicht haben.
Der Kauf ist nicht das Ziel
Insgesamt ist es aber nicht das vorrangige Ziel, in den Besitz der Häuser zu gelangen. Vielmehr möchte man damit die Eigentümer dazu bringen, eine sogenannte Abwendungsvereinbarung mit der Stadt zu schließen: Der Käufer kann das Vorkaufsrecht abwenden, wenn er sich dazu verpflichtet, das Haus im Sinne der sozialen Erhaltungssatzung zu bewirtschaften. Dazu gehört, dass die Miete bei Neuvermietungen die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschreiten darf und dass modernisierungbedingte Mietsteigerungen bei einer bestimmten Höhe gekappt werden.
Seit 1995 ist das Vorkaufsrecht in Hamburg in acht Fällen mit insgesamt 149 Wohnungen ausgeübt worden, in zwei Fällen ist der Käufer zurückgetreten. Für 55 Gebäude mit zusammen 1130 Wohnungen wurden Abwendungsvereinbarungen unterzeichnet. Die Stadt hat dafür nur rund 100.000 Euro aufgewendet. Die Stadt München geht noch offensiver vor. In den letzten 20 Jahren hat sie durch Vorkaufsrecht und Abwendungsvereinbarungen 430 Immobilien mit 6000 Wohnungen einer sozialverträglichen Entwicklung zugeführt.
Allein die Tatsache, dass es dieses Vorkaufsrecht gibt, macht seinen Erfolg aus. „Es hat eine hohe abschreckende Wirkung“, erklärt Klaus Dobbrodt von der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung. Wohnungsspekulanten wird signalisiert, dass ihr Geschäftsmodell hier nicht funktioniert.
Als Hamburger und Münchner Verwaltungsmitarbeiter im September 2012 auf Einladung des Bezirksamts Pankow von ihren positiven Erfahrungen berichteten, zeigte sich Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner entschlossen, das Vorkaufsrecht auch in Pankow anzuwenden. In der Praxis trifft er aber noch auf Hindernisse, vor allem finanzieller Art. Für die knapp gehaltenen Bezirkshaushalte ist es ohne weitere Zuweisungen unrealistisch, in einen Kaufvertrag über ein ganzes Wohnhaus einzutreten.
Der „Vorkauf zugunsten Dritter“ löst das Geldproblem
„Wir prüfen derzeit, ob ein Vorkaufsrecht zugunsten Dritter ausgeübt werden kann und welche Voraussetzungen hierfür zu schaffen sind“, berichtet Stadtrat Jens-Holger Kirchner. Der Vorkauf zugunsten Dritter kann laut Baugesetzbuch angewandt werden, wenn die zu erwerbende Wohnbebauung „für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf genutzt werden soll“. Als „Dritte“, für die das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, kommen vor allem die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften in Frage. In einem solchen Fall würde die Wohnungsbaugesellschaft den Kaufvertrag direkt abschließen, der Bezirk braucht den Kaufpreis also auch nicht kurzfristig „vorzuschießen“. Auch Friedrichshain-Kreuzberg, der zweite Bezirk, der seit Jahren konsequent mit dem Milieuschutz arbeitet, will den Vorkauf zugunsten Dritter anwenden und hat dazu schon mit der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag eine mögliche Mitstreiterin gefunden.
Jens Sethmann
MieterMagazin 1+2/14
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Fotos: Nils Richter
31.03.2014