Es könnte so einfach sein: Da gibt es die Familie, die wegen Zuwachs dringend eine größere Wohnung sucht, und ein paar Straßen weiter die verwitwete Rentnerin, die keine vier Zimmer mehr braucht. Wenn sie ihre Wohnungen tauschen könnten, wären beide Seiten zufrieden. Warum also wird dieses Potenzial kaum genutzt?
Durch Wohnungstausch entstehen zwar keine zusätzlichen Wohnungen. Aber die vorhandenen Wohnflächen werden besser genutzt. Zahlen darüber, wie viele Mieter sich gern vergrößern beziehungsweise verkleinern würden, gibt es nicht. Fest steht: Nach Scheidung, Auszug der Kinder oder Auflösung einer Wohngemeinschaft verändern sich die Bedürfnisse. Doch wer für eine Zweizimmerwohnung genauso viel zahlen soll wie für die jetzige Vierzimmerwohnung – falls überhaupt eine zu finden ist – verzichtet lieber auf den Wohnungswechsel.
Mäßige Unterstützung durch die WBGen
Zwar wurde im Mietenbündnis zwischen dem Berliner Senat und den sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften ein erleichterter Wohnungstausch vereinbart. Insbesondere Seniorenhaushalte sollen bevorzugt mit Wohnraum versorgt werden, wenn sie große, familiengerechte Wohnungen freimachen. Doch bislang ist das Ganze ein Flop. Gerade mal 80 Mieterhaushalte haben nach Angaben des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) im Jahr 2013 von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Besonders intensiv wird das Angebot allerdings auch nicht beworben. Ein Wohnungspool, in dem auch mögliche Tauschwohnungen der anderen Wohnungsbaugesellschaften aufgelistet sind, existiert nicht. Die Nachfrage sei gering und der Aufwand für die Wohnungsunternehmen zu groß“, wiegelt BBU-Sprecher David Eberhard ab: „Passende Angebote zu finden ist sehr schwierig, auch weil die meisten Mieter in ihrem Kiez bleiben wollen.“
Neues Angebot seit Ende 2018:
Angebot der landeseigenen Wohnungsunternehmen:
Die Berliner können sich jetzt glücklich tauschen
Wie es anders geht, macht die Stadt Wien für ihre sogenannten Gemeindewohnungen vor. Hier kann man in einer Online-Datenbank nach einer passenden Tauschwohnung suchen oder in der Zeitung ein kostenloses Inserat aufgeben. Auch mit Privat- oder Genossenschaftswohnungen darf getauscht werden, allerdings ist hier die Zustimmung des Vermieters erforderlich.
Seit gut einem Jahr bieten auch 44 Genossenschaften in ganz Deutschland einen flexiblen Wohnungstausch an. „Anlass war die große Nachfrage von Familien“, erklärt Jörg Wollenberg vom Vorstand der Berliner Baugenossenschaft. Um hier Anreize zu schaffen, wurde die Möglichkeit eines Wohnungstausches vereinfacht, und zwar bundesweit. Wer zu einer anderen Genossenschaft wechselt, kann die Geschäftsanteile unkompliziert auf die neue übertragen lassen. Bisher mussten die Mitglieder oft ein Jahr oder länger auf die Rückzahlung warten, aber gleichzeitig schon Geschäftsanteile bei der neuen Genossenschaft zeichnen. „Wir schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen reduzieren sich die Wohnkosten für Senioren, zum anderen können viele dann gleich eine barrierearme Wohnung beziehen“, so Wollenberg. Die Tauschwohnung wird zum gleichen Quadratmeterpreis wie die aufgegebene Wohnung vermietet.
Die Miethöhe dürfte für die meisten Mieter das Entscheidende sein. Wenn man sich wesentlich verkleinert, will man verständlicherweise eine deutliche Ersparnis sehen. Die Regelungen im Berliner Mietenbündnis sind hier sehr schwammig. Es heißt lediglich, dass die Bruttowarmmiete der angebotenen Wohnung niedriger sein soll als in der vorherigen Wohnung. Der Berliner Mieterverein fordert dagegen, dass die Mieten im Falle eines Tausches unverändert bleiben. „Das ist auch plausibel, schließlich hat der Vermieter durch den Wohnungswechsel keinerlei Aufwand“, so Mietervereins-Geschäftsführer Reiner Wild. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert ein gesetzlich festgelegtes Recht auf Wohnungstausch – auch bei privaten Vermietern.
Birgit Leiß
MieterMagazin 1+2/14
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Fotos: Sabine Münch
07.07.2019