Leitsatz:
Ansprüche auf Miete aus Wohnraummietverträgen können jedenfalls auch dann im Urkundenprozess geltend gemacht werden, wenn der Mieter die Wohnung in vertragsgemäßem Zustand erhalten hat und die Einrede des nicht erfüllten Vertrages darauf stützt, ein Mangel sei nachträglich eingetreten (Fortführung von BGH, Urteil vom 1. Juni 2005 – VIII ZR 216/04, NJW 2005, 2701).
BGH v. 20.12.2006 – VIII ZR 112/06 –
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Urteilstext
Tatbestand:
Die Parteien schlossen am 30. Oktober 2002 einen Mietvertrag über eine Wohnung in B., D.-weg. Die monatliche Miete betrug ab 1. Januar 2004 683,23 Euro, ab 1. Januar 2005 694,61 Euro und ab 1. März 2005 698,97 Euro. Die Beklagte zahlte die Miete für Dezember 2004 bis einschließlich April 2005 nicht; im Mai 2005 zahlte sie 559,18 Euro und im Juni 2005 629,07 Euro.
Die Klägerin fordert im Urkundenprozess unter Vorlage des Mietvertrages 3680,08 Euro als rückständige Miete nebst Zinsen. Die Beklagte hat die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erhoben. Sie ist der Ansicht, der Urkundenprozess sei nicht statthaft.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und ihr die Ausführung ihrer Rechte vorbehalten. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat, soweit hier noch von Interesse, ausgeführt: Der Statthaftigkeit der Klage im Urkundenprozess stehe nicht entgegen, dass die Beklagte wegen behaupteter Mängel, die seit August 2004 bestünden, die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erhebe. Wenn ein in Anspruch genommener Mieter diese Einrede erhebe, werde der Urkundenprozess erst dann unstatthaft, wenn feststehe, dass dem Mieter, dem die Mietsache ursprünglich mangelfrei überlassen worden sei, für sein Zurückbehaltungsrecht ein Mangelbeseitigungsanspruch als Gegenforderung zugestanden habe, die Mängelbeseitigung durch den Vermieter jedoch streitig geblieben sei und auch nicht durch Urkunden bewiesen werden könne. Denn sofern die Mietsache unstreitig mangelfrei überlassen worden sei, treffe nicht den Vermieter, sondern den Mieter – hier die Beklagte – die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass nachträglich ein Mangel aufgetreten sei.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Der Urkundenprozess gemäß § 592 ZPO ist im vorliegenden Verfahren statthaft. Die Klägerin fordert die Leistung einer bestimmten Geldsumme und beweist sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden.
1. Der Senat hat bereits entschieden, dass Ansprüche auf Miete aus Wohnraummietverträgen im Urkundenprozess geltend gemacht werden können (Urteil vom 1. Juni 2005 – VIII ZR 216/04, NJW 2005, 2701 unter II 2 b). Er hat diese Aussage für den Fall getroffen, dass der Mieter wegen behaupteter Mängel der Mietsache Minderung geltend macht. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Mangelfreiheit einer Mietsache gehöre nicht zu den anspruchsbegründenden Tatsachen im Sinne des § 592 ZPO, die der Vermieter in einem solchen Fall durch Urkunden zu beweisen habe. Die infolge einer Mangelhaftigkeit der Mietsache eintretende Mietminderung begründe eine materiell-rechtliche Einwendung des Mieters, die im Prozess vom Mieter darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen sei. Offengelassen hat der Senat dabei, ob dies auch dann gelte, wenn der Mieter – wie hier – sich nicht (nur) auf eine Mietminderung berufe, sondern im Hinblick auf das Vorliegen von Mängeln die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB erhebe.
2. Diese Frage entscheidet der Senat nunmehr dahin, dass die Klage in einem solchen Fall jedenfalls dann im Urkundenprozess statthaft ist, wenn der Mieter unstreitig die Wohnung in vertragsgemäßem Zustand erhalten hat und die Einrede des nicht erfüllten Vertrages darauf stützt, ein Mangel sei nachträglich eingetreten (so auch Sturhahn, NZM 2004, 441 ff., 443; a.M. Greiner, NJW 2000, 1314 f.).
Hat der Mieter die Mietsache unstreitig mangelfrei erhalten, trifft ihn grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast, wenn er später eingetretene Mängel geltend macht und darauf gestützt die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erhebt. Allein diese Ansicht vermeidet einen ansonsten nicht lösbaren Widerspruch. Denn wenn sich ein Mieter auf während der Mietzeit eingetretene Mängel beruft und deshalb Minderung geltend macht, ist er grundsätzlich für deren Vorhandensein darlegungs- und beweispflichtig. Erhebt er darüber hinaus auch noch die Einrede des nicht erfüllten Vertrages, kann dies nicht dazu führen, nunmehr dem Vermieter die Darlegungs- und Beweislast aufzuerlegen. Denn auch wer die Einrede aus § 320 BGB geltend macht, muss beweisen, dass ihm eine unter das Gegenseitigkeitsverhältnis fallende Gegenforderung zusteht. Der das Zurückbehaltungsrecht des Mieters begründende, auf Mangelbeseitigung gerichtete Erfüllungsanspruch aus §535 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB setzt bei einer mangelfrei übergebenen Mietsache das nachträgliche Eintreten eines Mangels voraus, für das der Mieter die Beweislast trägt.
Ob etwas anderes angenommen werden kann, wenn der Mieter geltend macht, er habe die Sache überhaupt nicht erhalten oder sie sei von Anfang an mit Mängeln behaftet gewesen, bedarf keiner Entscheidung. Vorliegend ist nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts unstreitig, dass die Klägerin der Beklagten die Mietwohnung jedenfalls zunächst frei von Mängeln überlassen hat. Deshalb trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein eines erheblichen Mangels. Zutreffend hat ihr daher das Amtsgericht die Ausführung ihrer Rechte nach § 599 Abs. 1 ZPO vorbehalten.
15.05.2017