Die Adresse Hansa-Ufer 5 ist eine Top-City-Lage. Deshalb konnte das notorisch klamme Berlin das Gebäude auch gewinnbringend an einen schwedischen Investor verkaufen. Zu dumm nur, dass es sich um ein Seniorenwohnhaus handelt, das älteren Menschen einmal einen sicheren Lebensabend versprach. Jetzt hat der Besitzer eine Modernisierung angekündigt, die alles andere als Sicherheit und Ruhe verspricht.
In der Antwort, die Christa Kaes in den Händen hielt, schwang Bedauern mit: „Wie Sie richtig formuliert haben, ist das Wohnhaus 2007 verkauft worden“, schrieb Stephan von Dassel, Bezirksstadtrat für Soziales und Bürgerdienste. Aber nicht der Bezirk Mitte habe das einstige Seniorenhaus am Hansa-Ufer 5 veräußert, sondern der Liegenschaftsfonds. „Bei diesem für das Land Berlin sehr lukrativen Verkauf“, so von Dassel, sei auf alle gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Mieter verzichtet worden. Er fügte hinzu: „Aus meiner Sicht ist das ein Fehler gewesen.“
Ein Fehler, der die Bewohner vom Hansa-Ufer 5 teuer zu stehen kommen könnte. Denn Christa Kaes, 83 Jahre alt, und die anderen Bewohner des Hauses vermuten noch immer, dass der Käufer eine ganz bestimmte Zielgruppe für sein Haus im Auge hat: „Mieter mit dicken Brieftaschen!“ Die aber hat so ziemlich keiner am Hansa-Ufer 5. Mehr als die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner ist über 75 – fünf sind über 90 Jahre alt.
Das Haus am Hansa-Ufer 5 wurde 1975 mit Fördermitteln errichtet und mit 62 kleinen Wohnungen ausgestattet. Das gewerkschaftsnahe Wohnungsunternehmen Neue Heimat war der Bauherr. Wer in das Moabiter Seniorenhaus einziehen wollte, musste einen Rentenbescheid vorweisen. Viele gaben für eines der kleinen seniorenfreundlich ausgestatteten Apartments große Wohnungen auf.
Verkauft wurde das Haus 2007 zusammen mit zwei anderen Seniorenwohnhäusern in Tiergarten an den schwedischen Immobilieninvestor Akelius. Ende April diesen Jahres erhielten alle Mieter eine Modernisierungsankündigung: Strangsanierung, Austausch der Fenster, Wärmedämmung – vor allem aber soll aufgestockt werden.
Ein Schock für die Bewohner war die Ankündigung der Mieterhöhung, die gerade bei längjährigen Verträgen bis zu 60 Prozent betragen soll. „Gegen eine Instandsetzung etwa der alten zugigen Holzfenster hat keiner was einzuwenden“, erklärt Christa Kaes. „Aber hier wird unser sozialer Zusammenhalt zerstört. Akelius will, dass wir ausziehen.“
Allerdings hat er nicht mit dem Widerstand der Senioren gerechnet: Die gründeten – unter Leitung von Christa Kaes – eine Mietergemeinschaft, machten den Fall publik und starteten eine Online-Petition. Schon mehr als 35.000 Unterstützer haben sich bisher in die Unterschriftenliste der Moabiter Senioren eingetragen. Den Investor scheint all das zu einem ersten Umdenken veranlasst zu haben: Einige der Mieter des Hauses erhielten ein Angebot, die Mieterhöhung in ihrem Fall nach der Modernisierung zu kappen. Gehen die Mieter auf dieses Angebot ein, darauf weist Wibke Werner vom Berliner Mieterverein allerdings ausdrücklich hin, dulden sie zugleich die Modernisierung, wie sie im April angekündigt wurde.
Auch Christa Kaes gegenüber signalisierte der Investor Gesprächsbereitschaft. Noch immer hoffen die Mieter, dass der Investor seine Pläne noch einmal generell überdenkt.
„Aber der Punkt ist eben auch“, so die Mieterberaterin Marlies Lau (BMV), „dass damals beim Verkauf durch den Senat nur das Geld eine Rolle spielte. Verpflichtungen den Mietern gegenüber waren offensichtlich nicht Gegenstand des Vertrages.“
Rosemarie Mieder
MieterMagazin 9/14
Die 83-jährige Christa Kaes organisierte den Widerstand im Seniorenhaus am Hansa-Ufer
Foto: Nils Richter
03.05.2018