Im Kreuzberger Fanny-Hensel-Kiez muss eine Vermieterin 30.000 Euro Entschädigung zahlen, weil sie nur den türkisch- und arabischstämmigen Mietern im Haus die Miete erhöht hat. Zwei Mieter hatten gegen die unzulässige Mieterhöhung geklagt. Seit 2006 verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt.
Die Kläger, ein türkischstämmiges Paar mit drei Kindern, wohnten bereits seit mehr als zehn Jahren im Haus in der Schöneberger Straße 5/5a, als 2010 eine neue Eigentümerin das Gebäude übernahm. Sie hob die Kaltmiete für alle Mieter im Haus von 5,33 Euro auf 7,04 Euro an. Möglich geworden war dies durch den Wegfall der Anschlussförderung bei bestimmten Sozialwohnungen. Einige Monate später erhöhte die Vermieterin die Kaltmiete ein zweites Mal – auf 9,62 Euro kalt, allerdings nur für die im Haus lebenden drei türkischen und arabischen Familien. Diese forderten die Vermieterin im Juni 2010 auf, die zweite Mieterhöhung zurückzunehmen. Die Vermieterin wies ihr Ansinnen zurück.
Nach dieser horrenden Mieterhöhung kündigte das eingangs erwähnte türkischstämmige Paar zum 31. Oktober 2010 das Mietverhältnis. Die mit Unterstützung der Behörden gefundene Ausweichwohnung stand der Familie allerdings erst ab Ende November zur Verfügung. Die Vermieterin weigerte sich jedoch, der Familie eine einmonatige Räumungsfrist zu gewähren und drohte mit einer Räumungsklage. Ganz anders im Falle einer herkunftsdeutschen Familie aus dem gleichen Haus, die in einem ähnlich gelagerten Fall dieselbe Bitte stellte und sogar zweimal einen einmonatigen Aufschub erhielt.
Beide Schlechterstellungen – die zusätzliche Mieterhöhung und die verwehrte Räumungsfrist – beurteilte das zuständige Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg als klaren Verstoß gegen das „Verbot der Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft“. Es hat die Vermieterin im Januar 2015 zu 30.000 Euro Schadenersatz, 15 000 Euro für jeden Kläger, verurteilt.
Verletztes Persönlichkeitsrecht
Die Richter verwiesen in ihrem Urteil auch darauf, dass in frei gewordene Wohnungen im Zeitraum zwischen den Mieterhöhungen 2010 und Herbst 2011 28 neue Mietparteien eingezogen waren, von denen keine einzige arabischer oder türkischer Herkunft war. Im Urteil heißt es dazu: „Es entsteht der Eindruck, die Beklagte fürchte durch Mieter türkisch-arabischer Herkunft eine Abwertung der Wohnanlage, die durch Mieter europäischer Herkunft nicht zu befürchten sei. Die damit vermittelte krasse Abwertung, Ausgrenzung und massive Ungerechtigkeit greift als erheblich verletzend in den Kernbereich des klägerischen Persönlichkeitsrechts ein.“
Seit 2006 bestimmt in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG, dass „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ sind. Das Gesetz schließt auch ein zivilrechtliches Benachteiligungsverbot ein, greift also auch bei der Vermietung von Wohnraum. Das ist ein Meilenstein, denn niemals zuvor konnten Betroffene rechtlich dagegen vorgehen, von Vermietern ausgeschlossen zu werden.
Die Praxis der Rechtsberater beim Berliner Mieterverein zeigt allerdings für die Jahre seit Einführung des AGG, dass nur in seltenen Fällen geklagt wird. Hohe Kosten und langwierige Verfahren schrecken offenbar viele potenzielle Kläger. Auch das Gesetz selbst hat einige Fallstricke. So können Menschen mit ausländischem Hintergrund mit dem Verweis auf eine sozial ausgewogene Nachbarschaft immer noch als Mieter abgelehnt werden. Vor allem aber müssen Kläger den Gesetzesverstoß nachweisen, was oftmals schwierig ist.
Katharina Buri
Erst zweimal mit Erfolg
Der Kreuzberger Fall (AG Tempelhof-Kreuzberg – 25 C 357/14) ist erst die zweite erfolgreiche Mieterklage auf Basis des AGG. Im Jahr 2010 war einer der seltenen Fälle von offener Diskriminierung in Köln vor Gericht gekommen. Eine Hausmeisterin hatte einer dunkelhäutigen Familie die Besichtigung einer Wohnung mit der Begründung verweigert, die Wohnung werde nicht an „Neger, äh … Schwarzafrikaner oder Türken“ vermietet. Das Oberlandesgericht Köln verurteilte damals einen Aachener Immobilienverwalter zur Zahlung von rund 5000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz (– 24 U 51/09 –).
kb
Nach seiner Satzung ist er den Zielen des AGG im Besonderen verpflichtet.
07.01.2018