Seit Jahresbeginn hat in Deutschland die Verwertung von Abfällen Vorrang gegenüber ihrer Beseitigung. Der Verbraucher ist damit in der Pflicht. Allerdings: Er hat auch das Recht, dass ihm sein getrennter Müll abgenommen wird.
In Berlin ist 85 bis 90 Prozent der Haushalte eine Biotonne zugänglich. Allerdings: Rund 380.000 der knapp 2 Millionen Haushalte verweigern hartnäckig deren Benutzung. Was diese wahrscheinlich nicht wissen: Sie verstoßen damit gegen die Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG), das in seinem Paragraf 11 Absatz 1 seit 1. Januar allen vorschreibt, Bioabfall wo immer möglich zu verwerten und nicht zu beseitigen – die Benutzung der braunen Tonne: Staatsbürgerpflicht.
Zwar erlaubt das Gesetz, dass Ein- und Zweifamilienhausbesitzer ihre Bioabfälle auf dem eigenen Grundstück kompostieren dürfen, der große Rest der hauptstädtischen Bewohner hat aber eine „Überlassungspflicht“ an den öffentlich-rechtlichen Entsorger – die Berliner Stadtreinigung. Die sammelte im Jahr 2014 67.000 Tonnen Bioabfall ein. Zum Vergleich: In die graue Restmülltonne beförderten die Hauptstädter 800.000 Tonnen Unrat. 60.000 Tonnen des grünen Abfalls vergärt die BSR in ihrer Biogasanlage und betreibt mit dem entstehenden erdgasidentischen Produkt 150 Müllfahrzeuge, die Hälfte ihrer Flotte. Was bei der Vergärung übrig bleibt, wird mit dem überschüssigen Bioabfall kostenpflichtig in Brandenburger Müllkompostierungsanlagen verfrachtet.
Laut BSR-Untersuchungen besteht in Berlin ein jährliches Bio-Abfall-Potenzial von 100.000 Tonnen. Insbesondere in Stadtrandlagen mit kleinteiliger Bebauung und Gärten gibt es noch genügend Bereiche, die nicht erschlossen sind. In der Innenstadt hingegen muss die Tonne nicht mehr auf die Höfe, sondern in die Köpfe. BSR-Sprecherin Sabine Thümler: „Viele Verbraucher stören sich an den Abfallgerüchen und am Platzaufwand für die Getrenntsammlung in der Küche.“ Ihnen ist schwerlich auf die Sprünge zu helfen. Auch das im vergangenen Januar von der BSR eingeführte neue Tarifsystem (siehe Kasten) setzt keine offensichtlichen Reize, um die Verweigerer auf den Tugend-Pfad der Mülltrennung zu bringen.
Argumentieren statt prozessieren
Soweit noch einzelne Hausbesitzer ihren Mietern die Biotonne verwehren – auch hier sind es nach Angaben von BSR-Sprecherin Thümler oft ästhetische, manchmal aber auch Platzgründe –, gibt die Abfallverwertungspflicht dem umweltbewussten Mieter ein überzeugendes Argument an die Hand. Denn die Maßgabe ist auch mit dem Recht verbunden, das Sammelgut umstandslos an die BSR abgeben zu können. Bevor Mieter jedoch bei Ihrem Vermieter die fehlende Bioabfalltonne als Mangel der Mietsache anprangern und mit juristischen Schritten den Abfallbehälter einfordern, so Stefan Schetschorke, Abteilungsleiter Recht beim Berliner Mieterverein: „Suchen Sie als Mieter das Gespräch – der Vermieter wird Ihnen allenfalls aus Unkenntnis der Bestimmungen die Biotonne vorenthalten.“
Udo Hildenstab
Eine für alle
Die BSR hat zum 1. Januar 2015 eine allgemeine Grundgebühr für die Müllabfuhr eingeführt. Man hat sie mit der Bezeichnung „Ökotarif“ versehen, was insofern etwas in die Irre führt, als der Verbraucher mit dem Begriff in der Regel eine Wahlmöglichkeit verbindet. Die gibt es allerdings nicht. Jeder Haushalt zahlt nunmehr pro Jahr eine Basisabgabe von 24,60 Euro. Hinzu kommen auch weiter die Abfuhrkosten, die von der Größe der Sammelbehälter abhängen. Diese wurden jedoch reduziert. Für die grauen Hausmülltonnen und -container sinken die Gebühren um 16,9 bis 19,9 Prozent.
Die Leerung der Bio-Tonne ist um 20 Prozent preiswerter geworden. Je nach Tonnengröße liegen die Abfuhrgebühren für Bio-Abfall zwischen der Hälfte und einem Drittel der Kosten, die für die grauen Restmülltonnen zu zahlen sind. Die Wertstofftonne („gelb/orange“) bleibt weiter kostenlos. Die Einführung der Grundgebühr trifft nicht alle Verbraucher gleich: Kleine Wohneinheiten mit geringem Müllaufkommen werden mehr zur Kasse gebeten, in Großsiedlungen ist bei konsequenter Mülltrennung auch ein Kostenrückgang möglich. Mehr als 1,52 Euro pro Monat und Haushalt soll im ungünstigsten Fall die Erhöhung aber nicht ausmachen, so die BSR.
uh
www.bsr.de/bio_abfaelle.php
09.05.2017