Leitsatz:
Zum Anspruch von zwei Mietern türkischer Herkunft auf eine Entschädigung von je 15.000 Euro wegen Verstoßes des Vermieters gegen das sogenannte. „Diskriminierungsverbot“.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 19.12.2014 – 25 C 357/14 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Sachverhalt ist ausführlich in MieterMagazin 3/2015, Seite 21 beschrieben.
Urteilstext
Tatbestand
Die Kläger türkischer Herkunft waren im Zeitraum vom 01.01.2000 bis zum 31.10,2010 Mieter der Wohnung im 3. OG rechts des Hauses xxxxxxxx. Zum 26.01.2010 erfolgte die Eintragung der Beklagten als Eigentümerin der in der xxxxxxxxxxxxx gelegenen Wohnanlage, bestehend aus 44 Wohnungen.
Bis zum 28.02.2010 betrug die von den Klägern zu entrichtende Nettokaltmiete 5,33 €/m2. Mit Mieterhöhungserklärungen vom 10.02.2010 hob die Beklagte gegenüber allen 32 Mietparteien der Wohnanlage die monatliche Nettokaltmiete auf monatlich 7,04 €/m2 mit Wirkung zum 01.03.2010 an. Den Mietern wurde ein Sonderkündigungsrecht, auszuüben bis zum 19.03.2010, gewährt.
Von den in den Häusern xxxxxxxxxxxxxx lebenden 15 Mietparteien machten sieben Parteien von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch, unter ihnen die türkisch-stämmigen Parteien …. Fortgesetzt wurden zunächst die Mietverhältnisse der Kläger sowie der Mietparteien xxxxxxxxxxx. Die Familien xxxxx sind arabischer Herkunft. Die übrigen Mietparteien mit Ausnahme der Kläger sind deutscher bzw. mitteleuropäischer Herkunft. Für die weiteren Einzelheiten der Belegung der Häuser xxxx wird auf die Aufstellung S. 8 der Klageschrift, BI. 8 d. A., verwiesen.
Mit Schreiben vom 15.04.2010 erhöhte die Beklagte die zu entrichtende Nettokaltmiete ausschließlich für die Wohnungen der Kläger sowie der Mietparteien xxx und xxx zum 01.05.2010 auf monatlich 9,62 €/m2. Zu diesem Zeitpunkt unterschied sich die klägerische Wohnung von den Wohnungen der Mietparteien xxx und xxx hinsichtlich Größe, Zimmeranzahl, Ausstattung und Beschaffenheit nicht.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.06.2010, auf das für Einzelheiten verwiesen wird, forderten die Kläger die Beklagte zur Rücknahme der Mieterhöhung vom 15.04.2010 auf und machten Ersatzansprüche gemäß § 21 Abs. 2 AGG geltend. Das Schreiben ging der Beklagten am 15.06.2010 zu. Die Forderungen wies die Beklagte zurück.
Die Mietparteien xxx und xxx fanden trotz intensiver und behördlich unterstützter Suche bis Juni 2010 keinen Ersatzwohnraum. Trotz zugesicherter Nutzungsentschädigung durch das Bezirksamt sowie entsprechender Bitten der Mieter gewährte die Beklagte diesen Mietern keine Räumungsfrist, sondern erhob am 07.07.2010 Klage auf Räumung und Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung.
Gegenüber der Mietpartei xxx,·die nach ihrer Kündigung ebenfalls keinen Ersatzwohnraum fand, stimmte die Beklagte im gleichen Zeitraum der Rücknahme der Kündigung und der Fortsetzung des Mietverhältnisses zu. ·
Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.07.2010, auf das für Einzelheiten verwiesen wird, kündigten die Kläger das Mietverhältnis zum 31.10.2010. Trotz intensiver und behördlich unterstützter Suche fanden die Kläger eine Ersatzwohnung erst zum 15.11.2010, bei der bis zum 30.11.2010 lnstandsetzungsarbeiten durchgeführt wurden. Über diese Umstände wurde die Beklagte mit Telefax vom 28.10.2010 unter Übersendung des Mietvertrages über die neue Wohnung vom 15.10.2010 in Kenntnis gesetzt und um die Bewilligung einer Räumungsfrist bis zum 30.11.2010 gebeten. Mit Fax vom 29.10.2010, auf das verwiesen wird, lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Räumungsfrist unter Androhung einer Räumungsklage und Verweis auf behauptete Mietrückstände ab.
Der Mietpartei xxx, welche ihr Mietverhältnis am 03.08.2010 zum 30.09.2010 gekündigt hatte, verlängerte die Beklagte auf Bitte der Mietpartei das Mietverhältnis zunächst bis zum 31.10.2010 und anschließend erneut bis zum 30.11.2010.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.12.2010, auf das verwiesen wird, rügten die Kläger aufgrund der nicht bewilligten Räumungsfrist erneut einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und forderten hieraus Entschädigung. Das Schreiben ging der Beklagten am 22.12.2010 per Fax zu.
Die Beklagte suchte im Januar 2011 mittels Anzeige auf einem Online-lmmobilienportal nach Nachmietern für die vormals klägerische Wohnung. Diese wurde zum 01.06.2011, die der Mietpartei xxx zum 01.09.2011 neu vermietet.
Von den 32 Mietparteien der gesamten Wohnanlage beendeten nach der Mieterhöhung von Februar 2010 17 Parteien das Mietverhältnis, hiervon waren 13 türkischer oder arabischer Herkunft. Bis zum 11.09.2011 wurde zu 28 Mietparteien ein neues Mietverhältnis begründet, keine einzige dieser neuen Mietparteien war arabischer oder türkischer Herkunft. Im Zeitraum vom 11.09.2011 bis zum 26.11.2013 verließen fünf der 26 bis zum 11.09.2011 hinzugezogenen Parteien die Wohnanlage. ln die frei gewordenen Wohnungen sowie eine Leerwohnung zogen fünf neue Mietparteien ein. Auch von diesen ist keine türkischer oder arabischer Herkunft.
… Die Kläger sind der Auffassung, in dem zweiten Mieterhöhungsverlangen der Beklagten vom 15.04.2010 und der Reaktion der Beklagten auf die klägerseits erbetene Räumungsfrist läge eine Verletzung des klägerischen allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie eine Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, sodass die Beklagte eine Geldentschädigung schulde.
Die Kläger beantragen mit der der Beklagten am 05.03.2014 zugestellten Klage,
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) eine angemessene Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens. 25.000,00 € betragen soll, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) eine angemessene Entschädigung deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 25.000,00 € betragen soll, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) von den außergerichtlichen Kosten für die Rechtsverteidigung und -verfolgung gem. Rechnung der Bevollmächtigten vom 19.12.2013 i. H. v. 1.101,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, das AGG sei wegen § 19 Abs. 1 und 5 AGG schon nicht anwendbar und erhebt die Einrede der Verjährung:
Sie behauptet, für die Wohnung der Kläger habe es -anders als für die Wohnung der Mietpartei xxx -bereits einen Nachmieter gegeben. Aufgrund hoher formeller Anforderungen an Mieterhöhungsverlangen und der hieraus resultierenden Rechtsunsicherheit habe sich die Beklagte entschieden, bezüglich einer zweiten Mieterhöhung zunächst „Testballons“ zu starten. Die Kläger sowie die Mietparteien xxx und xxx seien hierfür durch Los ausgewählt worden.
…
Die Klage ist am 31.12.2013 am Landgericht Berlin eingegangen. Mit Schreiben vom 10.01.2014 haben die Kläger um schnellstmögliche Mitteilung des Kassenzeichens gebeten und mit Schreiben vom 17.01.2014 einen Überweisungsträger über den Gerichtskostenvorschuss eingereicht. Das Landgericht Berlin hat sich auf die mündliche Verhandlung vom 16.06.2014 mit Beschluss vom 07.07.2014 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Kläger an das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg verwiesen.
Das Gericht hat mit Verfügung vom 14.07.2014 Termin zur mündlichen Verhandlung für den 07.11.2014 anberaumt.
Die Beklagte hat durch ihre Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2014 zum späten Vorbringen mit Schriftsatz vom 06.11.2014 erklärt, sie habe die Klage zunächst für absurd gehalten.
Entscheidungsgründe
A.
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Kläger durften die Höhe der von Ihnen begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 21 Abs. 2 S. 3 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass die Kläger Tatsachen, die das Gericht bei der .Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennen·und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (vgl. BAG Urt. v. 14.11.2013, Az.: AZR 608/10, NJW 2014, 1130). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Kläger haben einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht und den Mindestbetrag der für angemessen erachteten Entschädigung mit jeweils 25.000,00 € beziffert.
Die Klage ist in Höhe von jeweils 15.000,00 €. begründet. Den Klägern steht jeweils ein Anspruch auf Entschädigung.in Höhe von 15.000 € aus §§ 21 Abs. 2 S. 3, 19 Abs. 2 AGG zu, weil die Beklagte durch die Mieterhöhungserklärung vom 15.04.2010 sowie die Verweigerung der begehrten Räumungsfrist gegen das Verbot der Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft aus § 19 Abs. 2 AGG verstoßen hat.
Der sachliche Anwendungsbereich des AGG ist jedenfalls hinsichtlich der geltend gemachten Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft gemäß §§ 1, 19 Abs. 2, 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG eröffnet, ohne dass § 19 Abs. 1, 5 S. 3 AGG zur Anwendung kommt. Die türkische Herkunft ist als nationaler Ursprung vom Begriff „ethnische Herkunft“ im Sinne des § 1 AGG umfasst (BT-Drucksache 16/1780 S. 31), ob der Anwendungsbereich auch bezüglich dem Diskriminierungsmerkmal „Religion“ eröffnet ist, kann deswegen offen bleiben.
a) Der Wohnungsmietvertrag ist ein zivilrechtliches Schuldverhältnis im Sinne des § 19 Abs. 1, 2 AGG (vgl. hierzu für Einzelheiten: Biesalski in: Diskriminierungsschutz und Privatautonomie – Auswirkungen des AGG auf die Wohnraummiete, 1. Auflage 2011, S. 98). Bei der weiteren Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs ist die in den §§ 19, 20 AGG vorgesehene Hierarchie zu berücksichtigen. § 19 Abs. 1 und 2 AGG differenziert für die weiteren Voraussetzungen nach einzelnen Diskriminierungsmerkmalen. Während der sachliche Anwendungsbereich des zivilrechtliehen Benachteiligungsverbots bei Benachteiligungen wegen der Rasse und ethnischen Herkunft gemäß § 19 Abs. 2 AGG bereits dann eröffnet ist, wenn es sich dabei um ein sonstiges Schuldverhältnis im Sinne des§ 2 Abs. 1 Nr. 5 – 8 AGG handelt, ist der sachliche Anwendungsbereich bei Benachteiligung aus den übrigen genannten Gründen nur dann eröffnet, wenn es sich bei der Vermietung von Wohnraum um ein (Quasi·)Massengeschäft im Sinne des§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG handelt. Nur diesbezüglich gilt dann auch die einschränkende Vermutung des § 19 Abs. 5 S. 3 AGG.
b) § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG verbietet eine Benachteiligung in Bezug auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum. Hiervon ist das streitgegenständliche Wohnraummietverhältnis umfasst. Der Gesetzgeber sieht vor, dass dies immer dann der Fall sei, wenn „sie öffentlich zum Vertragsschluss angeboten werden“, also „ein Angebot zum Vertragsschluss durch Anzeigen in Tageszeitungen, Schaufensteranlagen, Veröffentlichungen im Internet oder auf vergleichbare Weise öffentlich gemacht wird“ (BT-Drucksache 16/1788, S. 32). Diese Voraussetzung ist damit erfüllt, denn die Kläger haben unbestritten vorgetragen, dass die Beklagte im Objekt gelegenen Wohnraum durch Anzeigen im Internet, in Tageszeitungen und dergleichen öffentlich zum Vertragsschluss angeboten und mit Wohnungsinteressenten Mietverträge von annähernd gleichem oder ähnlichem Inhalt abgeschlossen hat.
c) Ausschlussgründe gemäß § 19 Abs. 4 und Abs. S. 1, 2 AGG liegen nicht vor.
Gemäß § 21 Abs. 2 S. 3, Abs. 5 AGG kann ein Benachteiligter nach Verletzung eines Benachteiligungsverbots von dem Benachteiligenden eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen, wenn dieser den Verstoß zu vertreten hat, der Benachteiligte den Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend macht und Rechtfertigungsgründe nicht eingreifen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Indem die Beklagte den Klägern mit Schreiben vom 15.04.2010 die Miete von zuvor 7,04 €/m2 auf 9,52 €/m2 erhöhte und weiterhin die am 28.10.2010 erbetene Räumungsfrist von einem Monat nicht gewährte, hat die Beklagte die Kläger unmittelbar in unzulässiger Weise benachteiligt, §§ 1, 2 Nr.8, 19 Abs. 2, 3 Abs. 1 AGG.
a) Die Beklagte ist als Wohnungseigentümerin und Vermieterin passivlegitimiert (LG Aachen, Urt. v. 17.03.2009,.Az.: 8 O 449/07, Rn. 23).
b) Eine unmittelbare Benachteiligung durch die genannten Maßnahmen liegt jeweils vor: Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG ist das der Fll, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes – zu denen die ethnische Herkunft zählt- eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die nachteilige Maßnahme muss dabei unmittelbar an das verbotene Merkmal anknüpfen bzw. mit diesem begründet werden (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32, BAG, Urt. v. 21.06.2012, BeckRS 2012, 73047).
aa) Durch die Mieterhöhung vom 15.04.2010 erfuhren die Kläger eine weniger günstige Behandlung als die Mietparteien xxx und xxx, denn diese erhielten im streitgegenstandliehen Zeitraum keine Mieterhöhung.
Die Kläger befanden sich mit den Parteien xxx und xxx auch in einer „vergleichbaren Situation“, § 3 Abs. 1 AGG, denn unstreitig unterscheiden sich die Wohnungen nicht erheblich voneinander, sondern sind gleich groß (111,77 m2), verfügen über die gleiche Anzahl von Zimmern (fünf Zimmer) und wiesen die gleiche Ausstattung auf.
bb) Dadurch, dass den Klägern auf die Bitte vom 28.10.2010 eine einmonatige Räumungsfrist bis zum 30.11.2010 nicht gewährt wurde, erfuhren sie gegenüber der Mietpartei xxx erneut eine weniger günstige Behandlung, denn dieser wurde, auf ihre Bitte hin, das zum 30.09.2010 gekündigte Mietverhältnis zunächst bis zum 31.10.2010 und anschließen erneut bis zum 30.11.2010 verlängert.
Auch fanden sich die Kläger mit der Mietpartei xxx hinsichtlich der erbetenen Kündigungsfrist in einer „vergleichbaren Situation“ im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG. Die Kläger entrichteten ihre Miete für die vergleichbare Wohnung in gleicher Höhe wie die Mietpartei xxx und die Beendigungszeitpunkte der Mietverhältnisse fallen in den gleichen Zeitraum.
cc} Die Ungleichbehandlungen erfolgten auch wegen der türkischen Herkunft gemäß § 1 AGG der Kläger. Dies steht nach Würdigung der Gesamtheit der durch die Kläger vorgetragenen Indiztatsachen zur Überzeugung des Gerichts fest.
Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal „ethnische Herkunft“ ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Herkunft anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund – die Herkunft – das ausschließliche Motiv für das Handeln ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das Merkmal Bestandteil eines·Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (st. Rspr., BAG Urt. v. 21.06.2012, Az.: 8 AZR 364/11 Rn. 32; BAGE 142, 158}. Die Herkunft muss mithin nicht – gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens – handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG Urt. v. 12.12.2013, Az.: 8 AZR 838/12, BeckRS 2014, 66001).
Hinsichtlich des Beruhens der Benachteiligung auf einem Grund gemäß § 1 AGG greift die Beweislastregelung des § 22 AGG. Demnach müssen die Kläger nur sog. Vermutungstatsachen (lndizien) vortragen, aus denen sich schließen lässt, dass diese unterschiedliche Behandlung auf einem nach § 1 AGG unzulässigen Grund beruht. Diese müssen sie – trotz des irreführenden Wortlauts – nicht beweisen, sondern nur glaubhaft machen. Es reicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. MüKo/Thüsing, 6. Auflage 2012, § 22 Rn. 10 m. w. Nw.). Demgegenüber muss die Beklagte die Unrichtigkeit der klägerseits vorgebrachten Vermutungstatsachen beweisen oder aber andere Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen, die die Vermutungswirkung der vom Kläger benannten Tatsachen entkräften.
(1) Für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Beruhens der Ungleichbehandlung auf der türkisch-orientalischen Herkunft spricht neben den übrigen vorgetragenen Umständen ganz entscheidend, dass von allen damaligen Bewohnern der Häuser 5 und 5a, deren Mietverhältnisse ungekündigt bestanden, neben den Klägern·nur noch die Mietparteien xxx und xxx beide ebenfalls nicht-europäischer Herkunft, ebenfalls eine Mieterhöhung erhielten, nicht hingegen die Mietparteien deutscher oder mitteleuropäischer Herkunft. Im Vergleich wurde gegenüber den Mietern mit türkisch- bzw. arabisch-orientalischer Herkunft im gleichen Zeitraum eine 2 1/2-fach höhere Mietsteigerung geltend gemacht, ohne dass dem wohnungswirtschaftliche Gründe zugrunde lagen, denn nach unstreitigen Bekundungen der Beklagten legt diese für die Wirtschaftlichkeit der Wohnung lediglich eine Miete von 7,00 €/m2 zugrunde.
Nicht entlasten vermag die Beklagte in diesem Zusammenhang·, dass gegebenenfalls Mietern der Häuser 6 und 6a türkischer Herkunft im streitgegenständlichen Zeitraum April 2010 die Miete nicht ein weiteres Mal erhöht wurde. Diesbezüglich fehlt es schon an der Vergleichbarkeit der Wohnungen, da sich diese in der Größe (max. 80 m²) wesentlich von der klägerischen Wohnung und der der Mietparteien xxx und xxx unterscheiden.
Dies gilt auch für die Tatsache; dass der Mietpartei xxx zwischen dem 15.06.2010 und dem 08.07.2010 ebenfalls eine Mieterhöhung angekündigt wurde, denn diese kann nicht mehr im zeitlichen Zusammenhang zur derjenigen vom 15.04.2010 gesehen werden. Dass und woher die Beklagte bereits im April 2010 von einem geplanten Auszug der Mietpartei xxx zum Herbst 2010 Kenntnis hatte, ist nicht vorgetragen. Vollständig neben der Sache liegen auch die – zudem wenig überzeugenden – Ausführungen der Beklagten zur Herkunft des Namens xxx. Denn unstreitig ist diese Partei nicht orientalischer (türkischer oder arabischer) Herkunft.
Soweit die Beklagte erstmalig mit Schriftsatz vom 05.11.2014 zur mündlichen Verhandlung am 07.11.2014 unter .Beweisantritt vorträgt, die Kläger sowie die Mietparteien xxx und xxx seien als Adressaten der Mieterhöhung durch Los ausgewählt worden, ist dieser Vortrag gemäß §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Schriftsatz vom 05.11.2014 ging entgegen der Bestimmung des§ 132 Abs. 1 S.1 ZPO erst am 05.11.2014 und damit zwei Tage vor dem Termin zur mündlichen Hauptverhandlung bei Gericht ein. Das Gericht verkennt nicht, dass die bloße Nichteinhaltung der mit § 282 Abs. 1 ZPO korrespondierenden Schriftsatzfrist des § 132 ZPO allein nicht die Zurückweisung rechtfertigt (so BGH NJW 1997, 2244). Vorliegend erfolgte jedoch umfangreicher neuer Sachvortrag nebst Beweisantritt, zu dem den Klägern eine Erklärung ohne vorherige Erkundigungen nicht zuzumuten war. Dies insbesondere auch deshalb, weil sich der Kern des neuen Vorbringens zur Losentscheidung, soweit ersichtlich, weder in der vorgerichtlichen noch gerichtlichen Korrespondenz je angedeutet hat und vor dem Landgericht am 16.06.2014 bereits mündlich verhandelt wurde.
Die Zurückweisung nach §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 2 ist eine Ermessensentscheidung. Die Zulassung dieses Vortrags nebst Beweisangebot verzögert hier nach Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits.
Zwar ist dem Beweisangebot gegenwärtig nicht zu folgen. Soweit die Beklagten den Zeugenbeweis durch Vernehmung der Geschäftsführer ihrer Komplementärin anbietet, ist dies nicht zulässig, da diese als Partei zu vernehmen sind (vgl. Zöller/Greger, 30. Auflage 2014, § 373 Rn. 4 f.; BGH Urt. v. 13.04.1994, NJW-RR 1994, 1143). Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Beklagte ohne weiteres als beweisfällig anzusehen ist und damit eine Verzögerung nicht eintreten kann. Denn zum einen kommt bei sachgerechtem Verständnis·und nach einer Klarstellung – auf die das Gericht im Interesse einer Klärung der Streitfrage hinwirken muss (vgl. BGH Urt. v. 13.04.1994 a. a 0.) – eine Parteivernehmung grundsätzlich in Betracht, die gegebenenfalls einen neuen Termin erfordern würde. Zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte nach dem erforderlichen, gerichtlichen Hinweis auf die Mängel ihrer Beweisführung (Zöller/Greger, a. a.0, § 373 Rn. 8) nicht weitere (zulässige) Zeugen benennt und diesbezüglich ein weiterer Termin erforderlich wird. Eine Partei die verspätet und dazu noch mangelhaft Beweis antritt, kann aber nicht besser stehen als eine Partei, die verspätet jedoch zulässig Beweis antritt.
Die Verzögerung beruht auch auf grober Nachlässigkeit. Grobe Nachlässigkeit liegt vor, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter die prozessuale Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen hat, was jedem, der einen Prozess führt, hätte einleuchten müssen. Die Grundlagen der groben Nachlässigkeit hat das Gericht unter Würdigung aller Umstände nachzuweisen, außer wenn die äußeren Umstände bereits darauf hindeuten. In diesem Fall obliegt es der Partei, entkräftende Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (Zöller/Gregor, a. a. 0., § 296 Rn. 30; LG Kassel Urt. v. 10.10.2013; BeckRS 2014, 04182).
Die Verspätung beruht vorliegend auf grober Nachlässigkeit, da der Tatsachenvortrag, auf den sich der neue Vortrag der Beklagten vom 05.11.2014 bezieht, spätestens mit Zustellung der Klage bekannt war. Gründe, das Vorbringen zum Losverfahren nicht bereits in der Klageerwiderung vom 16.05.2014 anzubringen sind nicht im Ansatz ersichtlich. Spätestens nach den Hinweisen des Landgerichts vom 27.05.2014 hätte der ergänzende Vortrag erfolgen müssen. Soweit die Beklagte sich durch ihre Bevollmächtigten dahin eingelassen hat, man habe die Klage anfangs für absurd gehalten, erschüttert dies den sich aus den äußeren Umständen ergebenden Eindruck der groben Nachlässigkeit nicht, sondern bestätigt diesen vielmehr. Denn auch hier gilt, dass die Beklagte. sich spätestens ab dem gerichtlichen Hinweis vertieft mit der Klage und den Verteidigungsmöglichkeiten hätte auseinandersetzen und entsprechend vortragen müssen.
Es war dem Gericht auch nicht zuzumuten, zwei Tage vor dem Termin auf ein etwaiges Erscheinen der benannten Personen, gegebenenfalls zur Vernehmung als Partei, hinzuwirken. Zum einen waren diese gemäß § 141 ZPO zur weiteren Sachaufklärung. geladen worden. Zum anderen bestand hierfür gar kein Anlass, da die Kläger den Vortrag ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestritten hatten.
(2) Für ein Beruhen der verweigerten Räumungsfrist auf der türkisch-orientalischen Herkunft der Beklagten spricht weiter, dass den deutschen Mietparteien xxx und xxx die Verlängerung ihres Mietverhältnisses bewilligt wurde, wohingegen den türkischen Mietparteien xxx und xxx ebenfalls keine Räumungsfrist gewahrt wurde.
Soweit die Beklagte behauptet, für die klägerische Wohnung habe es·zum Zeitpunkt der erbetenen Räumungsfrist bereits einen Nachmieterinteressenten gegeben, ist dieser Vortrag angesichts der unbestrittenen Tatsache, dass die Wohnung erst zum 01.08.2011 neu vermietet wurde und die Beklagte unstreitig im Januar 2011 durch Anzeige auf einem Onlineportal auf der Suche nach einem Nachmieter war, schon nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagte ist auf das Bestreiten der Kläger jedoch auch beweisfällig geblieben.
Finanzielle Erwägung können bei dieser Entscheidung ebenfalls kaum·eine Rolle gespielt haben.
Denn jedenfalls entrichtete die Mietpartei xxx keinen höheren Mietzins als die Kläger. Auch dass mit der Mietpartei xxx im Unterschied zu den Mietparteien xxx und xxx keine gerichtlichen Auseinandersetzungen zu führen waren, vermag als sachlicher Grund nicht zu überzeuge. Denn diese gerichtlichen Auseinandersetzungen gingen von der Beklagten aus, die Mieter hatten hierzu, wie gerichtlich entschieden, keinen Anlass gegeben.
(3) Für eine verbotene Diskriminierung sprechen auch statistische Erwägungen. Solche können im Rahmen der richterlichen Würdigung eines Sachverhalts einen tatsächlichen Anhaltspunkt darstellen (BT-Drucksache 16/1780 S. 47; MüKo/Thüsing, a. a. O., § 22 AGG Rn. 14; BAG Urt. v. 21.06.2012, Az.: 8 AZR 364/11, BeckRS 2012, 73047).
Vorliegend wurde nach Beendigung des Mietverhältnisses durch 17 Mietparteien im Jahr 2010 bis zum 11.09.2011 zu 28 Mietparteien ein neues Mietverhältnis begründet, keine einzige dieser neuen Mietparteien war arabischer oder türkischer Herkunft. Im Zeitraum vom 11.09.2011 bis zum 26.11.2013 verließen fünf der 28 bis zum 11.09.2011 hinzugezogenen Parteien die Wohnanlage. In die frei gewordenen Wohnungen sowie eine Leerwohnung zogen fünf neue Mietparteien ein, auch von diesen ist keine türkischer oder arabischer Herkunft.
Dem sich aus diesem Zahlenmaterial aufdrängenden Eindruck, dass Mieter türkischer oder arabischer Abstammung durch die Beklagte zukünftig nicht gewünscht sind, ist die Beklagte nur unzureichend entgegen getreten.
Soweit die Beklagte sich in der Klageerwiderung auf eine Mieteraufstellung mit Markierungen beruft, fehlt substantiierter Vortrag. Insbesondere ist nicht vorgetragen, welche Folgerungen die Beklagte aus ihrer Aufstellung herleiten will. Das Anlagenkonvolut liegt dem Gericht aber auch gar nicht vor. Hierauf war die Beklagte bereits in der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2014 und nochmals mit gerichtlicher Verfügung vom 03.11.201.4 hingewiesen worden.
Auch der allgemein gehaltene Verweis auf die Änderung der Mietstruktur aufgrund gestiegener Mieten überzeugt nicht. Denn aus der Zusammensetzung der Bevölkerung Berlins, insbesondere des Bezirks Kreuzberg, ergibt sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für Wohnungsbewerber nicht-europäischer Herkunft. Ein allgemeiner Erfahrungssatz dahin, dass sich solche Mitbürger die im Zeitraum 2011 verlangten Neumieten mehrheitlich nicht leisten können, existiert nicht. Hier hätte es zur Widerlegung des Indizes jedenfalls der konkreten Darlegung nebst Beweisantritt bedurft, dass sich im Einzelfall schon gar keine Mietinteressenten·arabischer oder türkischer Herkunft beworben hatten.
c) Die Beklagte hat die geltend gemachte Verletzung des Benachteiligungsverbots auch zu vertreten, § 21 Abs. 2 S, 2 AGG. Dabei kann dahinstehen, ob bei europarechtskonformer Auslegung ein Vertretenmüssen überhaupt zu fordern ist (vgl. entgegen z. B. Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2014, § 21 AGG Rn. 12; zum Streitstand: MüKo/Thüsing, a. a. 0., § 21 Rn. 45 ff.), denn entlastende Umstande sind weder ersichtlich, noch vorgetragen.
d) Rechtfertigungsgründe gemäß §§ 19 Abs. 3, 20 AGG liegen nicht vor.
e) Die Kläger haben ihre Ansprüche aus § 21 Abs. 2 AGG mit Schreiben vom 14.06.2010 und 22.12.2010 jeweils fristgemäß geltend gemacht, § 21 Abs. 5 AGG.
f) Gemäß § 21 Abs. 2 S. 3 AGG kann ein Benachteiligter, wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Zur weiteren Konkretisierung der angemessenen Entschädigung sollen nach der Gesetzesbegründung die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts herangezogen werden (BT-Drucksache 16/1780 S. 46).
aa) Hiernach ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Geldentschädigungsanspruch bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur schwerwiegende und anderweitig nicht auszugleichende Verletzungen kompensiert (BGH NJW 1996, 985). Ob eine schwerwiegende Verletzung vorliegt, muss dabei anhand aller Umstände des Einzelfalls, der Bedeutung und Tragweite der Benachteiligung, den Beweggründen des Benachteiligenden und dem Grad des Verschuldens beurteilt werden (BGH NJW 1996, 1131; NJW 1985, 1617; BGH Urt. v. 05.10.2004, Az.: VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298; MüKo/Thüsing, a. a. 0., § 21 AGG Rn. 60). Bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen haben die Gerichte die verfassungsrechtlich geschützte Verankerung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Menschenwürde zu berücksichtigen (BGH Urteil v. 05.03.1963, Az.: VI ZR 55/62 Rn. 16; BVerfG Kammerbeschluss v. 04.03.2004, Az.: 1 BvR 2098/01 Rn. 14, jew. m.w.N., LG Berlin, Urt. v. 06.10.2009, Az.: 65 S 121/09, jew. zit. nach juris).
Ob diese Grundsätze trotz des Wortlauts der Gesetzesbegründung nach der Entstehungsgeschichte der Norm und unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auch Voraussetzung für die Entschädigung nach § 21 AGG sein können, ist umstritten (ablehnend: OLG Hamm, Urt. v. 12.01.2011, NJW-RR 2011, 762; LAG Niedersachsen, Urt. v. 15.09.2008, NZA-RR 2009, 126 m. w. Nw.; a. A.: MüKo/Thüsing, a.a.O., § 21 Rn, 60). Dies kann vorliegend auch offen bleiben, denn die rechtswidrigen Benachteiligungen stellen einen schweren, nicht anders ausgleichbaren Eingriff in das klägerische allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 1, 2 Abs. 1 GG dar, was jedenfalls im Rahmen der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen ist (vgl. Ernst/Braunroth/Wascher: Allgemeines Gleichstellungsgesetz, 2. Aufl. 2013, § 21 Rn. 9).
Für die Beurteilung der besonderen Schwere der Verletzung ist erheblich, ob die Äußerung den Achtungsanspruch berührt, der sich aus der Menschenwürde ergibt, oder eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung geringerer Intensität darstellt. Aus der Menschenwürde resultiert der Anspruch des Einzelnen, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen, seinen sozialen Status und seine Herkunft geachtet zu werden (LG Berlin, a.a.O.).
Die Beklagte hat·den Klägern durch ihr Verhalten zu verstehen gegeben, dass diese aufgrund ihrer Herkunft und dem hiermit im Zusammenhang stehenden kulturellen Hintergrund nicht in das von der Beklagten verfolgte Miet- und Wohnkonzept passen, ohne dass die Kläger hierzu einen Anlass gegeben hätten. Es entsteht der Eindruck, die Beklagte fürchte durch Mieter türkischorientalischer Herkunft bzw. arabischer Herkunft eine Abwertung·der Wohnanlage, die durch Mieter europäischer Herkunft nicht zu befürchten sei. Die damit vermittelte krasse Abwertung, Ausgrenzung und massive Ungerechtigkeit greift als erheblich verletzend in den Kernbereich des klägerischen Persönlichkeitsrechts ein. Es wird so nicht nur deutsches Verfassungsrecht verletzt, das die Gerichte im Rahmen der Beurteilung zu berücksichtigen haben, sondern auch tragende europäische Rechtsgrundsätze (vgl. nur Richtlinie 2000/43 EG des Rates v. 29.06.2000, Art. 21 EU-Grundrechtecharta).
Vorliegend ist neben den anderen Umständen des Einzelfalles weiter von besonderer Bedeutung, dass durch die Benachteiligungen in ein zu diesem Zeitpunkt mehr als zehn Jahre andauerndes Sozialwohnraummietverhältnis eingegriffen worden Ist. Das Wohnraummietverhältnis, sein Bestand wie auch seine Gestaltung, stehen unter besonderen Schutz des Gesetzgebers. Die Wohnung ist für jedermann Mittelpunkt seiner privaten Existenz und der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit. Der einzelne ist auf·ihren Gebrauch zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse sowie zur Freiheitssicherung angewiesen (BVerfG NJW 1993, 2035). Rechtsverletzungen des Vermieters ist der Mieter besonders ausgeliefert, der Vermieter ist in besonderer Weise zur Rücksichtnahme verpflichtet. Eine Diskriminierung, die sich auf die Wohnung als den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung (vgl. BVerfG, Urt. v. 03.03.2004, Az.: BvR 2378/98, – juris) bezieht, wiegt deswegen besonders schwer.
Durch die erlittenen Benachteiligungen sahen sich die Mieter letztlich zur Aufgabe des Mietverhältnisses gezwungen, so dass die Möglichkeit eines anderen Ausgleichs nicht ersichtlich ist.
Hinzu kommt, dass von den Benachteiligungen nicht nur die Kläger als Mieter selbst, sondern auch deren drei mit ihnen lebende Kinder (10, 11 und 22 Jahre alt) in nicht hinnehmbarer Weise betroffen wurden. Dass die Diskriminierung nur mittelbar gegenüber den teilweise minderjährigen Kindern verübt wurde, ändert nichts daran, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die Erfahrung auf Dauer negativ auf ihre besonders sensible persönliche Entwicklung sowie auf das Bild von sich selbst und ihrer Rolle in der Gesellschaft der Bundesrepublik auswirken wird.
Die Rechtsverletzung der Beklagten erschöpfte sich zudem nicht in einer einmaligen, wenn auch unmittelbaren und schwerwiegenden Benachteiligung, sondern wurde nach der Mieterhöhung in Form der Verweigerung der erbetenen Räumungsfrist ohne jede Einsicht fortgesetzt, obwohl durch die Schreiben der Kläger auf die diskriminierende Wirkung hingewiesen worden war. Erschwerend kommt in diesem Zusammenhang hinzu, dass die Beklagte nicht nur durch die Kläger selbst, sondern auch durch einstimmigen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung vom 28.04.2010 aufgefordert worden war, die diskriminierende Mieterhöhung zurückzunehmen. Dies hat die Beklagte jedoch nicht nur unterlassen, sie hat sich unter Missachtung der klägerischen Rechte veranlasst gesehen, weitere diskriminierende Maßnahmen zu unternehmen.
Eine wiederholte Beeinträchtigung erhält jedoch dadurch ihr besonderes Gewicht, dass die Rechte des Beeinträchtigten wissentlich und mit besonderer Hartnäckigkeit verletzt werden (BGH NJW 1996, 985).
bb) Im Rahmen der Entscheidung über die Höhe ist weiter zu berücksichtigen, dass dieser nicht in erster Linie auf billigen Ausgleich für erlittenes Unrecht gerichtet ist. Bei dem Entschädigungsanspruch handelt es sich nicht im eigentlichen Sinn um einen Schmerzensgeldanspruch, sondern um ein Recht, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Der Entschädigungsanspruch soll damit nicht dem Ausgleich, sondern der Genugtuung der Opfer und der·Prävention dienen (BGH NJW 1996, 985, 987). Dem Präventionsgedanken kommt im Rahmen einer schweren Verletzung besondere Bedeutung zu (BGH Urt. v. 05.12.1995, NJW 1996, 984). Hohe Entschädigungen sind in Ansehung dieser Rechtsprechung bei schweren und hartnäckigen Verstößen, die keinen Fall des § 15 Abs. 2 S. 2 AGG darstellen, nicht unüblich (vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 05.06.2014, Az.: 2 Sa 394/13: 25.000,00 €; LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 26.11.2008, Az.: 15 Sa 517/08: 20.000,00 €; Urt. v. 31.01.2008, Az.: 5 Sa 1755/07: 12.000,00 €, – jew. zit. nach juris). Die europäische Richtlinie 2000/43/EG sieht zudem in § 15 als Sanktion Maßnahmen mit ,abschreckender Wirkung“ vor. Der in § 21 AGG geregelte Entschädigungsanspruch ist damit nur dann als zur Richtlinie konform anzusehen, wenn dieser eine „abschreckende Wirkung“ ermöglicht (vgl. EuGH NJW 1997, 1839). Eine lediglich symbolische Entschädigung würde den Erfordernissen einer wirksamen Umsetzung der Richtlinie nicht gerecht (BT- Drucksache 16/1180 S. 47).
Der Anspruch war deswegen so zu bemessen, dass er·geeignet erscheint, die Beklagte, deren Wohnanlage immerhin 44 Wohnungen umfasst, künftig von weiteren Diskriminierungen abzuhalten. Das Gericht erachtet einen Betrag von jeweils 15.000,00 € als angemessen aber auch ausreichend, um der Schwere der Verletzung und den Gesichtspunkten der Genugtuung, Prävention und Abschreckung Rechnung zu tragen.
Der Anspruch der Kläger ist nicht verjährt. Es gilt die Regelverjährung gemäß § 195 BGB von drei Jahren. Diese begann gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB zum Schluss des Jahres 2010 und endete zum Schluss des Jahres 2013. Die Verjährung ist jedoch seit dem 31.01.2013, dem Zeitpunkt des Eingangs der Klage, gehemmt,§ 204 Abs. 1 Nr.1 6GB. Zwar trat erst 05.03.2014 Rechtshängigkeit ein. Diese wirkt jedoch gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage zurück, da eine Zustellung „demnächst“ im Sinne der Norm nach Einreichung eines Schecks noch vor Kostenanforderung erfolgt ist.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1; 288 Abs. 1 BGB.
Den Klägern steht gemäß § 21 Abs. 2 S.1 AGG ein Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung gemäß der Rechnung vom 19.12.2013 in der geltend gemachten Höhe zu. Zu den Anspruchsvoraussetzungen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Der Schadensersatzanspruch umfasst die Kosten der Rechtsverfolgung, da die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war.
Zutreffend legen die Bevollmächtigten .entsprechend ihrem Schreiben vom 14.06.2010 einen Gegenstandswert von 13.469,44 € (10.000 € Entschädigung, 3.460,44 € Jahresbetrag der angegriffenen Mieterhöhung) sowie eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG zuzüglich einer Gebührenerhöhung von 0,3 gemäß Nr. 1008 VV·RVG zugrunde.
Der Zinsanspruch diesbezüglich beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 281 Abs. 3 S. 2, 100 Abs. 1 ZPO. Liegt die Verurteilung unter dem im unbezifferten Klageantrag als Untergrenze angegebenen Betrag, so wirkt sich dies auf die zu treffende Kostenentscheidung nur und soweit aus, als die Abweichung mehr als 20 % beträgt. Bis zu einer Verurteilung in der Hauptsache zu insgesamt 36.000 € wären die Kosten (mit Ausnahme der gemäß § 281 Abs. 3 ZPO) demnach allein durch die Beklagte zu tragen gewesen. In diesem Fall wären insgesamt Prozesskosten in Höhe von etwa 7.860 € entstanden. Durch die Zuvielforderung sind es demgegenüber etwa 9.020 €. In diesem Verhältnis haben somit die Kläger die Kosten des Rechtsstreits nach Kopfteilen zu tragen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 108 Nr. 11, 711, 709 ZPO.
23.12.2017