Die Bewohner der Bornholmer Straße 50/Jülicher Straße 30 glaubten, das große Los gezogen zu haben, als ihr Haus vor drei Jahren an die „Stiftung Edith Maryon“ verschenkt wurde. Die gemeinnützige Schweizer Stiftung „zur Förderung sozialer Wohn- und Arbeitsstätten“ hat einen guten Ruf. Inzwischen wurden fünf der 14 Bewohner verklagt, weil sie die Verdoppelung ihrer Mieten nach Modernisierung nicht hinnehmen wollen.
Die Alt-Eigentümerin des Weddinger Eckhauses hatte keine Erben und verfügte daher testamentarisch eine Schenkung an die Stiftung. Mit deren Modernisierungsankündigung kam dann der Schock: Die derzeit sehr günstigen Mieten sollen auf 6 bis 8 Euro pro Quadratmeter nettokalt steigen. Ulrich Kriese von der Stiftung Edith Maryon verweist auf den „Riesen-Instandhaltungsrückstau“. Lange Zeit war am Haus gar nichts gemacht worden, viele Wohnungen haben noch Ofenheizungen.
„Man sollte überlegen, was wirklich nötig ist“, meint dagegen Wilhelm Ebentreich von der Mieterschaft. Grundrissveränderungen wie die Vergrößerung des Bades auf Kosten der Küche lehnt ein Teil der Mieter ab. Ein weiterer Kritikpunkt: Eine Erdgeschosswohnung soll zum Fahrradraum zweckentfremdet werden. „Wir fühlen uns nicht fair behandelt“, meint eine Mieterin. Zwar habe es etliche Gespräche gegeben, aber stets sei es nur darum gegangen, sie zur Unterschrift zu bewegen.
Mittlerweile rudert die Stiftung zurück. „Wir bieten allen Altmietern an, dass sie nicht mehr als 6,50 Euro zahlen müssen“, so Kriese in einer Stellungnahme gegenüber dem MieterMagazin. Für bedürftige Mieter soll die Miete sogar bis auf 4,50 Euro heruntersubventioniert werden. Das gelte auch für neu einziehende Mieter, ein Viertel der Wohnungen könne bei Nachweis entsprechender Einkommensverhältnisse zu diesem Preis angeboten werden.
Warum man dieses Angebot bis heute keinem Mieter schriftlich unterbreitet hat, sondern weiter vor Gericht über ganz andere Miethöhen streitet, bleibt rätselhaft. Durch den Rechtsweg verzögert sich die Modernisierung – das kostet Geld und nagt am Ruf der Stiftung, zumal eine Website der Mieter mächtig für Stimmung sorgt. „4,50 Euro wäre ein gutes Angebot, aber die Konditionen sind völlig unklar“, kritisiert Ebentreich. Man handhabe das individuell, erklärt Ulrich Kriese.
Bleibt die Frage, warum eine dem Sozialwohl verpflichtete Stiftung sich nicht klarer positioniert. „Die Stiftung hätte eine Vorreiterrolle einnehmen können – mit günstigen Mieten für alle“, meint Wilhelm Ebentreich.
Kriese macht zudem keinen Hehl daraus, dass das Haus Erträge abwerfen soll für andere soziale Projekte der Stiftung. Das sei der erklärte Wille der Erblasserin gewesen. „Wir entziehen Grund und Boden der Spekulation und ermöglichen dadurch langfristig günstige Mieten“, betont Kriese. Ein Verkauf des Grundstücks oder die Umwandlung in Eigentumswohnungen ist auf Dauer ausgeschlossen.
Fest steht: Ohne den Widerstand der Mieter wäre alles ganz anders ausgegangen.
Birgit Leiß
03.01.2018