Leitsätze:
a) Eine Kündigung des Vermieters wegen der Verletzung der Pflicht des Mieters, Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten zu dulden, kommt nicht erst dann in Betracht, wenn der Vermieter gegen den Mieter vor Ausspruch der Kündigung einen (rechtskräftig) titulierten Duldungstitel erstritten hat.
b) Dem Vermieter kann die Fortsetzung des Mietverhältnisses vielmehr auch schon vor Erhebung einer Duldungsklage und Erwirkung eines Titels unzumutbar sein mit der Folge, dass eine fristlose Kündigung das Mietverhältnis beendet; gleichermaßen kann die verweigerte Duldung eine derart schwere Vertragsverletzung sein, dass (auch) eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt ist.
c) Ob das Mietverhältnis nach verweigerter Duldung durch den Mieter aufgrund der ausgesprochenen Kündigung sein Ende gefunden hat, hat der Tatrichter allein auf der Grundlage der in § 543 Abs. 1 BGB beziehungsweise in § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB genannten Voraussetzungen unter Abwägung aller im Einzelfall in Betracht kommenden Umstände zu prüfen.
BGH vom 15.4.2015 – VIII ZR 281/13 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 14 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die ersten Arbeiten zur Hausschwammbeseitigung duldeten die Mieter anstandslos und zogen in ein Hotel. Als der Vermieter wenige Monate später weitere Sanierungsarbeiten ankündigte, gewährten sie dem Vermieter keinen Zutritt. Erst nachdem der eine einstweilige Verfügung auf Zutritt zur Wohnung erstritten hatte, konnten die Arbeiten beginnen. Parallel dazu kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos. Als die Mieter dann vier Wochen später Handwerkern zwecks Durchführung von Installationsarbeiten den Zutritt zum Keller verweigerten, kündigte der Vermieter erneut fristlos. Die Mieter argumentierten, dass zunächst einmal geklärt werden müsse, ob sie verpflichtet seien, die Handwerker in die Wohnung zu lassen, ob sie die angekündigten Arbeiten dulden müssten.
Der Bundesgerichtshof beurteilte die Rechtslage anders. Eine auf die Verletzung von Duldungspflichten gestützte Kündigung des Mietverhältnisses komme nicht erst in Betracht, wenn der Mieter einen gerichtlichen Duldungstitel missachte oder sein Verhalten querulatorische Züge zeige. Der Vermieter sei berechtigt, fristlos zu kündigen, wenn ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar ist.
Es stelle eine Verkennung der (strengen) Anforderungen an das Vorliegen eines schuldlosen Rechtsirrtums des Schuldners (= Mieters) dar, anzunehmen, dass der Mieter, der eine bestehende Duldungspflicht nicht erfülle, schon dann schuldlos handele, wenn er (nur) plausibel erscheinende Einwendungen erhebe. Der Schuldner dürfe das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage nicht dem Gläubiger zuschieben. Entscheide er sich bei zweifelhafter Rechtslage dafür, die von ihm geforderte Leistung (hier also die Duldung) nicht zu erbringen, gehe er grundsätzlich das Risiko, dass sich seine Einschätzung später als falsch erweise, zumindest fahrlässig ein und habe deshalb seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er – wie in einem späteren Rechtsstreit festgestellt werde – zur Leistung verpflichtet war.
Es komme also nicht darauf an, ob die Duldungsverweigerung aus Sicht des Mieters „plausibel“ war, sondern darauf, ob das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht materiell-rechtlich begründet war. Die Unterscheidung, ob die vom Mieter erhobenen Einwendungen „plausibel“ oder „querulatorisch“ waren, könne allenfalls bei der Beurteilung der Schwere des ihm angelasteten Pflichtverstoßes von Bedeutung sein.
Der Bundesgerichtshof verwies die Sache an das Landgericht Berlin zurück, damit der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden könne. So müsse abgeklärt werden, um welche Arbeiten es im Einzelnen ging, wie umfangreich und dringend sie waren, welche Beeinträchtigungen sich hieraus für die Mieter ergaben, welche Bedeutung die alsbaldige Durchführung der Arbeiten aus wirtschaftlicher Sicht für den Vermieter hatte und welche Schäden und Unannehmlichkeiten dem Vermieter dadurch entstanden seien, dass er erst verspätet Zutritt zur Wohnung erhalten hatte.
Die Entscheidung erhöht den Druck auf Mieter, Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten des Vermieters widerspruchslos zu dulden. Wer den beauftragten Handwerkern den Zutritt zur Wohnung nicht gewährt, dem droht die fristlose Kündigung.
Die Geltendmachung von Mieterrechten bei Modernisierungs- oder Instandsetzungsarbeiten ist deutlich schwieriger geworden. Der BGH hat die Vermieter-Position gestärkt.
Nur in den Fällen besteht kein Kündigungsrisiko, wo der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht an der Duldung hat. Das ist zum Beispiel der Fall bei fehlender oder unwirksamer Modernisierungsankündigung, bei Vorliegen einer Härte, die nicht finanzieller Natur ist, bei Fehlen einer „Modernisierung“ im Sinne von § 555 b Nummern 1 bis 7 BGB und bei vertraglichen Modernisierungsausschlüssen.
01.01.2018