Leitsatz:
Die Abwägung im Einzelfall kann ergeben, dass der Mieter die Anbringung eines Zweitbalkons im Hinterhof nicht dulden muss.
LG Berlin vom 25.9.2015 – 65 S 193/15 –
Mitgeteilt von VRinLG Astrid Siegmund
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter begehrte die Duldung des Anbaus eines Zweitbalkons. Das Amtsgericht hatte eine Abwägung der mit dem Anbau des Zweitbalkons im Einzelnen verbundenen Vor- und Nachteile getroffen und war im Ergebnis dazu gelangt, den Duldungsanspruch des Vermieters zu verneinen. Das Landgericht bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts: Der Umstand, dass der vorhandene Balkon zur Nordseite hin ausgerichtet sei, wohingegen der neu angebaute Balkon größer und zur Südseite hin gelegen sei, führe nicht dazu, dass hier wegen des Zweitbalkons von einer relevanten Erhöhung des Nutzwerts für die Wohnung der Mieter auszugehen wäre. Es werde nicht in Abrede gestellt, dass der im Hinterhof angebaute Balkon grundsätzlich zusätzliche Aufenthalts- und Stellfläche biete. Für die Bewertung der Frage, ob es sich hierbei aber um eine vom Mieter zu duldende Modernisierungsmaßnahme handele, sei jedoch ebenso zu berücksichtigen, dass es sich dabei um einen im 2. OG befindlichen Balkon eines mehrstöckigen Hauses handele, was unabhängig von der Frage der konkreten Lichtverhältnisse im Hinterhof zu einer weiteren Verschattung führe.
Hinzu komme die auf den zur Akte gereichten Lichtbildern ersichtliche enge Anordnung der schräg gegenüberliegend angebrachten, offenen Balkone, die eine starke Einsehbarkeit der Balkone an sich, aber auch der dahinter gelegenen Wohnräume mit sich bringe. Dieses, aber auch insbesondere das unmittelbar daneben verlaufende Abluftrohr des Chinarestaurants sowie die darunter befindliche Müllstandsfläche schmälern noch weiter die Attraktivität des Balkons an der Wohnung der Mieter. Auch stelle der Anblick der gegenüberliegenden Mauer keinen ansprechenden Ausblick dar.
Hinzu komme weiter, dass sich der Einbau einer Balkontür in der Küche angesichts der konkreten örtlichen Gegebenheiten nachteilig auswirke. Unstreitig falle im Falle des Einbaus einer Balkontür der unter dem Küchenfenster vorhandene Stauraum ersatzlos weg, was sich für den Gebrauch der ohnehin verhältnismäßig kleinen und noch dazu länglich geschnittenen Küche, von welcher aus im Fenster-/Balkontürbereich zudem noch der Zugang zum Bad erfolge, negativ auswirke.
Unter Berücksichtigung der Umstände in ihrer Gesamtheit sei deshalb bei der gebotenen objektiven Betrachtung nach der allgemeinen Verkehrsanschauung im vorliegenden Fall durch die Anbringung eines Zweitbalkons im Hinterhof nicht von einer relevanten Erhöhung des Wohnwerts für die streitgegenständliche Mietsache auszugehen
Urteilstext
Beschuss nach § 522 Abs. 2 ZPO:
I.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.
Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Anbau bzw. die Erschließung des Zweitbalkons für die Wohnung der Beklagten unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände hier keine duldungspflichtige Modernisierungsmaßnahme i.S.v. § 555 b Nr. 4, 5 BGB darstellt.
Ohne Erfolg beruft die Klägerin sich zunächst darauf, dass es in Bezug auf den bereits vorhandenen Balkon, welcher vom Wohnzimmer aus zu betreten ist, einer gerichtlichen Inaugenscheinnahme bedurft hätte, weil die zur Akte gereichten Lichtbilder den objektiven Blickwinkel verzerren würden. Es kann dahinstehen, ob sich anhand der von der Beklagten eingereichten Lichtbilder die zwischen den Parteien streitigen Maße dieses Balkons nachvollziehen lassen oder nicht. Unzweifelhaft finden auf dem Balkon derzeit jedenfalls vier Sitzgelegenheiten und ein kleiner Tisch Platz. Dieser Umstand wird weder durch die Perspektive auf den Lichtbildern verfälscht, noch hat die Klägerin dies konkret bestritten, so dass es insofern auch keiner Durchführung eines Ortstermins oder der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte. Es kommt daher auch nicht darauf an, dass der Vermieter sich angesichts des Umstandes, dass ihm für den Fall des Vorliegens eines berechtigten Interesses grundsätzlich ein Zutrittsrecht zur Wohnung des Mieters zusteht, sich nicht auf ein einfaches Bestreiten der örtlichen Gegebenheiten zurückziehen kann. Die bereits vorhandene Stellgelegenheit von Sitzmöbeln für bis zu 4 Personen auf dem Balkon scheint angesichts der mittleren Größe der Wohnung der Beklagten von 80 m2 jedoch ausreichend, auch wenn es sich insoweit nicht um eine großzügige Freifläche im Außenbereich handelt.
Auch der Umstand, dass der vorhandene Balkon zur Nordseite hin ausgerichtet ist, wohingegen der neu angebaute Balkon größer und zur Südseite hin gelegen ist, führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dazu, dass hier wegen des Zweitbalkons von einer relevanten Erhöhung des Nutzwerts für die Wohnung der Beklagten auszugehen wäre. Die vom Amtsgericht vorgenommene Abwägung der mit dem Anbau des Zweitbalkons im Einzelnen verbundenen Vor- und Nachteile ist nicht zu beanstanden. Es wird nicht in Abrede gestellt, dass der im Hinterhof angebaute Balkon grundsätzlich zusätzliche Aufenthalts- und Stellfläche bietet. Für die Bewertung der Frage, ob es sich hierbei aber um eine vom Mieter zu duldende Modernisierungsmaßnahme handelt, ist jedoch ebenso zu berücksichtigen, dass es sich dabei um einen im 2. OG befindlichen Balkon eines mehrstöckigen Hauses handelt, was unabhängig von der Frage der konkreten Lichtverhältnisse im Hinterhof zu einer weiteren Verschattung führt. Hinzu kommt die auf den zur Akte gereichten Lichtbildern ersichtliche enge Anordnung der schräg gegenüberliegend angebrachten, offenen Balkone, die eine starke Einsehbarkeit der Balkone an sich, aber auch der dahinter gelegenen Wohnräume mit sich bringt. Dieses, aber auch insbesondere das unmittelbar daneben verlaufende Abluftrohr des Chinarestaurants sowie die darunter befindliche Müllstandsfläche schmälern noch weiter die Attraktivität des Balkons an der Wohnung der Beklagten. Auch stellt der Anblick der gegenüberliegenden Mauer keinen ansprechenden Ausblick dar. Hinzu kommt weiter, dass sich der Einbau einer Balkontür in der Küche angesichts der konkreten örtlichen Gegebenheiten nachteilig auswirkt. Unstreitig fällt im Falle des Einbaus einer Balkontür der unter dem Küchenfenster vorhandene Stauraum ersatzlos weg, was sich für den Gebrauch der ohnehin verhältnismäßig kleinen und noch dazu länglich geschnittenen Küche, von welcher aus im Fenster-/Balkontürbereich zudem noch der Zugang zum Bad erfolgt, negativ auswirkt. Der Hinweis der Klägerin, dass die Beklagte keinen Anspruch auf eine Wohnküche habe und sie daher an der Stelle, wo sich derzeit Tisch und Stühle befinden, zusätzliche Schränke anbringen könnte, verfängt nicht. Auch wenn es sich vorliegend nicht um eine Wohnküche handelt, welche sich durch eine besondere Größe und die damit verbundene Möglichkeit auszeichnet, darin letztlich wie bei einem Esszimmer entsprechend großzügige Sitz- und Abstellgelegenheiten zu integrieren, ist es jedoch weitverbreitet und wird in den für ein solches Mietobjekt in Betracht kommenden Mieterkreisen auch allgemein geschätzt, wenn – wie hier – in einer „normalen“ Küche zumindest ein kleiner (Klapp)Tisch und ein paar Stühle untergebracht werden können. Der Wegfall einer solchen Stellmöglichkeit wirkt sich daher auf die Nutzbarkeit der Küche nachteilig aus, ohne dass dem- hier angesichts des bereits vorhandenen Balkons – ein hinreichend gewichtiger Vorteil gegenüber stehen würde.
Unter Berücksichtigung der Umstände in ihrer Gesamtheit ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung nach der allgemeinen Verkehrsanschauung (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 – VIII ZR 326/10, zitiert nach juris) im vorliegenden Fall durch die Anbringung eines Zweitbalkons im Hinterhof nicht von einer relevanten Erhöhung des Wohnwerts für die streitgegenständliche Mietsache auszugehen.
02.01.2018