Leitsätze:
Eine Behörde, die im Rahmen der Daseinsvorsorge staatliche Transferleistungen erbringt, wird nicht als Erfüllungsgehilfe des Mieters tätig, wenn sie für ihn die Miete an den Vermieter zahlt (Bestätigung der Senatsurteile vom 21. Oktober 2009 – VIII ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Rn. 27 ff.; sowie vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 175/14, BGHZ 204, 134 Rn. 20).
Ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB kann auch – unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Mieters – allein in der objektiven Pflichtverletzung unpünktlicher Mietzahlungen und den für den Vermieter daraus folgenden negativen Auswirkungen liegen, wenn die Gesamtabwägung ergibt, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar ist.
Bei der – dem Tatrichter obliegenden – Abwägung kann von Bedeutung sein, ob zahlreiche Verspätungen aufgetreten sind, diese jeweils einen erheblichen Zeitraum und erhebliche Beträge betreffen oder der Vermieter in besonderem Maße auf den pünktlichen Erhalt der Miete angewiesen ist, beispielsweise weil er daraus seinen Lebensunterhalt bestreitet oder hiermit Kredite bedienen muss. Zudem kann es eine Rolle spielen, ob das Mietverhältnis – abgesehen von den unpünktlichen Zahlungen – bisher störungsfrei verlaufen ist oder kurze Zeit vorher bereits eine berechtigte fristlose Kündigung ausgesprochen worden ist, die erst durch eine Zahlung innerhalb der Schonfrist während des Räumungsprozesses unwirksam geworden ist.
Urteil des BGH vom 29.6.2016 – VIII ZR 173/15 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 11 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Wird die Miete vom Job-Center gezahlt und kommt es zu verspäteten Eingängen auf dem Konto des Vermieters, kann der Mieter wegen vertragswidrigen unzumutbaren Verhaltens fristlos gekündigt werden. Dass den Mieter an der verspäteten Zahlung durch das Job-Center kein unmittelbares eigenes Verschulden trifft, hilft ihm nicht immer. Denn das Verschulden einer Vertragspartei ist zwar ein in § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich hervorgehobener Umstand („insbesondere“), dem bei der Gesamtabwägung regelmäßig ein erhebliches Gewicht zukommen wird; es stellt jedoch keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines wichtigen Grundes dar. Bei der Kündigung nach § 543 Abs.1 BGB kommt es immer auf eine Gesamtabwägung aller Umstände an. Als nachteilig für den Mieter sieht es der BGH dabei beispielsweise an, wenn dieser nach Kenntnis von unpünktlichen Zahlungen keine eigenen Anstrengungen unternimmt, das Zahlungsverhalten des Job-Centers zu korrigieren. Deshalb muss der Mieter in Fällen wie diesen regelmäßig darlegen und beweisen, dass er die Leistung rechtzeitig und unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen beantragt und bei etwaigen Zahlungssäumnissen der Behörde bei dieser auf eine pünktliche Zahlung gedrungen und insbesondere auf eine bereits erfolgte Abmahnung des Vermieters und die deshalb drohende Kündigung hingewiesen hat.
29.06.2017