Leitsatz:
Auch im Prozess um die Rückforderung von nach § 556 d Abs. 1 BGB überhöhten Mieten ist der Vergleichsmietzins anhand des Berliner Mietspiegels zu ermitteln, der als einfache Schätzgrundlage angewendet werden kann.
AG Lichtenberg vom 28.9.2016 – 2 C 202/16 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Vorliegende Entscheidung ist das erste Urteil zur Berliner „Mietpreisbremse“. In dem am 6.10.2015 abgeschlossenen Mietvertrag war eine Miete in Höhe von 7,60 Euro netto kalt pro Quadratmeter vereinbart worden. Die Mieter errechneten an Hand des Berliner Mietspiegels jedoch eine nach § 556 d BGB zulässige Miete in Höhe von 7,16 Euro netto kalt pro Quadratmeter. Mit Schreiben vom 12.10.2015 rügten die Mieter gegenüber ihrem Vermieter, dass die Miete die Mietpreisbremse um 32,47 Euro monatlich übersteige. Der Vermieter blieb jedoch untätig. Die Mieter erhoben deshalb Klage auf Rückzahlung überhöhter Miete für die Monate November 2015 bis einschließlich Mai 2016, also insgesamt 227,29 Euro.
Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Miete für die streitgegenständliche Wohnung übersteige die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 Prozent. Zulässig sei nur eine Höchstmiete von 7,161 Euro pro Quadratmeter (6,51 Euro + 10 Prozent), das heißt von insgesamt 529,55 Euro netto kalt. Die Differenz von je 32,47 Euro für die Monate November 2015 bis Mai 2016 müsse die Vermieterin daher an die Mieter zurückzahlen.
Der Vergleichsmietzins sei anhand des Berliner Mietspiegels 2015 zu ermitteln, der als einfache Schätzgrundlage auch bei Prozessen um die Mietpreisbremse angewendet werden könne. Das Urteil ist rechtskräftig.
Urteilstext
Tatbestand
Die Parteien streiten um Rückzahlung zu viel entrichteter Miete.
Die Kläger sind Mieter einer 73,95 qm großen Wohnung in der ??? Berlin aufgrund eines Mietvertrages mit der Beklagten vom 6.10.2015. Hierin wurde eine Nettokaltmiete in Höhe von € 562,02 vereinbart. Das Haus liegt im Geltungsbereich des Berliner Mietspiegels 2015 und ist dort in das Mietspiegelfeld H2 einzuordnen.
Mit Schreiben vom 12.10.2015 rügten die Kläger gegenüber der Beklagten eine Überschreitung der nach § 556d Abs. 1 BGB zulässigen Miete um € 32,47 monatlich und verlangten von der Beklagten die Rückzahlung zu viel entrichteter Miete für die Monate November 2015 bis einschließlich Mai 2016, also insgesamt € 227,29. Zur Begründung führten die Kläger aus, dass eine Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete anhand des Berliner Mietspiegels 2015 eine ortsübliche Miethöhe von € 6,51/qm ergeben hätte. Zuzüglich der in § 556d Abs. 1 BGB vorgesehenen 10%-igen Überschreitung ergebe sich eine Miethöhe von € 7,161/qm und damit eine zulässige Nettokaltmiete von monatlich € 529,55.
Die Beklagte wies das Rückzahlungsverlangen der Kläger mit Schreiben vom 24.11.2015 zurück. Hierin nahm sie auf die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch die Kläger anhand des Mietspiegels Bezug und führte aus, dass eine Überschreitung des Spannenoberwertes bei Vorliegen eines Sondermerkmals aufgrund der besonderen Bedeutung solcher Merkmale für die Wohnqualität entgegen der im Mietspiegel ausgesprochenen Berechnungsempfehlung zulässig sei.
Die Kläger erwiderten mit Schreiben vom 29.01.2016 hierauf, dass laut Mietspiegel der Oberwert nicht überschritten werden dürfe und bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete anhand der im Internet bereitgestellten Onlineabfrage zum Berliner Mietspiegel das Sondermerkmal mit dessen Zuschlag von € 0,40/qm bereits berücksichtigt worden sei.
Anlässlich der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete gingen die Parteien übereinstimmend von einer Spanneneinordnung der Wohnung von + 100% und dem Vorliegen des Sondermerkmals „Modernes Bad“ (+ € 0,40/qm) aus.
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger € 227,29 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint zunächst, dass der Berliner Mietspiegel zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete weder als qualifizierter noch als einfacher Mietspiegel heranzuziehen sei. Er beruhe nicht auf repräsentativem Datenmaterial, die Extremwertbereinigung im Berliner Mietspiegel widerspreche anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen und die Zuordnungen von Wohnungen zu den Lagen einfach, mittel und gut sowie die Definition der Lagen selbst verletze das Homogenitätsgebot.
Sie ist darüber hinaus der Ansicht, dass bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Berliner Mietspiegel das Sondermerkmal unabhängig von der Spanneneinordnung zu berücksichtigen sei. Der Mietspiegel selbst lege unter Ziff. 10.1 dar, dass bei Vorliegen von Sondermerkmalen eine eigene Wohnqualität gegeben sei. Eine Kappung am Spannenoberwert führe jedoch dazu, dass sich das Sondermerkmal nicht oder nur teilweise in der ortsüblichen Vergleichsmiete niederschlage.
…
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
1.
Die Kläger haben einen Anspruch gegen die Beklagten auf Erstattung überbezahlter Miete in Höhe der Klageforderung gemäß §§ 556g Abs. 1, 2, 556d BGB.
a. Ein Überschreiten der nach § 556d Abs. 1 BGB zulässigen Miethöhe liegt vor.
aa. Zunächst liegt die von den Klägern angemietete Wohnung in der ??? Berlin, in einem nach § 556d Abs. 2 BGB bestimmten Gebiet, sodass § 556d Abs. 1 BGB auf deren Wohnung Anwendung findet. Gemäß § 1 Mietenbegrenzungsverordnung wurde per 01.06.2015 das gesamte Gebiet der Stadt Berlin als ein Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt bestimmt.
bb. Die ortsübliche Vergleichsmiete, an der sich gemäß § 556d Abs. 1 BGB die zulässige Höchstmiete orientiert, ist anhand des Berliner Mietspiegels 2015 zu bestimmen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist das Gericht befugt, den Mietspiegel 2015 auch unabhängig von der Frage, ob es sich bei diesem um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne von § 558d Abs. 2 BGB handelt und ohne die Einholung eines Sachverständigengutachtens als sog. einfachen Mietspiegel für die Ermittlung ortsüblichen Vergleichsmiete heranziehen. Auch ein einfacher Mietspiegel nach § 558c Abs. 1 BGB, der die Voraussetzungen des § 558d BGB nicht erfüllt, darf in die Überzeugungsbildung des Gerichts mit einfließen. Ihm kommt dabei zwar nicht die in § 558d Abs. 3 dem qualifizierten Mietspiegel vorbehaltene Vermutungswirkung zu. Er stellt aber ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben und kann Grundlage einer Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO sein (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2012 – VIII ZR 46/12; LG Berlin, Urt. v. 07.07.2016 – 67 S 72/16; Urt. v. 16.07.2015 – 67 S 120/15; Urt. v. 04.03.2013 – 63 S 81/12;). Dies setzt allerdings voraus, dass er – wie der Berliner Mietspiegel 2015 – die Anforderungen an einen einfachen Mietspiegel gemäß § 558c Abs. 1 BGB erfüllt.
Nach der Legaldefinition des § 558c Abs. 1 BGB ist ein einfacher Mietspiegel eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit diese von der Gemeinde oder von den Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt worden oder anerkannt worden ist. Die für eine richterliche Schätzung nach § 287 ZPO ausreichende Indizwirkung eines Mietspiegels besteht selbst dann, wenn ein einfacher Mietspiegel – anders als der Berliner Mietspiegel – nicht von der Gemeinde, sondern allein von den Interessenvertretern der Mieter und der Vermieter erstellt wurde. Es ist nicht gerechtfertigt, derart erstellten Mietspiegeln allgemein jegliche Aussagekraft im Erkenntnisverfahren abzusprechen (vgl. BGH, Urt. v. 16.06.2010 – VIII ZR 99/09). Denn die Annahme liegt fern, die Interessenvertreter der Vermieter und der Mieter würden einen Mietspiegel erstellen oder billigen, der den Interessen ihrer jeweiligen Mitglieder widerspricht, weil er die ortsübliche Vergleichsmiete, die tatsächlichen Verhältnisse ignorierend, unzutreffend abbildet (vgl. BGH, a.a.O.).
Der Berliner Mietspiegel 2015 ist vom Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, erstellt und von diesem sowie den Vertretern der Mieterinteressen sowie dem Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. anerkannt worden. Eine Mindestanzahl der zu erfassenden Wohnungen ist für den einfachen Mietspiegel nicht vorgeschrieben.
Bereits die Anerkennung durch örtliche Interessenvertreter der Mieter und Vermieter spricht nach der Lebenserfahrung dafür, dass der Berliner Mietspiegel 2015 die örtliche Mietsituation nicht einseitig, sondern objektiv zutreffend abbildet. Diese Erfahrungstatsache wird durch die Erstellung und Anerkennung des Mietspiegels durch die Gemeinde – hier das Land Berlin – noch zusätzlich gestützt (vgl. BGH, a.a.O.; LG Berlin, Urt. v. 07.07.2016 – 67 S 72/16). Unter diesen Umständen ist der Berliner Mietspiegel für eine richterliche Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete ausreichend (vgl. LG Berlin, Urt. v. 07.07.2016 – 67 S 72/16; Urt. v. 16.07.2015 – 67 S 120/15).
Ob die Indizwirkung eines einfachen Mietspiegels im Einzelfall zum Nachweis der Ortsüblichkeit der verlangten Miete ausreicht, hängt allerdings davon ab, welche Einwendungen gegen den Erkenntniswert der Angaben des Mietspiegels erhoben werden. Trägt der Mieter etwa substantiiert vor, den Verfassern des Mietspiegels habe es an der erforderlichen Sachkunde gefehlt oder sie hätten sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder der Mietspiegel beruhe auf unrichtigem oder nicht repräsentativem Datenmaterial, kann dies Anlass für eine weitere gerichtliche Beweiserhebung sein (vgl. BGH, a.a.O.; LG Berlin, Urt. v. 16.07.2015 – 67 S 120/15).
Die Beklagte hat den Mietspiegelerstellern jedoch weder die erforderliche Sachkunde abgesprochen noch behauptet, diese hätten sich bei der Erstellung des Mietspiegels von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Die Beklagte beschränkt ihre Angriffe im Wesentlichen auf angebliche methodische Mängel des Mietspiegels: dessen Lageeinteilung sei fehlerhaft, die zugrunde gelegte Stichprobe nicht repräsentativ und die vorgenommene Extremwertbereinigung unzulässig.
Diese Angriffe stellen damit weder die Expertise der Mietspiegelersteller noch deren Lauterkeit in Abrede, sondern ziehen allein in Zweifel, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde. Daraus folgt aber lediglich für den Fall hinreichend substantiierter inhaltlicher Einwendungen gegen den Mietspiegel, dass diesem in der gerichtlichen Auseinandersetzung nicht ohne Weiteres die Vermutungswirkung des § 558d Abs. 3 BGB beigemessen werden kann (vgl. BGH, a.a.O.; LG Berlin, Urt. v. 16.07.2015 – 67 S 120/15).
Davon zu trennen ist die Frage, ob ein solcher Mietspiegel für die dem Gericht gemäß § 287 ZPO eingeräumte Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete ausreicht (vgl. BGH, Urt. v. 20.04. 2005 – VIII ZR 110/04; Urt. v. 21.11.2012 – VIII ZR 46/12). Dieser für die beweisrechtliche Behandlung widerstreitenden Parteivortrags zur ortsüblichen Vergleichsmiete aßgebliche Gesichtspunkt bliebe ohne sachliche Rechtfertigung unberücksichtigt, wenn einem nicht nach allgemeinen wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Mietspiegel stets und zudem ohne nähere Begründung eine hinreichende Aussagekraft für eine richterliche Schätzung nach § 287 ZPO aberkannt würde. Im Rahmen des § 287 ZPO ist für die richterliche Überzeugungsbildung, anders als beim Vollbeweis, bereits eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichend (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 05.11.2013 – VI ZR 527/12 m.w.N.). Gemessen an diesem reduzierten Beweismaß reicht die unstreitige Expertise der Ersteller des Berliner Mietspiegels 2015 und die Anerkennung sowohl durch das Land, als auch durch die Interessenverbände der Mieter und eines Interessenverbandes der Vermieter für die richterliche Überzeugung, dass die im Mietspiegel angegebenen Miete die ortsübliche Vergleichsmiete mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutreffend wiedergeben, aus. Das gilt selbst in dem Fall, dass der Mietspiegel anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen nicht genügen und Mängeln der Datenerhebung und -auswertung unterliegen sollte. Denn es ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass derartige Mängel im Falle ihrer Erheblichkeit bereits den durch ihre Sachkunde ausgewiesenen Erstellern des Mietspiegels oder zumindest den als sachkundigen Vertretern der Interessen ihrer Mitglieder bekannten Mieter- und Vermieterverbänden vor dessen Veröffentlichung offenbar geworden wären und diese entsprechende Mängel entweder vor Veröffentlichung des Mietspiegels gerügt und beseitigt, zumindest aber zum Anlass genommen hätten, den Mietspiegel nicht in seiner jetzigen Form zu veröffentlichen oder in der veröffentlichten Form anzuerkennen. Da der Mietspiegel gleichwohl in seiner jetzigen Form veröffentlicht und zudem umfassend anerkannt wurde, ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zumindest davon auszugehen, dass die beklagtenseits behaupteten Mängel der Datenerhebung und -auswertung im Falle ihres Vorliegens für die sachlich zutreffende Ermittlung der ausgewiesenen Mietwerte nur unerheblich ins Gewicht gefallen sind und selbst eine statistisch fehlerfreie Erstellung des Mietspiegels allenfalls zu einer der Höhe nach unwesentlich abweichenden ortsüblichen Vergleichsmiete für die streitgegenständliche Wohnung geführt hätte (vgl. LG Berlin, Urt. v. 07.07.2016 – 67 S 72/16; Urt. v. 16.07.2015 – 67 S 120/15).
Dass eine derart vorgenommene Schätzung womöglich mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht vollständig übereinstimmt, hat der Gesetzgeber durch die der Beweis- und Verfahrenserleichterung dienende Vorschrift des § 287 ZPO ausdrücklich in Kauf genommen und ist deshalb hinzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.1963 – III ZR 47/63; Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 287 Rn. 2). Sie entspricht der gefestigten Rechtsprechung zu den sog. „Sternchenfeldern“ des Berliner Mietspiegels, die ebenfalls nicht an der Qualifizierungswirkung nach § 558d Abs. 3 BGB teilnehmen, gleichwohl aber auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Rahmen der richterlichen Schätzung nach § 287 ZPO herangezogen werden können (vgl. KG, Urt. v. 12.11.2009 – 8 U 106/09), selbst wenn der Vergleichsmietenbildung wie bei den sog. „Doppelsternchenfeldern“ nur 10-14 Mietwerte zugrunde liegen und diesen Feldern bereits ausweislich der Erläuterungen zum Mietspiegel lediglich eine bedingte Aussagekraft zukommt (vgl. LG Berlin, Urt. v. 04.03.2014 – 63 S 81/12; LG Berlin, Urt. v. 16.07.2015 – 67 S 120/15).
Eine derartige Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete widerspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Auch wenn einfache Mietspiegel in der ZPO nicht als Beweismittel vorgesehen sind und ihre Grundlagendaten niemals vollständig zweifelsfrei sein werden (vgl. LG Berlin, Urt. v. 03.07.2014 – 67 S 121/14), stellt ihre Verwendung im Zivilprozess im Spannungsfeld der widerstreitenden Interessen der Parteien die Belange des Vermieters nicht unverhältnismäßig hintan. Die Verwendung einfacher Mietspiegel im gerichtlichen Erkenntnisverfahren liegt vielmehr auch in dessen Interesse und wird vom BVerfG ausdrücklich gebilligt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.04.1990 – BvR 268/90). Sie garantiert nicht nur eine rasche Entscheidung. Sie erleichtert dem Vermieter auch in ganz erheblichem Maße die ihm obliegende prozessuale Darlegungslast. Ihr Vorzug besteht aber vor allem darin, dass auch einfache Mietspiegel in der Regel auf einer erheblich breiteren Tatsachenbasis beruhen, als sie ein gerichtlich bestellter Sachverständiger mit einem Kosten- und Zeitaufwand ermitteln könnte, der zum Streitwert des gerichtlichen Verfahrens in einem angemessenen Verhältnis stünde. Es kommt hinzu, dass auch der Beweiswert von Sachverständigengutachten zur ortsüblichen Vergleichsmiete über die vergleichsweise begrenzte Befundgrundlage hinaus von statistischen Bedenken bereits deshalb nicht frei ist, weil ihre Datenerhebung und -ermittlung ähnlichen Einwänden ausgesetzt ist wie die von (einfachen) Mietspiegeln. Davon abgesehen ist es wegen der in der gutachterlichen Praxis üblichen Anonymisierung der herangezogenen Vergleichswohnungen bereits grundsätzlich zweifelhaft, ob und unter welchen Voraussetzungen entsprechend erstellte Sachverständigengutachten überhaupt verfahrensfehlerfrei verwertet werden können (vgl. dazu BGH, Urt. v. 03.07.2013 – III ZR 354/12; LG Berlin, Urt. v. 16.07.2015 – 67 S 120/15).
Dagegen wäre eine Ermittlung der nach § 556d BGB ortsüblichen Vergleichsmiete durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens mit einem Kostenaufwand verbunden, der zu der Höhe der geltend gemachten Mietrückzahlung unter Berücksichtigung der als Schätzgrundlage vorhandenen Orientierungshilfe außer Verhältnis steht. Das entspricht auch der gesetzlichen Wertung des § 287 Abs. 2 ZPO (vgl. Schmidt-Futter-Börstinghaus, § 558b Rn. 121). Auch wenn der Orientierungshilfe die Vermutungswirkung des § 558d Abs. 3 BGB nicht zukommt, so dient sie als Schätzgrundlage im Sinne von § 287 ZPO, denn ihr liegt eine umfassende Datenmenge zugrunde und es kann so erwartet werden, dass die Verhältnisse auf dem Berliner Wohnungsmarkt hinreichend abgebildet werden (vgl. AG Lichtenberg, Urt. v. 19.05.2015, 20 C 560/14).
cc. Eine Berechnung der zulässigen Höchstmiete anhand des Berliner Mietspiegels ergibt, dass diese bei € 529,55 nettokalt liegt.
Die Wohnung der Kläger ist unstreitig in das Mietspiegelfeld H 2 einzuordnen, das einen Spannenunterwert von € 4,88, einen Mittelwert von € 5,66 und einen Oberwert von € 6,51 vorsieht. Unstreitig ist in der Wohnung der Kläger auch das Sondermerkmal „Modernes Bad“ mit einem Zuschlag von € 0,40/qm gegeben. Folgt man nun der unter Ziff. 11.3 der Orientierungshilfe des Mietspiegels angegebenen „Anleitung zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete und zur Spanneneinordnung“, ergibt sich folgende Berechnung: Zunächst wird nach Schritt 1 der Wert des Sondermerkmals zum Mittelwert hinzugefügt. Damit ergibt sich ein Wert von € 6,06 (€ 5,66 + € 0,40). Da hierdurch der Spannenoberwert noch nicht überschritten ist, können die wohnwerterhöhenden und wohnwertmindernden Merkmale zusätzlich berücksichtigt werden. Der unstreitige Zuschlag von + 100% entspricht der Differenz zwischen Mittel- und Oberwert, demnach € 0,85 (Schritt 2). In Schritt 3 wird nun der letztgenannte Betrag dem in Schritt 1 ermittelten Betrag hinzugerechnet. Dies ergibt einen Wert von € 6,91. Da dieser Wert jedoch außerhalb der im Mietspiegelfeld festgesetzten Spanne liegt, ist er auf den Spannenoberwert, also auf € 6,51 zu begrenzen.
Die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Höchstmiete pro qm für die Wohnung der Kläger beträgt hiernach € 7,161 (€ 6,51 + 10%). Bei einer Wohnungsgröße von 73,95 qm ergibt dies eine Nettokaltmiete von € 529,55 (€ 7,161 x 73,95).
Der Ansicht der Beklagten, ein Überschreiten des Spannenoberwertes sei im vorliegenden Fall zulässig und die ortsübliche Vergleichsmiete liege demnach bei € 6,91/qm – und die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Höchstmiete entsprechend bei € 7,60/qm – war nicht zu folgen. Der Wortlaut der Orientierungshilfe ist in diesem Punkt eindeutig. Unter Ziff. 11.3, Schritt 3, heißt es:
„Wird durch die Berücksichtigung der Sondermerkmale zum Mittelwert der Spannenendwert noch nicht erreicht, kann zusätzlich der Wert aus Schritt 2 (die Differenz zwischen Mittelwert und errechnetem Spannenwert) hinzugerechnet oder abgezogen werden. Liegt dieses Ergebnis außerhalb der im betreffenden Mietspiegelfeld ausgewiesenen Spanne, so ist es auf den Spannenendwert zu begrenzen.“
So folgt die Rechtsprechung auch in anderen Fällen einem eindeutigen und insoweit nicht auslegungsfähigen Wortlaut der Orientierungshilfe (vgl. bspw. LG Berlin, Urt. v. 10.04.2015 – 65 S 476/14; Urt. v. 05.04.2016 – 63 S 273/15). Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass unter Ziff. 10.1 der Orientierungshilfe den Sondermerkmalen eine besondere Bedeutung für die Wohnqualität beigemessen wird und die benannte Berechnungsmethode in der Orientierungshilfe nur „empfohlen“ wird (Ziff. 11.3). Allerdings hält das Gericht eine Abkehr von dem eindeutigen Wortlaut der Orientierungshilfe in diesem Punkt für nicht angezeigt. Der konkrete Spannenoberwert trägt bereits dem Wohnwert einer Wohnung in Bezug auf deren Lage, dem Baujahr des Hauses, der Größe der Wohnung und deren Ausstattung in Bezug auf Sammelheizung und Bad & WC Rechnung. Die Ersteller des Mietspiegels haben damit eine Entscheidung darüber getroffen, welcher Mietpreis pro qm der höchste ortsübliche Vergleichsmietzins für Wohnung innerhalb eines konkreten Mietspiegelfeldes sein soll. Dass ein Sondermerkmal seinen vollen Zuschlag dann unter Umständen – weil auch daneben noch genügend positive Merkmale vorliegen – nicht ausschöpfen kann, war ausweislich des unter Ziff. 11.3 zitierten „Ermittlungsanleitung“ eine bewusste Entscheidung der Ersteller des Mietspiegels. Dies ist gerade auch daraus ersichtlich, dass die Orientierungshilfe zum Mietspiegel explizit eine Ausnahme von der Begrenzung auf den Spannenoberwert zulässt und zwar in den Fällen, in denen allein durch die Addition von Sondermerkmalszuschlägen auf den Mittelwert der Spannenoberwert überschritten wird (vgl. Ziff. 11.3, Schritt 3, 2. Absatz). Zudem wurde in den Arbeitsgruppensitzungen Berliner Mietspiegel 2015 der Umgang mit Sondermerkmalen und deren Einfluss auf die Höhe der ortsüblichen Miete beraten (Berliner Mietspiegel, Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel und Aktualisierung des Wohnlagenverzeichnisses zum Berliner Mietspiegel 2015, Zusammenfassung der Arbeitsgruppensitzungen, S. 83 ff. [Sitzungen am 17.06.2014 und 03.09.2014, S. 85, 86]).
Dieser Entscheidung der Ersteller des Mietspiegels folgt das Gericht im Rahmen seiner nach § 287 ZPO durchzuführenden Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Das Gericht ist aufgrund der unstreitigen Expertise der Ersteller des Mietspiegels und der Tatsache, dass dieser sowohl vom Land Berlin, als auch von den Mieterverbänden und einem Vermieterverband anerkannt worden ist, davon überzeugt, dass die durch den Mietspiegel – wie dargelegt – bewusst getroffene Entscheidung, in dem hier in Streit stehenden Fall ein Überschreiten des Spannenoberwertes nicht zuzulassen, die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung der Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit korrekt abbildet. Die unter bb. allgemein zur Frage der Anwendbarkeit eines einfachen Mietspiegels als Schätzgrundlage gemachten Ausführungen gelten gerade auch für diesen konkreten Punkt.
b. Darüber hinaus sind auch die übrigen Voraussetzungen des § 556g Abs. 2 BGB erfüllt. Die Kläger haben die Überschreitung der nach § 556d BGB zulässigen Miete der Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 12.10.2015 gerügt und die Erstattung des zu viel entrichteten Mietzinses ab November 2015, also nach Zugang der Rüge verlangt. Das Schreiben der Kläger enthielt auch eine dem § 556g Abs. 2 S. 2 BGB entsprechende Begründung und erfolgte in Textform, vgl. § 556g Abs. 4 BGB.
c. Gemäß § 556g Abs. 1 S. 3 BGB ist die Beklagte zur Rückzahlung zu viel entrichteter Miete an die Kläger verpflichtet. Die Differenz zwischen der mietvertraglich vereinbarten Nettokaltmiete und der zulässigen Höchstmiete beträgt € 32,47. Mit der Klage verlangten die Kläger eine Rückzahlung für die Monate November 2015 bis einschließlich Mai 2016, also insgesamt sieben Monate. Hieraus ergibt sich die Klageforderung in Höhe von € 227,29 (€ 32,47 x 7).
2. Der Klageantrag der Kläger, mit dem sie lediglich „Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz“ verlangten, war dahingehend auszulegen, dass Zinsen ab Rechtshängigkeit verlangt werden sollten. Mangels Sachvortrags zum Zinsanspruch seitens der Kläger kam eine Auslegung als Forderung nach Verzugszinsen, die regelmäßig bereits ab einem früheren Zeitpunkt verlangt werden können, nicht in Betracht.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
III.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Es wird von keiner anderslautenden Entscheidung abgewichen, vor allem aber vermag das Gericht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu erkennen. Das Gericht wendet den Mietspiegel als Schätzgrundlage an und ermittelt die ortsübliche Vergleichsmiete innerhalb des einschlägigen Mietspiegelfeldes entsprechend dem eindeutigen Wortlaut der Orientierungshilfe.
IV.
Der Streitwert wird auf € 227,29 festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO).
06.07.2017