Gentrifizierung ist von einem Fachbegriff der Stadtsoziologie in den letzten Jahren zu einem politischen Schlagwort geworden. Bei der Erforschung des schwer greifbaren Phänomens hat bisher meist die Funktion des Aufwertungs- und Verdrängungsprozesses im Mittelpunkt gestanden.
Geografie-Studierende der Humboldt-Universität haben sich mit ihrer Professorin Ilse Helbrecht vorgenommen, die Folgen für die Verdrängten zu beleuchten. Ihre gesammelten Beiträge zeigen, dass Gentrifizierung selten eine direkte Verdrängung aus der Innenstadt an den Stadtrand auslöst, sondern meist wie die Bugwelle eines Schiffes wirkt: Die Menschen versuchen möglichst in ihrer Wohnung zu bleiben, indem sie ihre Lebenshaltung drastisch einschränken, suchen sich eine kleinere oder weniger komfortable Wohnung in unmittelbarer Nähe oder weichen zur Not in den Nachbarbezirk aus. Unfreiwillige Umzüge aus der Innenstadt in die Außenbezirke werden bezeichnenderweise am häufigsten vom Staat erzwungen, wenn das Jobcenter Hartz-IV-Empfänger zur Wohnkostenreduzierung auffordert. Die einzelnen Beiträge zeichnen die Umzugswege von Betroffenen nach und fragen nach den genauen Umzugsgründen. Manche entziehen sich ganz dem Wohnungsmarkt und leben dauerhaft in einem Wohnwagen. Auch wenn die wissenschaftliche Sprache teilweise wenig lesefreundlich ist, gibt das Buch interessante Einblicke in ein Thema, das Berlin wohl noch lange begleiten wird.
js
17.09.2021