Leitsatz:
Wenn der Mieter sich nach Zugang der Modernisierungsankündigung auf wirtschaftliche Härtegründe berufen hat, kann der Vermieter nicht Feststellungsklage mit dem Antrag erheben, die Zahlungsverpflichtung des Mieters nach durchgeführter Modernisierung festzustellen. Ein Feststellungsinteresse des Vermieters ist in einem solchen Falle nicht gegeben.
LG Berlin vom 3.5.2016 – 67 S 34/16 –
Mitgeteilt von RA Wolfgang Hak
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Hier hatte die Vermieterin die Feststellung begehrt, nach Ausführung der zu duldenden Modernisierungsmaßnahmen und entsprechender Erklärung zur Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete um 186 Euro berechtigt zu sein. Das Landgericht hielt einen solchen Feststellungsantrag für unzulässig.
Ein Feststellungsinteresse der Vermieterin sei nicht gegeben. Nach § 555 d Abs. 2 Satz 2 BGB komme es für die Frage der Duldung auf eine sogenannte finanzielle Härte des Mieters nicht mehr an. Sie sei nur bei der Mieterhöhung nach § 559 Abs. 4 und Abs. 5 BGB zu berücksichtigen. Während nach § 554 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. die finanziellen Folgen der Modernisierung schon im Duldungsverfahren relevant gewesen seien, sei dies nach neuem Recht nicht mehr der Fall. Ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis entstehe hinsichtlich der Mieterhöhung noch nicht (so auch: AG Schöneberg vom 30.10.2014 – 109 C 340/14 – MM 11/2015, Seite 30). Die tatsächlich mögliche Mieterhöhung sei von verschiedenen – unsicheren – Faktoren abhängig: Zunächst komme es darauf an, ob und in welchem Umfang die Maßnahmen durchgeführt würden. Dann sei zu prüfen, welche Kosten dafür tatsächlich angefallen seien. Für beide Punkte sei auf die letzte mündliche Verhandlung über die Mieterhöhung abzustellen. Gerade unter Berücksichtigung des zeitlichen Ausschlusses eines möglichen Mietervortrags nach § 555 d Abs. 4 Satz 2 BGB verblieben die Unsicherheiten in der Sphäre des Vermieters.
Die Zulassung der Feststellungsklage liefe dem eigentlichen Ziel der neuen Vorschriften – Entkoppelung der Duldungs- von der Mieterhöhungsfrage – zuwider.
Urteilstext
Gründe
I
Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt haben, hat die Kammer gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen insgesamt über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden:
Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung ist die Kammer nicht streng an die ansonsten geltenden Kriterien der Kostengrundentscheidung gebunden. Vielmehr ist eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten ausreichend (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 91 a, Rn. 24). Der Bundesgerichtshof hat hierzu ausgeführt (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2005 – XII ZR 177/03 -, Nr. II der Gründe): „Gemäß § 91a ZPO hat der Senat nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden. Diese Entscheidung hat zwar den bisherigen Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Sie erfolgt aber zugleich auch nach billigem Ermessen.
Der Senat kann sich deshalb auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage beschränken und darauf verzichten, alle für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsamen Rechtsfragen zu überprüfen (BGHZ 67, 343, 34.5; BVerfG NJW 1993, 1060, 1061; Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl. § 91a Rdn. 24)….“
Unter diesen Voraussetzungen erlegt die Kammer der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auf. Nach der summarischen Prüfung der Kammer spricht mehr dafür, dass die Klage ursprünglich keine hinreichende Erfolgsaussicht hatte, da die Klage unzulässig war.
Mit dem am 10. Juni 2014 verkündeten Urteil – 12 C 416/13 – hat das Amtsgericht Mitte die Beklagte verurteilt, verschiedene Modernisierungsmaßnahmen in der von ihr innegehaltenen Wohnung in der A.-straße xx, Vorderhaus; erstes Obergeschoss links, 10117 Berlin, zu dulden, die sich als Balkonanbau zusammenfassen lassen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Im hiesigen Verfahren hat die Klägerin die Feststellung begehrt, nach Ausführung der zu duldenden Maßnahmen und entsprechender Erklärung zur Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete um 186 € berechtigt zu sein. Das Amtsgericht hat der Klage für einen Betrag bis zu 148,04 € stattgegeben. Nach der Berufung des Beklagten schloss die Klägerin die Maßnahmen tatsächlich ab und erklärte unter dem 26. Januar 2016 die Mieterhöhung gemäß § 559 BGB. Die Parteien haben darauf übereinstimmend Erledigung erklärt.
Nach summarischer Prüfung war der Feststellungsantrag unzulässig. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin war nicht gegeben. Nach Art. 229 § 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB ist die hiesige Maßnahme nach neuem Recht zu beurteilen, denn die Modernisierungsankündigung ist unter dem 22. Mai 2013 erfolgt. Nach § 555d Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. kommt es für die Frage der Duldung auf eine so genannte finanzielle Härte des Mieters nicht mehr an. Sie ist nur bei der Mieterhöhung nach § 559 Abs. 4 und Abs. 5 BGB n.F. zu berücksichtigen. Während nach § 554 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. die finanziellen Folgen der Modernisierung schon im Duldungsverfahren relevant waren, ist dies nach neuem Recht nicht mehr der Fall. Ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis entsteht hinsichtlich der Mieterhöhung noch nicht (so auch: AG Schöneberg, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 109 C 340/14 – Rn. 16f, abrufbar über juris). Die tatsächlich mögliche Mieterhöhung ist von verschiedenen – unsicheren – Faktoren abhängig: Zunächst kommt es darauf an, ob und in welchem Umfang die Maßnahmen durchgeführt werden. Dann ist zu prüfen, welche Kosten dafür tatsächlich angefallen sind. Für beide Punkte ist auf die letzte mündliche Verhandlung über die Mieterhöhung abzustellen. Gerade unter Berücksichtigung des zeitlichen Ausschlusses möglichen Mietervortrags nach § 555d Abs. 4 Satz 2 BGB n.F. verbleiben die Unsicherheiten in der Sphäre des Vermieters (noch weitergehend für eine Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts auch insoweit: Klein-Bienkers/Heinemann/Ring/Scheff, Miete/WEG/Nachbarschaft, Teil 1 § 559 BGB, Rn. 21ff./25). Die von der Klägerin angeführten Überlegungen aus dem Gesetzgebungsverfahren (BR-Drs. 313/12, Seite 27, zweiter Absatz, und BT-Drs. 17/10485, Seite 21, rechte Spalte, erster Absatz), der Vermieter könne Feststellungsklage erheben, ändern insoweit nichts, denn sie stehen unter dem Vorbehalt des allgemeinen Prozessrechts (ebenfalls keine weitergehende Beurteilung: Kinne/Schach/Bieber,·Miet- und Mietprozessrecht, 7. Aufl., Teil I, § 559; Rn. 4, Seite 1018).
Im Übrigen kann den Ausführungen aus dem Gesetzgebungsverfahren hier keine erhebliche Bedeutung zukommen, da die dort angedeutete Zulässigkeit der Feststellungsklage im geänderten Gesetz keinen Niederschlag gefunden hat. Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann nicht durch Motive gebunden werden, die nur im Gesetzgebungsverfahren dargelegt waren, im Gesetzestext aber keinen Ausdruck gefunden haben (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. April 2012 – I ZB 77/11 -, ZUM-RD 2012, 587, Rn. 29, m.w.N.). So läge der Fall aber hier, wenn der – ohnehin nicht zweifelsfrei feststellbare – Wille des Gesetzgebers zur Zulässigkeit der Feststellungsklage als maßgeblich herangezogen würde (vgl. Kammer, Beschluss [Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO) vom 17. Dezember 2015 – 67 S 390/15 – Rn. 7, abrufbar über juris). Die Zulassung der Feststellungsklage liefe vielmehr sogar dem eigentlichen Ziel der neueren Vorschriften – Entkoppelung der Duldungs- von der Mieterhöhungsfrage – zuwider (wie hier ausdrücklich: Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, § 559, Rn. 135).
II
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 und Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Kammer – soweit ersichtlich – mit ihrer Entscheidung nicht von obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht. Im Übrigen war die Rechtsbeschwerde hier auch nicht unter dem Gesichtspunkt grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Kammer geht durchaus davon aus, dass nach den letzten Änderungen des Mietrechts Feststellungsklagen wie hier häufiger erhoben werden könnten. Die Kammer hat jedoch gerade nicht die hiermit in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen abschließend entschieden, sondern vielmehr lediglich eine am Sach- und Streitstand orientierte Billigkeitsentscheidung getroffen.
III
Der Streitwert war auf (148,04 € [vom Amtsgericht zugelassene Mieterhöhung] x 12 [Monate] x 80% [Feststellungsabschlag] =) 1.421,18 € gemäß § 41 Abs. 5 GKG analog festzusetzen.
01.01.2018