Das schweizerische Basel plant mit seinen deutschen und französischen Nachbarstädten ein gemeinsames, grenzüberschreitendes Wohnviertel. Das Vorhaben „3Land“ ist das Kernprojekt der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2020, die im vergangenen Herbst mit einer Zwischenpräsentation in die heiße Phase eingetreten ist.
Basel ist mit 175.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt der Schweiz. Sie liegt am Rheinknie beiderseits des Flusses. Stromabwärts liegt auf der rechten Seite das deutsche Weil am Rhein mit 30.000 Einwohnern und am linken Ufer das französische Huningue mit 7000 Einwohnern. Im grenzüberschreitenden Großraum Basel leben insgesamt rund 830.000 Menschen, Tendenz: zunehmend.
Statt weiter in die Landschaft zu wuchern, sollen mit der IBA innerstädtische Flächen in bester Lage nutzbar gemacht werden. Das Plangebiet von „3Land“ erstreckt sich über 430 Hektar beiderseits des Rheins. 82 Hektar davon sind Industrie- und Hafenfläche, die in den nächsten Jahren zu Wohn- und Gewerbegebieten umgebaut werden sollen. Nördlich der Basler Innenstadt sind beide Rheinufer von Anlagen der Chemie- und Pharmaindustrie geprägt, die einerseits den Menschen den Zugang zum Fluss abschneiden und andererseits die Nachbarstädte voneinander trennen.
„Auf Hafenareal, das aufgrund seiner Lage künftig nicht mehr benötigt wird und teilweise bereits heute brach liegt, soll im Lauf der nächsten zwei Jahrzehnte ein neuer Stadtteil entlang des Rheins mit Wohnraum, Arbeitsplätzen und Grünflächen entstehen“, erläutert Hans-Peter Wessels, Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. Mit der IBA will Basel den Strukturwandel nutzen, um im Dreiländereck einen „gemeinsamen, grenzüberschreitenden Lebensraum“ zu bauen, so Wessels.
„In Weil am Rhein ist unser großes Ziel, eine bessere Zugänglichkeit zum Fluss zu schaffen“, so Oberbürgermeister Wolfgang Dietz. „Die 3Land-Planung bietet die große Chance, die unterschiedlichen Nutzungen wie Gewerbe, Hafen, Wohnen und Freizeit grenzüberschreitend miteinander abzustimmen und gemeinsam zu planen.“
Um die unterschiedlichen Planungssysteme unter einen Hut zu bringen, haben die drei Städte im Jahr 2012 eine Planungsvereinbarung geschlossen. 2018 soll mit dem Bau begonnen werden, damit im Jahr 2020 schon etwas vorzeigbar ist. Ob das schon erste Wohnhäuser sind oder eine der drei geplanten Brücken, ist noch offen. Fertig wird „3Land“ erst weit nach Ende der IBA, voraussichtlich um 2035. Rund 20.000 Menschen sollen dann hier wohnen und arbeiten.
Ein Fuß- und Radweg am linken Ufer von Basel nach Huningue wurde bereits fertiggestellt. Schon seit 2007 gibt es mit der Dreiländerbrücke über den Rhein eine direkte Fußgänger- und Radfahrerverbindung zwischen Weil und Huningue – nur wenige Meter von der Schweizer Grenze entfernt.
Ein Statement für offene Grenzen
Im Alltag haben die Grenzen kaum noch eine Bedeutung. Viele Menschen pendeln täglich zwischen den Staaten. Die Stadt Weil am Rhein ist Endstation einer Basler Straßenbahnlinie, die Verlängerung einer anderen Linie ins französische Saint-Louis ist in Bau. Der Basler Flughafen wurde schon 1946 auf französischem Gebiet eröffnet.
In Zeiten, in denen in Europa wieder Grenzschließungen und nationale Abschottung gefordert werden, ist die grenzüberschreitende Planung von „3Land“ eine deutliche Stellungnahme für mehr Offenheit.
Jens Sethmann
IBA-Inflation
Bei Internationalen Bauausstellungen werden Architekten und Stadtplaner aus dem In- und Ausland eingeladen, um an einem Ort beispielhafte Lösungen für eine bestimmte Bauaufgabe zu präsentieren. Historische Vorläufer waren die Mathildenhöhe in Darmstadt (1901) und die Weißenhofsiedlung in Stuttgart (1927). Bei der Interbau 1957 wurde im Berliner Hansaviertel gezeigt, wie man sich den modernen Wiederaufbau einer kriegszerstörten Stadt vorstellte. Die IBA 1984/87 widmete sich der „kritischen Rekonstruktion“ und der „behutsamen Stadterneuerung“ in West-Berlin. Das Erfolgsmodell fand seither viele Nachahmer: IBA Emscherpark im Ruhrgebiet (1989-1999), IBA Fürst-Pückler-Land in der Niederlausitz (2000-2010), IBA Stadtumbau in Sachsen-Anhalt (2003-2010) und IBA Hamburg (2007-2013). Die IBA Basel (2010-2020) ist die erste außerhalb Deutschlands. Zeitgleich laufen auch die IBA Heidelberg (2012-2022), IBA Thüringen (2013-2023), IBA Parkstad in der niederländischen Provinz Limburg (2013-2020) und IBA Wien (2016-2022). Außerdem startet die Stadtregion Stuttgart in diesem Jahr eine IBA zum 100. Geburtstag der Weißenhofsiedlung 2027.
js
28.09.2022