Die Bewohner der Siedlung Westend durften kürzlich bei einem Mieterworkshop mit bunten Kärtchen über den Grundriss ihrer künftigen Wohnungen abstimmen. Dumm nur, dass es für den geplanten Neubau noch gar keine Baugenehmigung gibt. Die meisten Mieter würden ohnehin lieber in ihren jetzigen Häusern wohnen bleiben. Doch die sind nach Überzeugung ihres Vermieters, des Immobilienunternehmens Deutsche Wohnen, unsanierbar und sollen abgerissen werden.
Von einer „Pflichtveranstaltung“ spricht Steffen Unger von der Bürgerinitiative Siedlung Westend. Ein wirklicher Dialog sei offenbar nicht erwünscht gewesen. Für den geplanten Abriss und anschließenden Neubau muss der Bebauungsplan geändert werden. Die Initiative hat in jahrelanger Überzeugungsarbeit erreicht, dass die Bezirksverordneten eine Vereinbarung mit den Mietern zur Bedingung machen. Das heißt: Ohne Einigung mit den Mietern keine Änderung des B-Plans und somit auch kein Neubau. Eigentlich sollte bereits 2017 mit dem Bau begonnen werden. Ob dieser Termin gehalten werden kann, ist fraglich.
Unterdessen drückt die Deutsche Wohnen auf die Tube, um mit den derzeit rund 150 Mietern in Einzelgesprächen Vereinbarungen zu erzielen. Dabei geht es auch um die Einkommenssituation. 25 Prozent der 600 neuen Wohnungen sollen preisgebunden sein. Genaue Angaben zur Miethöhe will man bei der Deutsche Wohnen zumindest öffentlich nicht machen. Die Bestandsmieter bekämen auf jeden Fall Sonderkonditionen, so Unternehmenssprecher Marko Rosteck. „Sie müssen lediglich einen geringen Aufschlag auf die jetzige Miete zahlen – und das für eine Neubauwohnung im Erstbezug.“ Außerdem würden sie vorrangig mit Stellplätzen versorgt. Nach Angaben von Steffen Unger wurde den Mietern ein Umzug zur gleichen Bruttowarmmiete wie zuvor angeboten. „Wir fordern aber die gleiche Nettokaltmiete, außerdem wollen wir faire Regelungen über Entschädigungszahlungen für unser Inventar“, so Unger.
Die grundsätzliche Diskussion um den Abriss der ehemaligen Alliiertensiedlung hält man bei der Deutsche Wohnen für erledigt. Man habe nachgewiesen, dass eine Modernisierung der bestehenden Gebäude aufgrund der schlechten Bausubstanz nicht sinnvoll sei, so Sprecher Rosteck. Zudem schaffe man 400 zusätzliche Wohnungen. „Es gibt aber keinen Zuwachs an bezahlbaren Wohnungen“, kritisiert Steffen Unger. 75 Prozent der Wohnungen können frei vermietet werden zu Preisen, wie sie in dieser Gegend üblich sind. Dafür werden nicht nur 200 Wohnungen mit einer Durchschnittsmiete von 5,90 Euro pro Quadratmeter abgerissen, sondern auch jede Menge Grün vernichtet.
Kritik gibt es auch am Grundriss der neuen Wohnungen. Die Zimmer seien kleiner und der Schnitt zum Teil unpraktisch, gerade für Familien, sagt Unger. Auch die vorgesehenen offenen Küchen stoßen nicht bei allen Mietern auf Begeisterung. Die Deutsche Wohnen versprach, die Mieterwünsche in die Planungen einfließen zu lassen. Im Frühjahr soll es dann einen Mieterworkshop zur Verkehrssituation geben.
Birgit Leiß
Weitere Infos auf der Website der Anwohnerinitiative:
www.siedlung-westend.org
30.01.2017