Ob sie der „Boulevard der Einwanderer“ oder der „Hidden Champion unter Berlins Straßen“ ist, ob sie 2,2 Kilometer oder 2,3 Kilometer lang ist, ob die Berliner oder die Touristen sie mögen oder nicht – die Kantstraße bleibt die Kantstraße.
Nach dem Philosophen Immanuel Kant benannt, hat sie ihre Namensvettern in Rummelsburg, Mahlsdorf, Lichterfelde und Lichtenrade überlebt, die alle irgendwann umbenannt wurden, nur in Steglitz und Marzahn-Hellersdorf existieren noch zwei unbedeutendere Straßen gleichen Namens. Verwechslungen ausgeschlossen. Eine kulinarische Weltreise oder eine extensive Shoppingtour sind natürlich nur im Charlottenburger Original möglich. Theaterviertel, Schriftstellerdomizil, politischer Brennpunkt, Chinatown, Rotlichtmilieu, Mode- und Designmeile – nur in dieser Kantstraße gibt es alles, nur hier ändert sich alles immer wieder, nur hier konzentrieren sich Stadt- und Weltgeschichte und Kultur- und Familiengeschichte auf engstem Raum. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie zu einer der Hauptgeschäftsstraßen West-Berlins. Vom Niedergang in den 1980er- und 1990er-Jahren hat sie sich inzwischen erholt und ist heute wieder – neben dem Kurfürstendamm – eine Tag und Nacht pulsierende Flaniermeile. Die Charlottenburg-Kennerin Birgit Jochens wohnt zwar ein paar Straßen weiter, kennt aber die Kantstraße und ihre Bewohner so gut, dass sie gleich mehrere Bücher schreiben könnte. Und sollte. Denn: Die Straße lebt und wandelt sich weiter.
rb
23.03.2017