Die Immobilienkaufpreise steigen in Ballungsräumen und Boom-Städten weiter an. Auch die Mieten legen dort enorme Sprünge hin. Doch mittlerweile geht die Schere zwischen Kaufpreis- und Mietenanstieg auseinander. Experten sehen darin einen Hinweis auf einen überhitzten Immobilienmarkt. Bildet sich dort ein „Blase“?
Seit nunmehr fünf Jahren in Folge, so das diesjährige Frühjahrsgutachten des von der Immobilienwirtschaft organisierten Zentralen Immobilienausschusses (ZIA), bleibt die Mietenentwicklung trotz exorbitanten Anstiegs hinter den Kaufpreisen zurück.
Beispiel Berlin: Während die Mieten der Hauptstadt seit 2010 um 40 Prozent zugelegt haben, legten die Wohnimmobilienpreise einen Anstieg um 94 Prozent hin. Die ZIA-Analysten gehen in Berlin mittlerweile von einer Kaufpreisüberhöhung von bis zu 50 Prozent aus, in München können es auch 75 Prozent sein. Dennoch ist die Nachfrage nach Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäusern ungebrochen. Das weise darauf hin, so Harald Simons, Professor für Mikroökonomie in Leipzig und einer der Autoren des Gutachtens, dass Investoren immer noch mit einem genügend hohen Anstieg des Mietniveaus und insbesondere der Neuvertragsmieten rechnen.
Den Preisanstieg bestätigt auch der Immobilienmarktbericht des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin. Im Jahr 2016 lagen die Kaufpreise bei Eigentumswohnungen um 12 Prozent, bei Miethäusern sogar um 20 Prozent über denen des Vorjahres. Läuft der Markt heiß?
„Das Auseinanderdriften von Immobilienpreisen und Mieten, das wir seit einiger Zeit beobachten, ist durchaus das Anzeichen für eine Überhitzung des Marktes“, erklärt Stefan Kofner von der Hochschule Zittau/Görlitz. Auch der Berliner Mieterverein (BMV) betrachtet die Marktentwicklung mit Sorge. BMV-Geschäftsführer Reiner Wild verweist darauf, dass die Käufer ihre Investments nur refinanzieren können, wenn sie alle Register der Mieterhöhungsmöglichkeiten ziehen, insbesondere würden nun Modernisierungen benutzt, um die Marktmieten nach oben zu treiben.
Fragt sich im Umkehrschluss: Wäre ein Abkühlen des Marktes oder das Platzen der „Immobilienblase“ nicht mit positiven Auswirkungen auf die Mietpreise verbunden, schließlich würde sich der Rendite-Druck auf die Investoren reduzieren? Immobilienwirtschaftsexperte Kofner zerstreut solche Hoffnungen jedenfalls für Berlin: „Wo sie einen entspannten Wohnungsmarkt haben, können Vermieter nicht jeden Preis verlangen. In Berlin aber läuft die Nachfrage dem Angebot seit Jahren davon.“ Seit 2011 wächst die Stadt um jährlich über 40.000 Menschen. Von den rund 20.000 Wohnungen, die pro Jahr gebaut werden sollten, sind bisher nur ein Drittel entstanden. Die Lücke lässt sich auf kurze Sicht kaum schließen.
Von den erheblichen Preisanstiegen beim Verkauf von Wohngebäuden bleibt auch der Markt der unbebauten Grundstücke nicht ausgenommen. BMV-Chef Reiner Wild: „Bei den aktuellen Grundstücksmarktpreisen ist der Bau preiswerter Neubauwohnungen nicht mehr möglich.“
Die Investoren drängen in den Bestand
Und der Bau von teuren ist offenbar auch nicht mehr so rentabel: Immobilienmarktexperte Kofner hat seit Längerem die Aktivitäten börsennotierter Wohnungsunternehmen im Blick: „Die halten sich mit Neubauvorhaben zurück – das Kapital, das nach Berlin fließt, geht vor allem in den Bestand.“
Die Spekulation auf dem Markt der Kaufimmobilien könnte – angetrieben durch niedrige Kreditzinsen und fehlende Anreize in andere Kapitalanlagen – durchaus noch eine Zeitlang anhalten, so auch die Einschätzung des ZIA-Frühjahrsgutachtens. Aber ähnlich wie bei früheren Zyklen sei damit zu rechnen, dass die Kaufpreise irgendwann einbrechen – in Größenordnungen von einem Viertel bis zu einem Drittel. Für manchen Investor gehen dann die Blütenträume seiner Renditeerwartung nicht in Erfüllung. „Von einer Immobilienblase“, unterstreicht ZIA-Geschäftsführer Klaus-Peter Hesse, „sind wir allerdings heute noch weit entfernt.“
Rosemarie Mieder
Was kennzeichnet eine Immobilienblase?
Unter Ökonomen ist man bei der Frage, wann von einer Immobilienblase zu sprechen ist, gespalten. Karl-Werner Hansmann, emeritierter Wirtschaftsprofessor aus Hamburg, hat eine Liste von fünf Kriterien aufgestellt:
- Die Kaufpreise steigen deutlich schneller als die Mieten.
- Die Kaufpreise wachsen auch auf hohem Niveau immer stärker.
- Der Boom erreicht selbst Randgebiete und Umland.
- Durchschnittliche Tilgungsraten liegen bei unter vier Prozent.
- Der riskante Anteil der Fremdfinanzierung liegt bei über 70 Prozent.
rm
03.01.2018