Nach der Wohngeldreform von 2016 beziehen längst nicht so viele Menschen Wohngeld wie erwartet. Ohne eine regelmäßige Anpassung des Wohngeldes an die tatsächliche Einkommens- und Mietenentwicklung kann das Wohngeld ein Abrutschen in die Armut nicht verhindern.
Als zum 1. Januar 2016 erstmals nach sieben Jahren das Wohngeld erhöht und der Kreis der Berechtigten ausgeweitet worden war, rechnete die Bundesregierung damit, dass sich die Zahl der Wohngeldbezieher von 460.000 auf 870.000 Haushalte erhöhen würde. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts haben Ende 2016 aber nur 631.000 Haushalte Wohngeld bekommen.
Ähnlich ist die Situation in Berlin. Durch die Wohngeldreform ist die Zahl der Empfänger weniger als erwartet angestiegen: von 17.300 im Jahr 2015 auf 24.700 im Jahr 2016. Gerechnet hatte man mit einem Anstieg auf 35.000. Noch 2011 lag die Zahl bei 34.700. Rentner machen den Großteil der Wohngeldempfänger aus. In Berlin sind 13.400 der 24.700 Wohngeldhaushalte im Rentenalter.
Die Tücken der Mietstufeneinordnung
Im Durchschnitt bekamen die Berliner Wohngeldberechtigten im Jahr 2016 einen Zuschuss von 149 Euro im Monat. Bundesweit wurden im Schnitt 157 Euro ausgezahlt. Das liegt auch daran, dass Berlin weiterhin in der Mietenstufe IV eingeordnet ist. Das Statistische Bundesamt ordnet alle Städte nach der Höhe der Mieten in sechs Mietenstufen ein. Während Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main alle in der höchsten Stufe VI eingruppiert sind, befindet sich Berlin auf dem Niveau von Oldenburg, Krefeld oder Ulm. Selbst die Berliner Stadtrandgemeinden Falkensee und Kleinmachnow haben die höhere Mietenstufe V. Die Mietenstufe IV bewirkt, dass bei der Berechnung des Wohngeldes nicht so hohe Mieten berücksichtigt werden wie in Orten mit der Stufe V oder VI.
Die Einstufung ermittelt das Statistische Bundesamt alle zwei Jahre. Mietenstufe IV bedeutet, dass die Mieten zwischen 5 und 15 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegen. In Berlin liegen sie knapp 13 Prozent darüber. Berücksichtigt werden dabei aber nur die Mieten der Wohngeldempfänger. Dass die Berliner wegen ihrer vergleichsweise geringen Einkommen allgemein eine sehr hohe Wohnkostenbelastung tragen müssen, spielt dabei keine Rolle.
Wohngeld gibt es nur auf Antrag. Zuständig ist das Wohnungsamt des Bezirks. Wohngeld wird in der Regel für zwölf Monate bewilligt, aber immer erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung. Ob und wie viel Wohngeld man bekommt, hängt davon ab, wie viele Personen im Haushalt wohnen, wie viel sie verdienen und wie hoch die Bruttokaltmiete ist.
Bezieher von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung oder Bafög haben keinen Wohngeldanspruch, da die Wohnkosten in diesen Leistungen berücksichtigt sind. Das bedeutet auch: Geringverdienern wird das Wohngeld verweigert, wenn ihr Einkommen so niedrig ist, dass sie auf Hartz-IV-Leistungen Anspruch haben. Sie werden dann ans Sozialamt oder ans Jobcenter verwiesen. Dort müssen sie unter Umständen ihre gesamten finanziellen Verhältnisse offenlegen und vorhandene Ersparnisse aufbrauchen, bevor sie Unterstützungsleistungen bekommen.
Das Wohngeld kann also in vielen Fällen das Abrutschen ins Hartz-IV-System nicht verhindern – erst recht nicht, wenn die nächste Erhöhung wieder Jahre auf sich warten lässt und die Mieten den Einkommen weiter davongaloppieren. Die letzte Anhebung liegt schon wieder zweieinhalb Jahre zurück.
Jens Sethmann
Regelmäßige Erhöhung nicht in Sicht
Vor der letzten Wohngeldreform ist das Wohngeld sieben Jahre lang nicht erhöht worden. Die Zahl der Wohngeldempfänger hat sich in dieser Zeit halbiert. Viele sind in den Bezug von Grundsicherung abgerutscht. Die von Mieter- und Sozialverbänden immer wieder geforderte regelmäßige Anhebung des Wohngeldes wird es auch mit der jetzigen Bundesregierung voraussichtlich nicht geben. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ist zwar eine „Anpassung des Wohngeldes an die jeweiligen allgemeinen und individuellen Lebensbedingungen“ vereinbart, von einer regelmäßigen Anpassung ist jedoch nicht die Rede. Eine langjährige Forderung des Berliner Mietervereins findet sich im Koalitionsvertrag: die Einführung einer Klimakomponente beim Wohngeld. Die Bundesregierung möchte dafür mit den Bundesländern ein Modell entwickeln.
js
Wohngeldrechner und Antragsformulare der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen:
www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohngeld/diwo.shtml
21.08.2018