Es ist der Alptraum eines jeden Autofahrers: Nur mal kurz das Auto abgestellt – und plötzlich ist es weg, abgeschleppt. Den neuen Standort erfährt nur, wer sein Auto für eine horrende Summe „freikauft“. In Berlin droht dies jetzt auch Mietern von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die ihre Grundstücke teilweise von privaten Firmen überwachen lassen.
Das Ehepaar Klara und Johannes Neumann* hatte sein Auto nahe der Wohnung im Neuköllner Ortsteil Britz dort geparkt, wo es seit Jahren immer mal wieder stand angesichts der angespannten Berliner Parkplatzsituation: Längs einer Hecke gegenüber von Pkw-Stellplätzen auf einem Grundstück der Gewobe. „Kein Schild, keine Markierung wiesen zu diesem Zeitpunkt darauf hin, dass das Parken dort verboten ist“, so Klara Neumann. Trotzdem war das Auto eines Tages im April 2018 plötzlich weg – abgeschleppt von der Firma Parkräume KG. Das fanden Herr und Frau Neumann durch einen Anruf bei der Polizei heraus. Durch einen weiteren Anruf bei der Parkräume KG erfuhr das Ehepaar, dass sie den Standort ihres Autos erst mitgeteilt bekämen, wenn sie die Abschleppgebühren bezahlt hätten – 270 Euro. „Wir haben dann umgehend den Betrag überwiesen, da wir das Auto dringend benötigten“, sagt Johannes Neumann. Zwar hätten sie den Betrag als unverhältnismäßig hoch empfunden, aber auch keine andere Möglichkeit gesehen, als zu zahlen. Nach der Übermittlung des Überweisungsbelegs bekamen sie von der Firma den Standort mitgeteilt: Ein Gewerbegebiet in Blankenfelde-Mahlow – eine teure Taxifahrt entfernt vom ÖPNV-Netz.
Das Pikante an der Geschichte: Die Neumanns sind Mieter bei der Gewobe, einem Tochterunternehmen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo. Und in deren Auftrag hat die Parkräume KG gehandelt. Die Gewobe hatte wohl erst kurz zuvor das Unternehmen beauftragt, die eigenen Parkplätze zu überwachen, denn, so Klara Neumann: „Jahrelang wurde das Parken an der Hecke stillschweigend geduldet, aber plötzlich wurden mehrere Fahrzeuge hintereinander abgeschleppt.“ Vor Kurzem – vier Monate, nachdem ihr Auto abgeschleppt wurde – sei nun auch ein Schild angebracht worden, das das Parken an dieser Stelle verbietet.
Die Parkräume KG hat das Auftrags-Abschleppen zum Geschäftsmodell gemacht und finanziert sich über die Abschleppkosten. Was die Neumanns besonders ärgert, ist, dass die Gewobe nicht wirtschaftlich und damit nicht im Sinne ihrer Mieter handelt. Die Frage, ob Abschlepppraxis und -kosten der deutschlandweit tätigen Parkräume KG rechtens sind, beschäftigt seit Jahren die Gerichte und zahlreiche Foren und Blogs im Internet. Grundsätzlich gilt: Grundstückbesitzer dürfen Fahrzeuge, die widerrechtlich auf ihrem Grund abgestellt wurden, abschleppen lassen.
Das hat der Bundesgerichtshof 2009 entschieden. Auch das sogenannte „Zurückbehaltungsrecht“, also die Bekanntgabe des Auto-Standorts erst nach Zahlung, ist rechtens. Vom Vorwurf der schweren Erpressung wurde Parkräume KG-Gründer Joachim K. Gehrke freigesprochen – zunächst vom Landgericht München, später wurde der Freispruch vom BGH im Wesentlichen bestätigt.
Allerdings: Die Kosten, die die Parkräume KG – und auch andere private Abschleppdienste – fürs Abschleppen aufrufen, sind regelmäßig zu hoch. Denn mehr als die ortsüblichen Abschleppkosten darf ein Unternehmen nicht kassieren – das hat der Bundesgerichtshof in letzter Instanz entschieden (BGH vom 4. Juli 2014 – V ZR 229/13). Zur Orientierung: In Berlin kostet die „durchgeführte Umsetzung“ eines Pkw durch die Polizei 136 Euro, durch die BVG 97 Euro und durch das Ordnungsamt 199 Euro. Das sind deutlich weniger als die 270 Euro, die für Familie Neumann fällig wurden. Münchner Gerichte hielten Abschleppkosten von 100 bis 175 Euro für angemessen, das Amtsgericht Köpenick Kosten von 130 Euro.
Mieterverein verlangt Rückzahlung
Sind die Abschleppkosten erst einmal beglichen, ist es oft schwierig, sie nachträglich anzufechten. Familie Neumann hat sich Hilfe beim Berliner Mieterverein geholt und inzwischen von der Gewobe eine Rückzahlung gefordert. Dieser Forderung ist das Unternehmen bislang nicht nachgekommen. Nun wird geprüft, ob eine Klage sinnvoll ist.
Katharina Buri
* Die Namen sind von der Redaktion geändert worden
Die Stiftung Warentest hat Tipps zusammengestellt, wie Betroffene sich gegen zu hohe Abschleppgebühren wehren können:
www.test.de: Abschleppen auf Privatparkplätzen – Der Halter muss zahlen
Übrigens: Auch Elektroautos sind von Parkverboten nicht ausgeschlossen, selbst wenn sie auf eine frei werdende Lademöglichkeit warten.
25.11.2018