Schwesternwohnheime? Gab es früher einmal. Heute finden Auszubildende, die zu Hause raus wollen oder neu nach Berlin kommen, kaum ein bezahlbares Zimmer. Ausbildungsbetriebe wie Siemens verweisen auf externe und für Lehrlinge oft zu teure Anbieter. Der Fachkräftemangel könnte sie zum Umdenken zwingen.
Wer heute seine Ausbildung beginnt – etwa bei Siemens, der Polizei oder auch im Gesundheitswesen – ist im Durchschnitt 21 Jahre alt. Viele haben nämlich schon ein Fachabitur, Berufspraktika oder Orientierungslehrgänge hinter sich. Wenn der angehende Mechatroniker, die künftige Polizistin, Krankenschwester oder der Fleischerlehrling aber glauben, sie kämen mit dem Ausbildungsstart auch raus aus dem Kinderzimmer, haben sie sich in aller Regel geirrt.
Ein Wohnheim für Auszubildende, so die Antwort auf eine Anfrage beispielsweise bei Siemens, gäbe es in ihrem Unternehmen in Berlin leider nicht. Auch die Klinikunternehmen Vivantes und Charité antworten ähnlich: Wohnheime für angehende Krankenschwestern und -pfleger? Die gab es früher einmal – genau wie Lehrlingswohnheime.
„Wir pflegen Kontakte zu externen Wohnraumanbietern“, erklärt die Pressestelle von Siemens. Azubis von außerhalb könnten so geeignete Anlaufstellen vermittelt werden – Wohnunterkünfte wie sie das Unternehmen „berlinovo“ etwa in Spandau, Neukölln oder Lichtenberg anbietet. Das sind möbliere Zimmer mit Gemeinschaftsküchen, die zwischen 390 und 440 Euro Miete kosten.
„Für viele Lehrlinge ist das einfach zu teuer“, erklärt Nina Lepsius vom Deutschen Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg. Die Pressesprecherin blättert in der Tabelle der Ausbildungsvergütungen: Im Durchschnitt sind es 600 Euro, die Lehrlinge während ihrer Ausbildung monatlich erhalten. Und so fordert der DGB auch stärkere Anstrengungen, um für Auszubildende bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
„Derzeit liegt der Fokus auf den Studierenden“, erklärt der Berliner DGB-Vorsitzende Christian Hoßbach. Und die Industrie- und Handelskammer warnt: Wenn die Ausbilder in der Wohnungsfrage untätig bleiben, kann sich das zu einem Standortnachteil für Berlin auswachsen.
Wer den Fachkräftemangel spürt, wird früher oder später umdenken. So planen inzwischen sowohl Charité und Vivantes als auch die Berliner Polizei den Bau eines eigenen Wohnheimes für ihren Nachwuchs.
Rosemarie Mieder
25.01.2019