Berlin könnte eine eigene Mietpreisbegrenzung einführen und damit die mietenpolitische Blockade der Bundesregierung auflösen. Das legt ein Aufsatz in einer juristischen Fachzeitschrift nahe. Der Senat will die Möglichkeit eines solchen „Mietendeckels“ prüfen.
Weil das Mietrecht Bundesrecht ist, fühlen sich manche Bundesländer und Städte im Kampf gegen steigende Mieten weitgehend machtlos. Peter Weber, Jurist beim Bezirksamt Pankow, sieht das anders. „Mittel und Wege landesrechtlichen Mietpreisrechts in angespannten Wohnungsmärkten“ ist sein Artikel überschrieben, der im November 2018 in der „JuristenZeitung“ erschienen ist.
Der Grundgedanke ist verblüffend einfach: Mit der Grundgesetzänderung von 2006 ist die Zuständigkeit für das Wohnungswesen vom Bund an die Länder übergegangen. Die Länder dürften durchaus unabhängig vom bundesweiten Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches die Mieten begrenzen. In Berlin wäre dies über ein vom Abgeordnetenhaus zu beschließendes Gesetz oder über eine Verordnung des Senats möglich. Die Mieten könnten pauschal oder für bestimmte Wohnungsmarktsegmente begrenzt werden. Einen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes sieht Weber nicht, denn der Schutz des Eigentums umfasst keine Renditegarantie.
Eine solche Mietpreisbindung gab es für Altbauwohnungen bereits während der sogenannten Wohnungszwangsbewirtschaftung der alten Bundesrepublik. Als rechtliche Grundlage genügte die Befürchtung, „dass bei einer Freigabe der Mieten aller Wohnräume diese im Preise derart steigen, dass die wirtschaftlich schwächeren Teile der Bevölkerung nicht mehr in der Lage sind, angemessene Wohnräume zu tragbaren Bedingungen zu behalten und zu erlangen“, so das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 1956. Mit der Einführung „Weißer Kreise“ wurden die Preisbindungen ab 1960 nach und nach aufgehoben, zuletzt 1988 in West-Berlin.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl hat zusammen mit Kilian Wegner und Julian Zado aus dem SPD-Kreisverband Mitte im Januar den bis dahin unbeachteten Fachartikel in die Debatte geworfen und von der Senatskoalition gefordert, noch in dieser Legislaturperiode einen solchen Mietendeckel zu beschließen. Sie schlägt vor, die Mieten in bestehenden und neuen Mietverträgen ab einem festgelegten Stichtag für zunächst fünf Jahre einzufrieren. Die Laufzeit soll so lange verlängert werden, bis der Mietmarkt entspannt ist. Neubauten sollen ausgenommen werden.
Unterschiedliche Einschätzungen
In den drei Berliner Regierungsfraktionen stieß die Idee auf offene Ohren. „Wir werden den Vorschlag des Mietendeckels schnell prüfen und wenn möglich konsequent nutzen“, erklärt der Regierende Bürgermeister Michael Müller. „Wir wollen jedes Instrument, das den Mieterinnen und Mietern hilft.“ Der Frankfurter Allgemeinen sagte er: „Das hat auch nichts mit Planwirtschaft zu tun, sondern hat sich in den 80er Jahren in West-Berlin schon einmal bewährt.“
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat auf Antrag des Berliner CDU-Abgeordneten Kai Wegner den Mietendeckel geprüft und kommt zum Ergebnis, dass die Länder hier nicht tätig werden könnten.
Auch die Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher hat sich nach der Prüfung in ihrem Haus skeptisch gezeigt. Die Bewertung der Senatsverwaltung für Justiz stand bei Redaktionsschluss noch aus.
Der Berliner Mieterverein hält hingegen öffentlich-rechtliche Mietpreisregelungen auf Landesebene nach Rücksprache mit Rechtsexperten für möglich.
Jens Sethmann
Hamburg will nicht deckeln
Auch in Hamburg wird über die Idee des Mietendeckels diskutiert. Der rot-grüne Hamburger Senat lehnt Forderungen der Linksfraktion nach einer Höchstgrenze für Mieten aber rundweg ab. Martina Koeppen, SPD-Sprecherin für Stadtentwicklung: „Eine Deckelung der Mieten würde einen Bau- und Instandhaltungs-Stopp nach sich ziehen.“ Olaf Duge, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Grünen, spricht von einem „unausgegorenen Schnellschuss“, dessen Auswirkungen „fatal“ sein könnten. „Als Reflex auf einen Mietendeckel kann es passieren, dass ein erheblicher Anteil von Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt wird.“ Der Mietendeckel würde somit zu einem „populistischen Eigentor“.
js
ACHTUNG:
Das Bundesverfassungsgericht hat am 15.4.2021 den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig erklärt – mit rechtlichen Folgen für Mieterinnen und Mieter.Was Mieterinnen und Mieter jetzt wissen müssen
24 Fragen und Antworten zur mietrechtlichen Rückabwicklung des Mietendeckels
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Die hier folgenden Hinweise zur Nutzung des Mietendeckels sind damit überwiegend hinfällig.
08.03.2020