Leitsatz:
Der Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters gehört nicht zu den sonstigen, von ihm selbst erwirtschafteten Einkünften. Allein der Umstand, dass der Mieter ein Mietkautionsguthaben zur Rückzahlung eines Darlehens benötigt, das ihm zur Finanzierung der Mietsicherheit für ein neues Mietverhältnis gewährt worden ist, begründet keine sittenwidrige Härte des Insolvenzbeschlags.
BGH vom 21.2.2019 – IX ZB 7/17 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 12 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Über das Vermögen der Mieterin war das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Sie hatte aus einem davor (!) beendeten Mietverhältnis noch ein Kautionsguthaben in Höhe von 983,55 Euro. In der Zwischenzeit hatte sie eine neue Wohnung angemietet und hierfür mit Hilfe eines Darlehens ihrer Tochter eine Mietkaution in Höhe von 500 Euro geleistet.
Ende Januar 2014 ließ sich der Treuhänder (Insolvenzverwalter) den auf dem Konto der Mieterin noch vorhandenen Kautionsbetrag auf sein für das Insolvenzverfahren eingerichtetes Anderkonto überweisen.
Mit Schreiben vom 14.2.2014 beantragte die Mieterin die Freigabe dieses Guthabens beim Insolvenzgericht. Sie begründete den Antrag damit, von der Kautionsrückzahlung das Darlehen ihrer Tochter zurückzahlen zu wollen. Zudem verfüge sie über fast keine Möbel. Ihre alten Möbel habe sie bei der Zwangsräumung in der alten Wohnung zurücklassen müssen. Für die Anschaffung neuer Möbel fehlten ihr die finanziellen Möglichkeiten. Das Insolvenzgericht wies den Antrag durch Beschluss vom 27.3.2014 zurück.
Auf die sofortige Beschwerde der Mieterin hat das Beschwerdegericht den Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückverwiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Treuhänder die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses. Der BGH folgte dem Ansinnen des Treuhänders.
In die Insolvenzmasse falle gemäß § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehöre und das er während des Verfahrens erlange. Dem Insolvenzbeschlag unterliege regelmäßig auch der Anspruch auf Rückzahlung einer Mietkaution.
Zu Unrecht meine das Beschwerdegericht, bei einem Mietkautionsguthaben könne es sich um unpfändbare sonstige Einkünfte gemäß § 850 i Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO handeln. Diese Vorschrift setze jedoch voraus, dass es sich bei den sonstigen Einkünften um selbst erwirtschaftete Einkünfte handele. Ziel des Gesetzgebers sei es, dass die Mittel, die der Schuldner zu seinem Lebensunterhalt brauche, vorrangig von ihm selbst erwirtschaftet werden sollen.
Deshalb sei § 850 i Abs. 1 ZPO auf die Kautionsrückzahlung nicht anwendbar. Es handele sich um keine von der Mieterin erwirtschaftete Leistung des Vermieters, sondern um die Rückgewähr einer zuvor erbrachten Mietsicherheit.
Auch der Vollstreckungsschutzantrag der Mieterin nach § 765 a ZPO sei unbegründet. Anzuwenden sei § 765 a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führte. Das Anliegen der Mieterin, das Mietkautionsguthaben zur Rückzahlung eines Darlehens zu verwenden, das ihr von ihrer Tochter zur Finanzierung der Mietsicherheit für das neue Mietverhältnis gewährt worden war, begründe keine sittenwidrige Härte des Insolvenzbeschlags. Die Mieterin befinde sich insoweit vielmehr in der gleichen Lage wie alle Insolvenzschuldner, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Verpflichtungsgeschäft abschlössen. Das Verpflichtungsgeschäft sei zwar wirksam. Die Gläubiger der vom Schuldner neu eingegangenen Verbindlichkeiten könnten sich aber grundsätzlich nur an dessen insolvenzfreies Vermögen, nicht dagegen an die Insolvenzmasse oder den Verwalter halten. Soweit der BGH.
Der BGH hat das Verfahren allerdings nicht abschließend entschieden, sondern nochmals an das Insolvenzgericht zurückverwiesen, unter anderem deshalb, weil das Insolvenzgericht noch klären muss, ob das Mietkautionsguthaben möglicherweise doch unpfändbar ist, nämlich weil es anspruchsmindernd auf Leistungen anzurechnen ist, welche die Mieterin zur Deckung ihres Bedarfs nach dem SGB II erhält. Denn das Einkommen eines Schuldners, der Leistungen nach dem SGB II bezieht, ist unpfändbar und fällt gemäß § 36 Abs. 1 InsO nicht in die Insolvenzmasse, soweit es die Leistungen mindert, die der Schuldner zur Deckung seines Bedarfs nach dem SGB II erhält.
Beachte: Anders ist es bei Mietverhältnissen, die noch nicht vor Eröffnung der Insolvenz beendet waren. Hier gibt der Insolvenzverwalter für das Wohnraummietverhältnis zumeist eine Enthaftungserklärung gemäß § 109 InsO ab. Deshalb wird der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung einer Mietkaution in diesen Fällen vom Insolvenzbeschlag frei (BGH vom 16.3.2017 – IX ZB 45/15 –). Das bedeutet: Ergibt sich aus der Kautionsabrechnung nach Ende des Mietverhältnisses ein Guthaben für den Mieter, ist dieses allein an diesen auszuzahlen. Der Insolvenzverwalter kann ein etwaiges Kautionsguthaben nicht für die Insolvenzmasse beanspruchen, wenn er eine Enthaftungserklärung abgegeben hat.
26.08.2019