Leitsatz:
Lässt sich das Schloss der Wohnungseingangstür an einem Sonntag nicht mehr öffnen und kann die Wohnung deshalb nicht mehr betreten werden, ist der Mieter berechtigt, die Notöffnung der Tür selbst zu veranlassen und die Kosten vom Vermieter nach § 536 a Abs. 2 Nr. 2 BGB ersetzt zu verlangen.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 12.12.2018 – 17 C 150/17 –
Mitgeteilt von RAin Evelyn Meyer
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Vorliegend ließ sich das Türschloss zur Wohnung am 11.9.2016, einem Sonntag, nicht mehr öffnen. Nach Aussage des Schlüsseldienstmitarbeiters war ein Bedienungsfehler der Mieterin auszuschließen. Er vermutete, dass eine Feder im Schloss defekt war, was aus seiner Sicht ohne Weiteres auf das Alter des Schlosses („mindestens 40 Jahre“) zurückzuführen sei.
Das Gericht verwies auf die Rechtsprechung, wonach der Nachweis, dass die Ursache des Mangels dem Obhutsbereich des Mieters entstamme und andere, in den Verantwortungsbereich des Vermieters fallende Ursachen ausgeschlossen seien, dem Vermieter obliege. Neben einem Material- oder Herstellungsmangel müsse der Vermieter auch einen ebenfalls zu seiner Risikosphäre gehörenden normalen Verschleiß als Schadensursache durch Beweis ausschließen.
Einen solchen hatte der Vermieter jedoch nicht angetreten.
Nach Ansicht des Gerichts sei die Mieterin daher berechtigt gewesen, die Notöffnung der Wohnungstür am Sonntag selbst zu veranlassen (der Austausch des Schlosses wurde in der Folge durch den Vermieter veranlasst). Sofern sich eine verschlossene Wohnungstür nicht mehr mit dem zum Schloss gehörigen Schlüssel – ohne unzumutbare Anstrengungen – öffnen lasse, eigne sich die Wohnung ersichtlich nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch.
Bei der Eigenvornahme müsse es sich um eine Notmaßnahme der Mieterin handeln, die zur Wiederherstellung der Mietsache erforderlich sei und keinen Aufschub dulde. Das sei für die Reparatur einer ausgefallenen Heizung im Winter von der Rechtsprechung anerkannt. Etwas anderes könne auch nicht für die Notöffnung der Wohnungstür gelten (anderer Ansicht: AG Köln vom 4.12.2018 – 205 C 305/18 –). Ein irgendwie gearteter Aufschub sei der Mieterin nicht zumutbar.
Die Aufwendungen der Mieterin in Höhe von 110 Euro seien auch erforderlich gewesen. Erforderlich seien nämlich diejenigen Kosten, die nach vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtung nötig und zweckmäßig sind. So liege es hier. Ohne den Schlüsselnotdienst wäre die Türe nicht zu öffnen gewesen, so dass die Beauftragung dieses Dienstes auch nötig war.
Urteilstext
Entscheidungsgründe:
Durch den form- und fristgerechten Einspruch der Klägerin gegen das klageabweisende Versäumnisurteil vom 06.12.2017 ist der Prozess in die Lage versetzt worden, in der er sich vor der Säumnis befunden hat. § 342 ZPO.
Die zulässige Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen war mangels Erfolgsaussichten das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten, § 343 ZPO.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz verauslagter 110,00 EUR gegen den Beklagten gemäß § 536 a Abs. 2 Nr. 2 BGB zu.
Vorliegend wies die Mietsache – die von der Klägerin bewohnte, im Rubrum näher bezeichnete Wohnung – am 11.09.2016 einen Mangel im Sinne des § 536 BGB auf. Nach den Angaben der Klägerin, die der Zeuge K., an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln keinerlei Anlass besteht, in seiner Vernehmung vor dem erkennenden Gericht vollumfänglich bestätigte, ließ sich das Türschloss zur Wohnung an besagtem 11.09.2016, einem Sonntag, nicht mehr öffnen. Auch dem Zeugen K., Fachmann für Türnotöffnungen, den die Klägerin in der Folge verständigte, ist es nach seinen glaubhaften Angaben nur mit Mühe und einigem Aufwand „gerade so“ gelungen, die Tür zu öffnen. Sofern sich eine verschlossene Wohnungstür aber nicht mehr mit dem zum Schloss gehörigen Schlüssel – ohne unzumutbare Anstrengungen – öffnen lässt, eignet sich die Mietsache Wohnung ersichtlich nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch.
Dass dieser Mangel von der Klägerin selbst verursacht wurde, mit der Folge, dass eine Verantwortlichkeit des Beklagten als Vermieter nicht gegeben wäre (vgl. nur BGH, NZM 2012, 637 Rn.16), ist seitens des Beklagten nicht nachgewiesen worden.
Der Nachweis, dass die Ursache des Mangels dem Obhutsbereich des Mieters entstammt und andere, in den Verantwortungsbereich des Vermieters fallende Ursachen ausgeschlossen sind, obliegt dem Vermieter (BGH, NJW 1994, 2019). Neben einem Material- oder Herstellungsmangel muss der Vermieter auch einen ebenfalls zu seiner Risikosphäre gehörenden normalen Verschleiß als Schadensursache beweislich ausschließen (KG, Urt. v. 20.09.2004 – 8 U 65/04).
Der Zeuge K. hat angegeben, dass aus seiner Sicht ein Bedienungsfehler der Klägerin auszuschließen ist. Er vermutet, dass eine Feder im Schloss defekt ist, was aus seiner Sicht ohne Weiteres auf das Alter des Schlosses („mindestens 40 Jahre“) zurückzuführen sei. Einen Sachverständigenbeweis zum Nachweis des Ausschlusses einer Materialermüdung/Verschleiß, hat der Beklagte jedoch nicht angetreten …
Die Klägerin war auch berechtigt, die Notöffnung der Wohnungstür am Sonntag selbst zu veranlassen (der Austausch des Schlosses wurde in der Folge durch den Beklagten veranlasst).
Hierfür muss es sich um eine Notmaßnahme des Mieters handeln, die zur Wiederherstellung der Mietsache erforderlich ist und keinen Aufschub duldet (vgl. BGH NJW 2008, 1216). Das ist für die Reparatur einer ausgefallenen Heizung im Winter von der Rechtsprechung anerkannt (vgl. Bamberger/Roth/Wiederhold, BGB, § 536 a Rn. 39 f.). Etwas anderes kann auch nicht für die Notöffnung der Wohnungstür gelten. Ein irgendwie gearteter Aufschub war·der Klägerin nicht zumutbar.
Die Aufwendungen der Klägerin in Höhe von 110,00 EUR waren auch erforderlich. Erforderlich sind nämlich diejenigen Kosten, die nach vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtung nötig und zweckmäßig sind (BGH, NJW 2010, 2050). So legt es hier. Ohne den Schlüsselnotdienst wäre die Türe nicht zu öffnen gewesen, so dass die Beauftragung dieses Dienstes auch nötig war.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.
Im Übrigen hat jedoch die Klage keinen Erfolg. Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Ersatz von 416,50 EUR für ein Gutachten über den Nachweis von Asbest in Bodenplatten, die sich zu diesem Zeitpunkt in der von dem Beklagten an die Klägerin vermieteten Wohnung befanden, besteht nicht.
Der Beklagte hat entgegen der Ansicht der Klägerin bereits keine sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Aufklärungspflicht verletzt.
Gem. § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem lnhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teil verpflichten. Mit dem Begriff der Rücksichtspflichten umschreibt das Gesetz die anerkannten Pflichten, die das lntegritätsinteresse der am Schuldverhältnis Beteiligten sichern sollen (vgl. amtliche Begründung in BT·Drucks 14/6040,125).
Voraussetzung einer das Integritätsinteresse des anderen Teils schützenden Aufklärungspflicht ist das Vorliegen eines sog. Informationsgefälles. Eine Partei muss über mehr Informationen verfügen als die andere (Staudinger/OIzen, BGB, § 241 Rn. 448).
Ein solches Informationsgefälle lag im vorliegenden Fall jedoch nicht vor. Dem Beklagten, der das Eigentum an der von der Klägerin seit deren Errichtung in den 60er Jahren bewohnten Wohnung unstreitig erst im Jahre 1983 erworben hat, war nicht bekannt, dass in der Wohnung asbesthaltige Fußbodenplatten verlegt waren. Anders als in dem klägerseits in Bezug genommenen Urteil des Landgerichts Berlin vom 17.01.2018 (18 S 140/16) ist der Beklagte eben nicht der Bauherr der Wohnung und musste dementsprechend – anders als die Beklagte im dortigen Verfahren nach Ansicht des Landgerichts – auch nicht wissen, ob asbesthaltige Materialien verbaut wurden. Insbesondere konnte er sich nicht, wie aber die Beklagte in dem vom Landgericht zu entscheidenden Fall, nach dem Bekanntwerden der Gefährlichkeit von Asbest in den 90er Jahren durch Einblick in Bauunterlagen Kenntnis davon verschaffen, ob in der in seinem Eigentum stehenden Wohnung asbesthaltige Materialien verbaut wurden.
Dass ein auf Auskunft über das Vorhandensein asbesthaltiger Baustoffe in Anspruch genommener Vermieter verpflichtet wäre, eine in seinem Eigentum stehende Wohnung mit Hilfe eines Sachverständigen daraufhin zu untersuchen, ob asbesthaltige Materialien verbaut wurden, ist nicht ersichtlich.
Sofern die Klägerin meint, dass allein das Vorhandensein asbesthaltiger Baustoffe einen Manget im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB darstellt – nach der insoweit vorhandenen Rechtsprechung ist im Vorhandensein von Asbest in festgebundener Form, wie bei Floorfexplatten, nicht von einem Mangel im Sinne des § 536 BGB auszugehen (LG Berlin, NZM 2011, 481; LG Berlin, Urt. v. 17.01.2018 – 18 S 140/16; LG Berlin 65 S 419/10; LG Berlin, Urt. v. 13.05.2015 – 18 S 140/14) – obliegt es allein ihr das Vorhandensein dieses Mangels darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
Ein Anspruch auf Zinsen entfällt mangels Hauptforderung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs.1, 344 ZPO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund gem. § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegt. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung dann, wenn im Bezirk des Berufungsgerichts eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dass diese Voraussetzung hier vorliegt, ist nicht ersichtlich.
23.09.2019