Die Zukunft der Menschheit steht auf dem Spiel. Seit eineinhalb Jahren gehen weltweit Schüler jede Woche unter dem Motto „Fridays for Future“ auf die Straße, um entschiedenere Maßnahmen zum Klimaschutz zu fordern. Unterstützt werden sie inzwischen von Studenten, Eltern, Wissenschaftlern und der Bewegung „Extinction Rebellion“, die tagelang wichtige Straßen blockiert hat. Ihnen allen ist das Klimapaket der Bundesregierung, mit dem die Klimaaufheizung aufgehalten werden soll, viel zu zaghaft. Da der Staat beim Klimaschutz versagt, müssen die Menschen selbst das Heft in die Hand nehmen. Was man als Mieter tun kann, zeigt dieses MieterMagazin-Spezial.
Folgende Fragen behandelt dieser Artikel:
Klimawandel ist nichts Ungewöhnliches. Auf der Erde gab es immer einen Wechsel von längeren Warm- und Kaltphasen. In den letzten 150 Jahren hat jedoch der Mensch stark dazu beigetragen, die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre zu erhöhen und so eine globale Erwärmung auszulösen. Das ist vor allem auf die massive Nutzung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas seit der Industrialisierung zurückzuführen. Hinzu kommt eine veränderte Landnutzung, wie die Rodung von Wäldern und die Trockenlegung von Mooren.
Laut aktuellem Bericht des UN-Klimarats IPCC ist die Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre seit vorindustrieller Zeit weltweit um 40 Prozent angestiegen. Die atmosphärischen Konzentrationen von CO2, Methan und Stickstoffoxiden sind mittlerweile so hoch wie nie zuvor in den letzten 800.000 Jahren.
Die Erderwärmung beschleunigt sich immer mehr. In jedem der letzten drei Jahrzehnte erwärmte sich die Erdoberfläche stärker als in jedem zurückliegenden Jahrzehnt seit 1850. Die Folgen sind bereits deutlich spürbar. Die Luft- und Wassertemperaturen steigen an, das Meereis und die Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt, Permafrostböden tauen auf und setzen Methan frei. Es kommt vermehrt zu Extremwetterereignissen wie Hitzeperioden, Dürren, Stürmen und Starkregen.
Die Klimaänderung lässt sich nicht zurückdrehen, aber aufhalten. Im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 haben sich alle Staaten darauf verständigt, die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad Celsius, möglichst auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen.
Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich Deutschland im 2016 verabschiedeten Klimaschutzplan dazu verpflichtet, bis 2050 ein treibhausgasneutrales Land zu werden. Als Zwischenschritt sollen die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Der Gebäudebereich ist nach Energiewirtschaft, Industrie und Verkehr der viertgrößte CO2-Verursacher. Obwohl bei den Gebäuden der CO2-Ausstoß bis 2014 schon um 43 Prozent zurückgegangen ist, wird diesem Bereich die größte Reduzierung abverlangt: Er soll bis 2030 um 66 bis 67 Prozent sinken. Die Bereiche Verkehr und Landwirtschaft, die bisher schon wenig zur CO2-Reduzierung beigetragen haben, müssen hingegen ihren Ausstoß nur um 40 bis 42 Prozent beziehungsweise um 31 bis 34 Prozent senken. Begründet wird die Ungleichbehandlung damit, dass Gebäude sehr langlebig sind und hier deshalb möglichst früh umgesteuert werden muss.
Was sich im Plan gut liest, sieht in der Praxis anders aus: Die Bundesregierung stellt die Weichen nicht. Deutschland wird schon die nicht besonders strengen EU-Klimaziele für 2020 sicher verfehlen, und das im Herbst von der Bundesregierung aufgelegte „Klimapaket“ wird von Experten einhellig als unzureichend kritisiert.
Berlin hat im Dezember eine „Klimanotlage“ ausgerufen. Das ist nicht nur Symbolpolitik, sondern „ein sehr konkreter Handlungsauftrag“, so Umweltsenatorin Regine Günther. So wird künftig jeder Senatsbeschluss einem Klima-Check unterzogen. „Berlin wird seine Anstrengungen zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Klimafolgen weiter beschleunigen“, erklärt die Senatorin. Mit einem verbesserten Berliner Energiewendegesetz und einem überarbeiteten Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm will der Senat die Emissionen noch schneller senken.
Bisher hatte sich Berlin zum Ziel gesetzt, bis 2050 insgesamt klimaneutral zu sein. Die Senats- und Bezirksverwaltungen sollen als Vorreiter schon 2030 so weit sein. Bis dahin steigt Berlin auch aus der Energieerzeugung mit Steinkohle aus. Noch werden die Heizkraftwerke Moabit, Reuter und Reuter West mit Steinkohle befeuert. Das Kraftwerk Klingenberg wurde 2017 von Braunkohle auf Erdgas umgestellt.
Der Zwischenschritt auf dem Weg zur Klimaneutralität – die Berliner CO2-Emissionen sollen bis Ende 2020 im Vergleich zu 1990 um mindestens 40 Prozent sinken – wird voraussichtlich erreicht. Bis Ende 2017 sind die Emissionen schon um 34,6 Prozent zurückgegangen. Ein großer Teil davon ist Berlin aber quasi in den Schoß gefallen, weil nach 1990 viele energiefressende Industriebetriebe aus wirtschaftlichen Gründen schließen mussten.
Damit der Gebäudebestand klimaneutral wird, sind erhebliche Anstrengungen erforderlich. Für die Beheizung und Warmwassererzeugung müssen die fossilen Brennstoffe wie Öl, Erdgas oder Kohle durch umweltfreundliche Energieträger ersetzt werden, etwa durch Biogas oder nachhaltig erzeugte Fernwärme. Zudem sind effiziente Heizsysteme notwendig, die die Energie möglichst verlustfrei in Wärme umwandeln. Eine gute Dämmung muss dafür sorgen, dass keine Wärme verloren geht. Durch Solaranlagen auf dem Dach kann das Gebäude selbst Energie erzeugen, statt sie nur zu verbrauchen.
Das alles sind Modernisierungsmaßnahmen, deren Kosten der Vermieter abzüglich eventueller Fördergelder zu acht Prozent auf die Jahresmiete umlegen kann. In aller Regel sind die dadurch verursachten Mietsteigerungen deutlich höher als die Einsparungen bei den Heizkosten. Letztlich zahlen also die Mieter die Energiewende. Obwohl dieses Problem schon lange bekannt ist, bleibt die Bundesregierung immer noch eine Lösung für diese ungleiche Belastung von Mietern und Vermietern schuldig. Verständlich, dass sich bei Mietern die Begeisterung für energetische Sanierungsmaßnahmen in Grenzen hält – auch wenn jeder weiß, dass Klimaschutz unumgänglich ist.
Jens Sethmann
Energiewendegesetz und Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm:
www.berlin.de/senuvk/klimaschutz/
Stromsparen heißt Kohlendioxyd sparen
Auch wenn die Technologien immer effizienter werden und die technischen Geräte im Haushalt mit immer weniger Strom auskommen – der Energieverbrauch weltweit steigt und steigt. Moderne Kraftwerkstechnik, „Stromautobahnen“, Ökostrom, moderne Stromspeichertechnik, stromsparende Technologien und andere innovative Lösungen können die Umwelt nur positiv beeinflussen, wenn zugleich der Stromverbrauch in den Haushalten sinkt. Noch verbraucht eine Person durchschnittlich 1400 Kilowattstunden Strom im Jahr.
Mit dem Wechsel des Stromanbieters kann jeder Verbraucher einen ersten Beitrag zum Klimaschutz leisten. „Grüner Strom“, das Ökostromlabel der Umweltverbände, garantiert, dass der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien kommt. Eine Umetikettierung von Atom- und Kohlestrom ist ausgeschlossen, ein fester Betrag pro Kilowattstunde fließt in den Ausbau erneuerbarer Energien und in innovative Energiewende-Projekte. Aber für die Klimawende reicht das nicht aus.
Beim Kauf einer Waschmaschine, eines Kühlschranks oder einer Geschirrspülmaschine sollte unbedingt auf das Energielabel geachtet werden. Eine Skala mit maximal zehn Klassen zeigt die Energieeffizienz an – vom ungünstigen G über A bis zum Spitzenwert A+++. Aber der Strombedarf der Geräte ist nur ein Faktor. Weit mehr bestimmen die Nutzer den Stromverbrauch. Kühl- und Gefriergeräte laufen Tag und Nacht. Gefrierschränke und -truhen brauchen besonders viel Strom. Vielleicht reicht ein Gefrierfach im Kühlschrank aus? Allgemein gilt: Vor dem Kauf sorgfältig prüfen, welches Gerät wirklich benötigt wird. Bereits das Aufstellen des Kühlschranks an einem kühlen Ort spart Energie. Im Alltag ist darauf zu achten, dass die Tür nicht länger oder öfter als unbedingt notwendig geöffnet wird. Warme Speisen sollten erst in den Kühlschrank gestellt werden, wenn sie abgekühlt sind, Lebensmittel möglichst in Dosen verpackt werden. Eine Eisschicht im Tiefkühlfach erhöht den Stromverbrauch. Defekte Türdichtungen sollten sofort erneuert werden. Temperaturen von 7 Grad Celsius für den Kühlschrank und minus 18 Grad Celsius für den Gefrierschrank sind ausreichend.
Die Waschmaschine sollte immer gut gefüllt sein, denn sonst muss häufiger gewaschen werden, und das führt zu einem höheren Energieverbrauch. Oft reicht es aus, normal verschmutzte Kleidung bei 30 oder 40 Grad zu waschen. Auf eine Vorwäsche kann meist verzichtet werden. Wäschetrockner haben einen besonders hohen Stromverbrauch. Wo die Möglichkeit besteht, sollte die Wäsche in einem geeigneten Raum oder an der frischen Luft getrocknet werden. Auch Klimageräte sind oft nicht notwendig – trotz im Sommer hoher Außentemperaturen.
Computer, Fernseher, Spielekonsolen und das Handy verbrauchen ebenfalls viel Strom. Im Jahr 2030 könnte der Anteil der Digitalisierung am weltweiten Stromverbrauch bereits 20 bis 50 Prozent betragen. Wäre das Internet ein Land, wäre es nach den USA und China der weltweit größte Stromverbraucher. Bereits heute verursacht die Stromerzeugung für das Internet so viel CO2 wie der weltweite Flugverkehr. Suchmaschinen wie Ecosia und Gexsi bieten eine „grüne Maske“, die den Stromverbrauch optimiert. Ecosia lässt mit einem Teil der Einnahmen Bäume pflanzen – bisher bereits mehr als 67 Millionen, Gexsi fördert soziale Projekte. Notebooks sind heute oft genauso leistungsfähig wie große Rechner, jedoch wesentlich energieeffizienter. Der Energiesparmodus am Computer sollte sich bereits nach kurzer Zeit einschalten. Auch Werbeblocker tragen zur Senkung des Stromverbrauchs bei.
Kochen und Geschirrspülen verbrauchen 18 Prozent der im Haushalt genutzten Energie. Normal verschmutztes Geschirr wird auch im Energiesparmodus des Geschirrspülers sauber. Mikrowellengeräte haben einen hohen Stromverbrauch und sollten deshalb möglichst wenig genutzt werden. Gefrorene Lebensmittel können auch bei Raumtemperatur aufgetaut werden. Beim Elektroherd ist darauf zu achten, dass nur Töpfe in der richtigen Größe auf der Herdplatte stehen. Mit der Schnellkochplatte und mit Schnellkochtöpfen kann die Kochzeit verringert werden. Um Wasser für Tee und andere warme Getränke zu erhitzen, ist ein Wasserkocher immer energiesparender als die Herdplatte. Und: Nur so viel Wasser erhitzen, wie tatsächlich gebraucht wird.
Energiesparen kann sich auch finanziell lohnen: Gas zum Beispiel ist im Haushalt nicht nur umweltfreundlicher als Strom, sondern auch wesentlich preisgünstiger: Bei einem Gasherd mit einer Maximalleistung von 1,5 Kilowatt kostet eine halbe Stunde rund 4,5 Cent, ein Elektroherd mit Massekochfeld, Glaskeramikplatte oder Induktion mit der gleichen Leistung verbraucht in einer halben Stunde Strom für rund 20,8 Cent.
Rainer Bratfisch
Private Haushalte sind viertgrößter Stromverbraucher
Auch wenn konventionelle Glühbirnen weitgehend ersetzt wurden: Die privaten Haushalte sind in Berlin noch immer für ein Viertel des gesamten Stromverbrauchs verantwortlich. Die größten Stromfresser im Haushalt sind die Haushaltsgroßgeräte und die Unterhaltungselektronik. Waschmaschine, Trockner und Kühl- und Gefriergeräte verbrauchen 30 Prozent des Stroms, auf dem zweiten Platz folgen die Informationstechnik, Fernseh- und Audiogeräte mit 27 Prozent. Die Beleuchtung verbraucht dank Energiesparlampen oder LED-Lampen nur noch 9 Prozent der Energie. Intelligente Stromzähler, sogenannte Smart Meter, bieten zahlreiche Möglichkeiten, den Energieverbrauch zu senken. Bis zum Jahr 2032 soll der Einbau solcher Stromzähler abgeschlossen sein.
rb
Besonders CO2-intensiv: Heizung und Warmwasserbereitung
Jeder Deutsche produziert rund 1,6 Tonnen CO2 pro Jahr allein durch das Heizen. Noch immer gibt es im Berliner Gebäudebestand rund 66.000 Ölheizungen. Ein Schwerpunkt des Klimaschutzpakets ist deshalb der Einbau klimafreundlicher Heizungen. Ab dem Jahr 2021 gibt es einen CO2-Preisaufschlag für fossile Brennstoffe. Moderne Heizkessel werden stärker gefördert, Vermieter erhalten Abwrackprämien beim Ersatz alter Ölheizungen. Aber der technische Fortschritt allein löst nicht das Klimaproblem. Mieter können die Umweltbelastung beim Heizen und bei der Warmwasserbereitung selber senken.
Die empfohlene Raumtemperatur liegt im Schlafzimmer bei 18 Grad Celsius, im Wohnzimmer zwischen 21 und 23 Grad, im Kinderzimmer und im Bad bei 23 Grad. Die Temperaturen können mittels Thermostatventil oder per App individuell geregelt werden. Bereits die Senkung der Raumtemperatur um ein Grad spart 5 bis 10 Prozent Heizenergie und 200 Kilogramm CO2 pro Jahr.
Laut einer Umfrage des Bundesverbands des Schornsteinfegerhandwerks sind 57 Prozent aller Heizungen ineffizient. Das neue Gebäudeenergiegesetz, das in diesem Jahr verabschiedet werden soll, sieht vor, dass ab dem Jahr 2026 in der Regel nur noch Hybridlösungen, das heißt die Kombination einer herkömmlichen Heizung und einer Anlage für erneuerbare Energien, zugelassen werden. Neue Kessel müssen „renewable ready“ sein, das heißt über eine hybridfähige Steuerungs- und Regelungstechnik verfügen. Optimal sind Blockheizkraftwerke kombiniert mit Brennwerttechnik und Erdgaszentralheizungen. Durch die Beimischung von Bioerdgas wird die Wärmeversorgung noch umweltfreundlicher.
Vor dem Kauf eines Kaminofens ist zu prüfen, ob dieser wirklich benötigt wird. Außerdem ist auf das Umweltzeichen zu achten. Im Luftreinhalteplan Berlin ist der Blaue Engel bereits als Mindestanforderung verankert. Seit Januar 2020 gilt auch für Kaminöfen eine Partikelabscheiderpflicht. Auch für Kachel- und Speicheröfen werden die Anforderungen verschärft werden.
Vorgesehen ist eine mehrstufige Förderung der Investitions- und Installationskosten beim Wechsel von Öl auf Gas. Die Mieter haben davon nichts – im Gegenteil: Die Anhebung der CO2-Steuer kann sie teuer zu stehen kommen. Für eine vierköpfige Familie rechnen Experten für das Jahr 2030 mit zusätzlichen Heizkosten von 1135 Euro im Jahr. Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, fordert deshalb: „Die Kosten aus der CO2-Steuer müssen beim Vermieter verbleiben und dürfen nicht den umlegbaren Brennstoffkosten zugeschlagen werden.“
Klimaschutz fängt morgens beim Duschen an. Bereits eine um wenige Grad geringere Wassertemperatur und eine verkürzte Duschzeit wirken sich positiv aus – auf die Umwelt und auf den Geldbeutel. Duschen – nicht länger als notwendig – verbraucht weniger Warmwasser als ein Vollbad. Mit einem Einhandhebelmischer kann in Küche und Bad schneller die gewünschte Temperatur eingestellt und Wasser gespart werden. Ein Niederdruck-Brausekopf in der Dusche begrenzt den Warmwasserverbrauch beträchtlich. Tropfende Wasserhähne sind schnellstmöglich zu reparieren. Während des Zähneputzens sollte der Wasserhahn abgedreht sein. Die Toilette sollte unbedingt über eine Spülstopp- beziehungsweise Spartaste verfügen.
Die Dichte bei Holzfenstern lässt im Laufe der Zeit nach, Dichtbänder können porös werden. Das kostet Heizenergie. Um Wärmeverluste zu vermeiden, müssen Türen, Fenster und fest installierte Klimageräte absolut dicht sein. Das ist zwar prinzipiell Vermietersache, Mieter müssen Mängel jedoch anzeigen, damit der Vermieter Abhilfe schaffen kann. Handelsübliche Dichtungsprofile kann der Mieter auch selbst anbringen.
Rainer Bratfisch
Heizen mit Windenergie und Außenluft
Das Fraunhofer Institut IBP arbeitet zurzeit im Projekt Windheizung 2.0 gemeinsam mit Unternehmen der Innovationsgemeinschaft Raumklimasysteme (IGR) unter anderem an nachhaltigen Lösungen zum Heizen und Kühlen. Während heute Windräder bei starkem Wind oft abgeschaltet werden, könnten Windräder der neuen Generation sich weiter drehen und zusätzlichen Strom erzeugen, der direkt in Wärme umgewandelt und in massiven Bauteilen wie Betondecken und -wänden gespeichert wird. Höhere Außentemperaturen können genutzt werden, um die Effizienz von Wärmepumpen und damit den Wärmeertrag weiter zu steigern.
rb
Private öko-soziale Wende: Teilen, Tauschen, Wiederverwenden
Bei der Produktion jeder Küchenmaschine und jeder Jeans wird CO2 erzeugt. Teilen und wiederverwenden statt neu kaufen ist daher eine echte Einsparmöglichkeit – die nebenbei auch noch nachbarschaftliche Kontakte fördert.
Zum Beispiel Kleidung. Kaum einer weiß, dass die Herstellung von Textilien mehr Treibhausgase produziert als der globale Luft- und Schifffahrtsverkehr zusammen. Jeder Deutsche kauft im Durchschnitt 60 neue Textilien im Jahr. Oft sind sie schon nach kurzer Zeit nicht mehr modisch und landen im Altkleidercontainer – was zwar das schlechte Gewissen beruhigt, der Umwelt aber kaum nutzt.
Die Alternative: Second Hand kaufen, ob im Internet, in Läden oder auf Trödelmärkten. Zunehmend beliebt sind auch Kleiderkreisel, wo im privaten Rahmen und in oft geselliger Atmosphäre Kleidung untereinander getauscht wird. Auch Kinderkleidung, die oft nur kurze Zeit passt, muss nicht unbedingt neu gekauft werden. Das gleiche gilt für Spielsachen. Über Inserate bei Nachbarschaftsplattformen oder über den guten alten Zettelaushang in der Kita oder im Supermarkt kann man oft gute Sachen für wenig Geld finden – und auch selber nicht mehr benötigte Dinge verschenken, tauschen oder verkaufen. Eine andere Alternative sind sogenannte Free- oder Giveboxen – nicht zu verwechseln mit wild abgestellten Verschenke-Kisten auf der Straße. In eine Freebox, die beispielsweise vor einem Nachbarschaftsladen steht und von diesem auch gepflegt wird, kann jeder nicht mehr benötigte, aber noch brauchbare Kleidung, Bücher, Geschirr und so weiter legen beziehungsweise sich daraus bedienen. Mittlerweile gibt es auch etliche Online-Marktplätze, wo Dinge verschenkt werden. Das ausrangierte Handy macht vielleicht einen Anderen noch glücklich und die Studenten-WG ist dankbar, wenn sie eine alte Couch oder ein nicht mehr benötigtes Teeservice ganz umsonst bekommen kann.
Die Ex-und-Hopp-Mentalität hat sich längst auch im Haushalt breitgemacht. Die kaputte Kaffeemaschine reparieren? Lohnt sich doch gar nicht, denken viele. Die meisten Geräte gibt es zu Dumpingpreisen neu zu kaufen. Diesem Trend stemmen sich die Repaircafés entgegen. Hier kann man nach dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe unter fachkundiger Anleitung seinen defekten Staubsauger reparieren oder den alten Toaster wieder in Gang bringen. Reparieren statt wegwerfen spart nicht nur Geld und Müll ein, sondern auch CO2, das für die Produktion eines neuen Gerätes anfallen würde. Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Den alten Kühlschrank zu reparieren oder sich einen gebrauchten zu besorgen, ist nur selten zu empfehlen. Die Energieeffizienz eines neuen Gerätes ist meist vielfach besser.
Grundsätzlich gilt: Wenn man sich schon etwas Neues anschafft, sollte man auf Qualität und Langlebigkeit achten. Manche Dinge, die man nur selten braucht, kann man sich auch innerhalb des Hauses teilen, etwa einen Bolzenschneider oder ein Lastenrad. Manche Hausgemeinschaften teilen sich sogar ein Auto. Ein privates, nicht-kommerzielles Carsharing innerhalb der Nachbarschaft kann auch über Plattformen wie snappcar.de oder Getaway organisiert werden.
Der Berliner Senat setzt ebenfalls zunehmend auf „wiederverwenden statt wegwerfen“ und hat kürzlich angekündigt, in den kommenden zwei Jahren drei bis vier Gebrauchtwarenhäuser einzurichten, wo man gut erhaltene Waren kaufen kann, von Geschirr über Haushaltsgeräte bis hin zu Möbeln. Das Angebot richte sich nicht an Bedürftige, betonte Umweltsenatorin Regine Günther bei der Vorstellung des neuen Projekts. Man wolle Secondhandware ganz bewusst aus dieser Nische herausholen.
Birgit Leiß
Fundgrube für Gefälligkeiten
Nachbarschaftsplattformen wie nebenan.de – um nur die größte zu nennen – sind eine wahre Fundgrube für nachbarschaftliche Gefälligkeiten aller Art. Egal, ob man eine Transportmöglichkeit zum Möbelhaus braucht, seine Büchersammlung verschenken will oder auf der Suche nach leeren Marmeladengläsern ist – fast immer gibt es jemanden, der weiterhelfen kann oder interessiert ist. Im Mittelpunkt steht das Prinzip des nachbarschaftlichen Unterstützens und Teilens. Das Gute dabei ist: Das Netzwerk ist nach Kiezen aufgeteilt, der Radius beträgt nur 1 bis 2 Kilometer, so dass es sich auch lohnt, eine angebrochene Packung Windeln oder eine Tüte Gartenäpfel abzuholen. Die Registrierung ist kostenlos.
bl
Kostenloser Verschenke-Marktplatz (bundesweit):
www.free-your-stuff.com
Eine Liste der Repaircafés in Berlin findet sich unter
www.reparatur-initiativen.de
Haushalt und Ernährung: Gewohnheiten unter die Lupe nehmen
Eine große Stellschraube, an der Verbraucher im Haushalt drehen können, um CO2 zu sparen, ist der Wasserverbrauch, denn die Aufbereitung – Förderung, Transport, Reinigung – von Wasser benötigt einiges an Energie. Ganz besonders gilt das für die Erwärmung von Warmwasser zum Duschen oder Baden.
Leitungswasser zu trinken wiederum ist umweltschonend, denn im Gegensatz zum Mineralwasser fallen weder Kohlendioxid verursachende Verpackungen noch Transportwege an. Übrigens ist Leitungswasser auch günstiger und gesünder als Flaschenwasser, wie beispielsweise die Stiftung Warentest im Jahr 2016 in einer Untersuchung nachgewiesen hat.
Ein paar Grundregeln helfen, die Umwelt zu schonen: Regionale und saisonale Lebensmittel sind weder im Treibhaus gewachsen, noch haben sie weite Wege hinter sich gebracht. Wer den eigenen Fleischkonsum reduziert, hilft ebenfalls, das Klima zu schützen. Denn bei der Viehhaltung entsteht klimawirksames Methan.
Hilfreich ist es, auf Abgepacktes zu verzichten, so gut es geht. Unverpackt-Läden bieten Lebensmittel offen an, oft sogar günstiger. Auch im regulären Supermarkt können wiederverwendbare Beutel für Obst und Gemüse oder für den Einkauf insgesamt ein Stoffbeutel zum Einsatz kommen. Lebensmittelverschwendung ist schlecht für die Klimabilanz. Lieber gezielt einkaufen und im Blick behalten, dass vieles weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus haltbar ist. Umweltlabel wie der Blaue Engel oder das Bio-Siegel, aber auch regionale Kennzeichnungen und spezielle Siegel für (mineralölfreie) Naturkosmetik und ökologisch produzierte Kleidung helfen im Konsumdschungel, den Überblick zu bewahren.
Was hat Mülltrennung mit Klimaschutz zu tun? Sie spart Energie: Gewinnung, Transport und Aufarbeitung sogenannter Primärrohstoffe – für Kunststoff Erdöl, für Metalle Erze etcetera – sind energie- und damit CO2-intensive Prozesse. Durch das Sammeln und Sortieren von Wertstoffen erhalten diese als Sekundärrohstoffe ein zweites und drittes Leben. Das ist umso relevanter, als durch den florierenden Onlinehandel immer mehr Verpackungsmüll anfällt.
Die Deutschen sind mit rund 242 Kilogramm pro Kopf Weltmeister im Verbrauch von Papier und Karton, die Hälfte davon sind Verpackungen. Wer recyceltes Papier kauft, hilft, CO2 einzusparen, denn dank einer Recyclingquote von 75 Prozent ist in Deutschland genug wiederaufbereitetes Papier vorhanden. Weite Wege entfallen, es werden keine neuen Bäume abgeholzt.
Auch die Menge an Müll, der hierzulande in den Gelben Sack wandert, bewegt sich auf Rekordniveau: 2017 waren es 226,5 Kilo pro Person – bei einer Recyclingquote von unter 50 Prozent.
Generell ist der beste Müll derjenige, der gar nicht erst entsteht. Denn auch beim Recycling entstehen CO2-Emmissionen. Schwierig sind für die Trennmaschinen unter anderem die unterschiedlichen Kunststoffverpackungen. Daher am besten immer den Margarinedeckel und den Behälter getrennt in den Gelben Sack geben. Der Joghurtbecher muss hingegen nicht gespült werden, denn die Wertstoffe werden sowieso gewaschen. Kassenbons und beschichtetes Papier gehören in den Restmüll, denn die Papierfasern lassen sich schlecht vom Plastik trennen. Und: Bioplastik nicht im Biomüll entsorgen. In Kompostieranlagen kann nicht zwischen normalem und Bioplastik unterschieden werden. Biokunststoffe bauen sich schlecht oder langsam ab. In Potsdam ist der Einsatz von kompostierbaren Kunststoffbeuteln in der Biotonne bereits verboten. Besser: Papiertüten oder Zeitungspapier.
Wer seine Wohnung renovieren will, sollte möglichst auf Naturbaustoffe, etwa ökologische Wandfarben, natürliche Dämmstoffe, Böden aus Naturmaterialien wie Holz, Kork oder Fliesen setzen. Das sorgt für ein gutes (Raum-)Klima. Akkus anstelle von Batterien sind die ressourcenschonendere Wahl.
Katharina Buri
Mein Fußabdruck
Wie groß der eigene CO2-Fußabdruck genau ist, lässt sich mit einem Rechner des Umweltbundesamts herausfinden. Anhand der Kategorien Heizung, Strom, Mobilität, Ernährung und sonstiger Konsum wird die eigene CO2-Bilanz erstellt und kann am Ende mit dem bundesdeutschen Durchschnitt verglichen werden. In einem zweiten Schritt werden kurz-, mittel- und langfristige Szenarien entwickelt, die zeigen, wie eigene CO2-Einsparungen helfen, das Klima zu schützen.
kb
Grüne Luftfilter in der Stadt
Urbanes Grün macht den Klimawandel erträglicher – und mildert seine Folgen: So kühlt ein Gründach auf dem Haus die darunter liegenden Räume. Ein grüner Innenhof funktioniert bei Sturzregen wie ein Schwamm. Und Bäume sind Luftfilter: Das aufgenommene CO2 wandeln sie in Kohlenstoff (C) um für ihr Wachstum und in Sauerstoff (O2), den sie wieder an die Luft abgeben. Aus einem klimaschädlichen Gas wird so für Mensch und Tier lebensnotwendige Atemluft.
Der Baum vorm Haus hat viele trockene, brüchige Äste und schon in den Sommermonaten färben sich seine Blätter braun. Ein Blick die Straße hinunter zeigt, dass das keine Ausnahme ist. „Die letzten beiden Sommer mit der Trockenheit und den starken Winden haben die allermeisten Bäume in unserer Stadt schwer geschädigt“, bestätigt Ines Fischer vom ökologischen Netzwerk Grüne Liga e.V. Und so ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Anfragen auf ihrem Tisch landen: Können wir den Ahorn noch retten? Sollten wir ihn gießen, und hilft es, die Scheibe rund um den Baum zu bepflanzen? In einigen Bezirken, etwa in Pankow, werden Bürgerinnen und Bürger von den Bezirksbehörden ausdrücklich dazu aufgerufen, die Straßenbäume bei großer Trockenheit zu gießen. „Gerade frische Anpflanzungen müssen regelmäßig gewässert werden“, bekräftigt Landschaftsarchitektin Ines Fischer.
Dafür sind eigentlich jene verantwortlich, die Bäume und Sträucher gesetzt haben. Wo das aber nicht geleistet werden kann, haben die neuen Anpflanzungen kaum eine Chance. Die Achtsamkeit von Anwohnern könnte junge Bäume dagegen retten: „Allerdings bringen zwei Gießkannen gar nichts“, so Ines Fischer. Um vor allem große alte Bäume ausreichend zu wässern, müsse schon einmal pro Woche für mindestens 10 Minuten ein Schlauch angelegt werden. Steht Brauchwasser zur Verfügung oder gibt es einen Außenhahn für die Gartenbewässerung, können sich Mieter beispielsweise mit ihrem Vermieter über die Entnahme einigen.
Überhaupt gilt: Wer für das Grün in seiner Wohnumgebung etwas tun will, sollte sich informieren und sich mit dem jeweiligen Eigentümer beziehungsweise den Verantwortlichen absprechen. Öffentliche Flächen liegen in der Zuständigkeit des bezirklichen Straßen- und Grünflächenamtes: von Stadtbrachen, kommunalen Spielplätzen bis hin zum schmalen Geviert um einen Straßenbaum.
„Gerade beim Bepflanzen einer Baumscheibe kann eine Menge falsch gemacht werden“, erklärt die Expertin der Grünen Liga. Höhere Sträucher versperren oft die Sicht und gefährden so auch die Verkehrssicherheit. Tiefes Graben könnte die Wurzeln eines Baumes schädigen. „Und Rasen zu säen ist völlig unsinnig, weil der dem Baum das Wasser entzieht“, so Ines Fischer. Bevor also die verhärtete Erde in ein kleines Blumenbeet verwandelt wird, sollten Hobbygärtner das Alter des Baumes kennen, sich über die Bodenbeschaffenheit informieren – und nicht zuletzt auch genau wissen, wo Leitungen unterm Pflaster verlaufen.
Grundsätzlich gilt: Pflanzungen im öffentlichen Raum müssen mit dem zuständigen Bezirksamt abgestimmt werden. Von dort kommt nicht nur die Genehmigung, sondern in der Regel auch Beratung, Hilfe und mitunter sogar finanzielle Unterstützung für einzelne Pflanzaktionen. In Pankow, Neukölln, Charlottenburg und Friedrichshain-Kreuzberg beispielsweise wird umweltschützendes Engagement geschätzt und gefördert. Marzahn-Hellersdorf unterstützt Garteninitiativen mit Workshops, Vor-Ort-Beratung und begleitender Planung. Denn das Bürgerengagement hat viele positive Folgen: Begrünte Straßen und Plätze bieten in der größten Hitze ein angenehmes Klima, binden Feinstaub und verbessern die CO2-Bilanz.
Das gilt genauso für grüne Höfe, die sich gerade im Sommer in Oasen für Mieterinnen und Mieter verwandeln lassen. Werden die Grünflächen dort abwechslungsreich mit Gehölzen und Stauden aufgelockert und dürfen auch Wildkräuter im Rasen wachsen, leidet diese Vegetation wesentlich weniger unter Hitze und Trockenheit als etwa Straßenbäume.
„Und begrünte Hauswände können sogar ein Schutz für die Bausubstanz sein“, erklärt Ines Fischer. „Denn entgegen vielen Befürchtungen halten Rankpflanzen wie wilder Wein Feuchtigkeit vom Mauerwerk fern, weil sie Wasser aus dem Boden ziehen.“ Außerdem lockt eine solche Bepflanzung Insekten wie Wildbienen und Vögel in den Hof. Vorausgesetzt, es wird das Richtige angepflanzt: Weiß- und Feuerdorn statt Kirschlorbeer. Lavendel, Thymian und Astern anstelle der immer gleichen Geranien und Petunien in den Balkonkästen. Mehrjährige Stauden, deren trockene Stängel auch im Winter stehen bleiben dürfen, statt der einjährigen Pflanzmischungen, die im Herbst meist samt Erde in die Tonne gekippt werden.
Vor allem jedoch brauche es ein Miteinander, so Landschaftsarchitektin Ines Fischer: „Hofbegrünung ist immer ein Kompromiss, denn es muss auch versiegelte Flächen geben.“
Verständnis und Einsicht in eine Notwendigkeit fordert erst recht die Entscheidung für einen Lückenbau, dem vielleicht Bäume und Sträucher weichen müssen. „Das gibt uns aber auch die Chance, gemeinsam zu überlegen, wo und wie sich die versiegelten Flächen mit neuer Begrünung ausgleichen lassen“, so Ines Fischer.
Rosemarie Mieder
Lesen Sie auch: Stadt im Klima – Sommer, Sonne, Tropenhitze, wie sich die Stadt und ihre Bewohner vor hohen Temperaturen schützen können
Kein Torf auf den Balkon
Wer den Balkon bepflanzen oder ein Gründach anlegen will, sollte nicht nur auf die richtigen Pflanzen, sondern auch auf die Blumenerde achten. Viele angebotene Erden enthalten Torf aus Hochmooren, weil der Wasser besonders gut bindet und einen hohen Säuregrad besitzt. Allerdings zahlt man damit einen hohen Preis zulasten der Umwelt: Torfabbau zerstört die jahrhundert- bis jahrtausendalten Moore und mit ihm den Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere. Auch fürs Klima ist der Torfabbau schlecht: Durch die Entwässerung der Feuchtgebiete entweicht CO2 – ein wertvoller Speicher für das Treibhausgas geht verloren.
rm
www.grueneliga-berlin.de
Alternative Mobilität
Jede Fahrt mit dem Auto verursacht Kosten für die Umwelt: Bei einem Benziner sind das im Durchschnitt 6,4 Cent und bei einem Diesel 7,5 Cent pro gefahrenem Kilometer. Doch nach wie vor steigt die Zahl der Autos in Berlin. 335 Autos auf 1000 Einwohner zählt das Kraftfahrtbundesamt 2019. Vor zehn Jahren waren das noch 321. Dazu kommen Tausende Berlin-Besucher und Sharing-Autos mit auswärtigen Kennzeichen.
Die Entscheidung fällt um 7 Uhr morgens. Eigentlich müsste man die Wohnung mit Tochter Sophie schon verlassen haben, um die Vierjährige in die Kita zu bringen und dann rechtzeitig an der Haltestelle zu stehen. Aber wie so oft ist es ein wenig später geworden und so bleibt kaum noch Zeit, das Rad aus dem Keller zu holen. Der Weg zu Fuß in die Kita dauert mit dem Kind nun viel zu lange – und das Auto steht ja praktisch vor der Tür.
In Ballungsgebieten wie Berlin, so das Bundesumweltamt, führt nahezu die Hälfte aller Autofahrten über eine Strecke von weniger als 5 Kilometern – jede zehnte Fahrt ist sogar kürzer als ein Kilometer. Dabei wäre die Distanz zu vielen Tageszeiten mit dem Rad schneller zu bewältigen. Preisgünstiger und gesünder wäre es ohnehin. Vor allem aber würde diese Form der Fortbewegung keine umweltschädigenden Treibhausgase verursachen. Der motorisierte Straßenverkehr dagegen war nach Zahlen des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg aus dem Jahr 2016 für circa 19 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich: Das sind rund 3,8 Millionen Tonnen.
„Wir merken inzwischen schon, dass der Bedarf an Fahrradstellplätzen zunimmt und gerade ältere Mieterinnen und Mieter sich mehr Ladestellen für E-Bikes wünschen“, sagt Martin Püschel, Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM). Und so macht das Unternehmen gerade Inventur: Wie viele Radstellplätze gibt es im Bestand, und wie viele müssen und können noch geschaffen werden?
„Für unsere Neubauprojekte werden von vornherein mindestens zwei Fahrradstellplätze pro Wohneinheit geplant“, so der WBM-Mitarbeiter. 50 Prozent davon sollen überdacht beziehungsweise in Innenbereichen eingerichtet werden. Dabei lassen sich die Wohnungswirtschaftler auch von der Tatsache leiten, dass Entscheidungen über Mobilität in erster Linie am Wohnort getroffen werden. 80 Prozent aller Wege durch Berlin beginnen und enden nämlich vor der eigenen Haustür – und werden bestimmt von Gewohnheiten. Aber wer mit dem Mietvertrag vielleicht auch ein günstiges Mieterticket bekommt, steigt sicher öfter auf die Bahn um.
Wer im Quartier bequem und schnell ein Lastenfahrrad ausleihen kann, muss auch für einen größeren Einkauf im Supermarkt um die Ecke nicht mehr unbedingt ins Auto steigen. Und wo es nahe Car-Sharing-Angebote gibt, lässt sich auf das eigene Auto vielleicht sogar ganz verzichten?
Das Projekt „Wohnen leitet Mobilität“ begleitet und unterstützt solchen Wandel in Berlin und anderen Großstädten seit drei Jahren. Es hat die Hauptakteure an einen Tisch gebracht: von kommunalen und genossenschaftlichen bis zu privatwirtschaftlichen Unternehmen. Aber seine Initiatoren raten Mieterinnen und Mietern auch, selbst die Möglichkeiten im Wohnumfeld zu prüfen: Ein Fußverkehrs-Check etwa zeigt, wie weit entfernt Haltestellen wirklich liegen, in welchen Zustand die Fuß- und Radwege sind und wo eine verkehrsberuhigte Zone sinnvoll wäre. So lassen sich durchaus Forderungen an die Kommune oder den Vermieter stellen. Denn noch immer sind die meisten Wohnquartiere stark auf motorisierten Individualverkehr zugeschnitten. Die Bedürfnisse von Fußgängern werden dagegen viel zu wenig berücksichtigt. Dabei sind sie die wichtigsten Verkehrsteilnehmer Berlins – circa ein Drittel aller Wege legen die Hauptstädter zu Fuß zurück (29,6 Prozent motorisiert, 27 Prozent mit ÖPNV, 13 Prozent per Rad). Der Gang zur U-Bahn oder zur Bushaltestelle ist da noch gar nicht mitgerechnet. Und gerade zu Fuß machen Berlinerinnen und Berliner, aber auch Touristen die Stadt zu einer belebten, kommunikativen Metropole.
Wo sich jedoch Autos in Geschäftsstraßen stauen, Lieferwagen in zweiter Reihe parken, Linienbusse nicht mehr durchkommen, Radfahrer auf den Bürgersteig und Fußgänger ganz beiseite gedrängt werden, ist Stadt nur noch Stress und ihre Luft nicht mehr zu atmen.
„Das muss sich vermeiden lassen“, erklärt Martin Püschel. Zum Vorteil von Gewerbemietern, aber auch für alle Anwohner plant die Wohnungsbaugesellschaft WBM das Projekt „Smart Logistics“: Zentrale Stationen außerhalb der engen Zentren sollen die Waren annehmen, die dann benzin- und dieselfrei per kleinem E-Mobil, E-Lastenrad oder E-Bike über die letzten Kilometer weitertransportiert werden.
„Oft bestehen die Lieferungen ja nur aus einzelnen Paketen – das aber mehrmals am Tag“, erklärt Martin Püschel. „Es muss sich doch nicht jedes Mal ein Transporter durchdrängen.“ Im Ortsteil Friedrichshain soll das Projekt gemeinsam mit Gewerbetreibenden im Sommer diesen Jahres starten – und den Weg zu alternativer, klimaneutraler und freundlicherer Mobilität in der City wieder ein Stück breiter machen.
Rosemarie Mieder
10 Tipps für umwelt- und verbrauchsfreundliches Autofahren
1. Mit geringer Drehzahlen fahren, weil das Kraftstoff spart, den Lärmpegel senkt und den Motor schont.
2. Schnell hochschalten – für eine vollständigere, verbrauchsgünstigere und schadstoffärmere Verbrennung.
3. Vorausschauend und mit konstanter Geschwindigkeit fahren.
4. Auto entrümpeln und unnötige Aufbauten abmontieren.
5. Kurzstrecken möglichst meiden.
6. Auf Reifenwahl und -druck achten.
7. Stromfresser wie Heckscheiben-, Rückspiegel- oder Sitzheizung ausschalten beziehungsweise maßvoll einsetzen.
8. Motor bei längerem Ampelstopp und im Stau ausschalten.
9. Das richtige Motoröl verwenden.
10. Regelmäßige Wartung.
06.05.2023