Monatelang mussten die Mieter der Torstraße 39 hinter einem riesigen Werbebanner leben, das am Baugerüst angebracht war. Dahinter war es stickig, es roch unangenehm nach Kunststoff und nachts strahlten grelle Scheinwerfer in die Wohnungen. Nur mit massivem Druck haben die Bewohner den Hauseigentümer zur Entfernung bewegen können.
Grundsätzlich ist für die Anbringung einer „Gerüstbehängung mit Außenwerbung“ – wie es im Amtsdeutsch heißt – eine Genehmigung erforderlich. Sie kann für maximal sechs Monate erteilt werden. Im Falle der Torstraße wurde diese jedoch nie ausgesprochen, wie die Mieter durch Akteneinsicht im Bezirksamt Mitte herausgefunden haben. Zwar war im August ein Antrag gestellt worden.
Doch das zuständige Straßen- und Grünflächenamt untersagte die Anbringung und forderte im Oktober, als die Plane bereits seit Wochen hing, die „unverzügliche Entfernung“. Später wurde sogar das Zwangsmittel der Ersatzvornahme festgesetzt. Ein daraufhin nachgeschobener Antrag mit einer kleineren Motivfläche wurde ebenfalls abgelehnt. Dennoch hing das Banner, mit Ausnahme des Monats Januar, bis Ende Februar.
Offenbar übersteigen die Einnahmen – die Rede ist von mehreren 10.000 Euro pro Monat – ein etwaiges Bußgeld für das illegale Anbringen um ein Vielfaches. „Hier wohnen auch Kranke und Kinder, das sind enorme gesundheitliche Beeinträchtigungen, denen wir ausgesetzt waren“, sagt Rosemarie Nünning aus der Torstraße. Zwar hat man grundsätzlich einen Anspruch auf Mietminderung. Doch wegen der restriktiven Rechtsprechung ist hier äußerste Vorsicht geboten. „Das Problem ist, dass in der Bauordnung nur Aspekte der Sicherheit und der Optik berücksichtigt werden, die Gesundheit der Mieter kommt mit keinem Wort vor“, kritisiert Sebastian Bartels, stellvertretender Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Wenn das Straßenbild nicht verschandelt und der Verkehr nicht behindert wird, kann ein solches Werbebanner genehmigt werden.
Immerhin hat der Fall Torstraße 39 im Bezirk Mitte zu einem stärkeren Problembewusstsein im Umgang mit den Werbetafeln geführt. In der Bezirksverordnetenversammlung, wo das Thema kürzlich auf die Tagesordnung kam, kündigte Baustadtrat Stadtrat Ephraim Gothe (SPD) für die Zukunft eine restriktivere Handhabung an.
Birgit Leiß
27.03.2020