Leitsatz:
Zur unbefristeten Fortsetzung des wirksam wegen Eigenbedarfs gekündigten Mietverhältnisses gemäß § 574 a Abs. 1 Satz 2 BGB unter geänderten Bedingungen (hier: Mieterhöhung um 62,22 Euro).
AG Mitte vom 24.7.2019 – 17 C 381/17 –
Mitgeteilt von RA Cornelius Krakau
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die erhobene Räumungsklage wegen Eigenbedarfs wurde abgewiesen. Das Gericht sah zwar den Eigennutzungswunsch als erwiesen an, gelangte jedoch zu der Überzeugung, dass gesundheitliche Härtegründe gemäß § 574 BGB überwiegen.
Da aufseiten der Mieterin nicht zu erkennen sei, dass sich die Gründe, die die unzumutbare Härte begründen, in absehbarer Zeit durchgreifend ändern werden, sei das Mietverhältnis gemäß § 574 a BGB in Verbindung mit § 308 a ZPO auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Dabei sei das Mietverhältnis im Rahmen des § 574 a BGB zu Bedingungen fortzusetzen, die den Interessen beider Parteien möglichst nahekommen. Es sei deshalb eine Anpassung der Miete vorzunehmen, da das Interesse des Vermieters auch auf nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen beruhe. Der Vermieter habe durch die Vorlage der Mieterhöhungserklärungen in ausreichender Weise dargelegt, dass sich die Mietbelastung für seine derzeitige Wohnung deutlich erhöht hätte. Es erscheine deshalb gerechtfertigt, die Nettomiete für den Zeitraum ab der Wirkung der Kündigung zu erhöhen. Dabei könne eine Erhöhung jedoch nicht auf die ortsübliche Vergleichsmiete erfolgen, die nach dem Vortrag der Parteien zwischen 587,29 Euro und 528,48 Euro liege. Vielmehr sei auch die Einkommenssituation der Mieterin zu berücksichtigen, sodass eine Erhöhung nur in einem sozialverträglichen Umfang entsprechend der Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 BGB erfolgen könne. Es sei deshalb eine Erhöhung der derzeitigen Nettokaltmiete von 414,79 Euro um 15 Prozent auf 477,01 Euro vorzunehmen.
Die Kombination „Eigenbedarfskündigung und geringe Miete“ kommt relativ häufig vor. In Fällen, bei denen die Wirksamkeit der Kündigung „auf der Kippe“ steht, sollte daher entsprechend argumentiert werden. Möglichweise sieht mancher Richter erst so, dass es eine Alternative zu der ansonsten notwendigen „Alles oder Nichts“-Entscheidung gibt.
Urteilstext
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Räumung und Herausgabe der von dieser bewohnten Wohnung wegen Eigenbedarfs.
Die 1954 geborene Beklagte ist aufgrund eines Mietvertrages vom 25. Januar 1982 bereits seit dem 1. Januar 1981 Mieterin einer Wohnung im Hause G.-straße xx in Berlin. Die Wohnung besteht aus drei Zimmern nebst Küche, Bad, WC und Flur und hat eine Fläche von 78 m². Von dem Flur aus sind die drei Zimmer, das Bad und die Küche direkt begehbar. Die vereinbarte Nettokaltmiete beträgt seit dem 1. Januar 2014 unverändert 414,79 €.
Der Kläger ist Erbe seiner Mutter geworden, die die Wohnung zwischenzeitlich erworben hatte. Der Kläger ist am 14. Januar 2016 als Eigentümer der Wohnung eingetragen worden. Der Kläger lebt mit seiner Ehefrau und seinem am 24. März 2015 geborenen Kind in einer Dreizimmerwohnung im Hause S.-straße x in Berlin. Das Balkonzimmer dieser Wohnung mit einer Fläche von 13,5 m² ist ein Durchgangszimmer.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2017 kündigte der Kläger das Mietverhältnis zum 31. Oktober 2017 wegen Eigenbedarfs. Er führt in dem Schreiben aus, dass er die Wohnung für sich und seine Familie benötige. Es sei erforderlich, dass die Familie eine Wohnung mit mindestens drei separaten Zimmern habe, was derzeit nicht der Fall sei. Das Durchgangszimmer sei auf Dauer nicht als Kinderzimmer geeignet, auch ein Schlafzimmer könne dort wegen der beengten Verhältnisse nicht eingerichtet werden. Zudem sei in der jetzt bewohnten Mietwohnung aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen eine deutliche Mieterhöhung angekündigt worden, sodass er auch aus wirtschaftlichen Gründen in die Wohnung der Beklagten ziehen wolle.
Die Beklagte widersprach der Kündigung durch Schreiben vom 19. August 2017 und verlangte die Fortsetzung des Mietverhältnisses. Sie bestritt darin nicht nur den Eigenbedarf, sondern äußerte auch, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für sie eine unzumutbare Härte bedeuten würde, da sie bereits seit 36 Jahren in der Wohnung wohne und sie keinen gleichwertigen Wohnraum zu vergleichbaren Mieten innerhalb Berlins finden könne, zumal sie zur Zeit von Leistungen des Jobcenters abhängig sei.
Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der seit dem 5. Dezember 2017 rechtshängigen Klage weiter. Er behauptet, dass er die von der Beklagten bewohnte Wohnung für sich und seine Familie benötige. Wegen des Durchgangszimmers sei die derzeitige Wohnung für die Familie nicht geeignet, räumliche Veränderungen könnten nicht durchgeführt werden. Das dritte Zimmer sei so klein, dass es nicht als Schlafzimmer genutzt werden könne, ein Bett sei dort nicht aufstellbar. Auch durch den Einbau einer Trockenbauwand könne keine ausreichende Abtrennung des Kinderzimmers erfolgen, zumal der Balkon nur eingeschränkt nutzbar wäre und dieser zudem für das dreijährige Kind ein Sicherheitsrisiko darstellen würde. Die Miete für die zurzeit bewohnte Mietwohnung betrage seit Januar 2017 insgesamt 851,51 €, seit dem 1. Juli 2018 insgesamt 887,67 €. Bei Nutzung der Wohnung der Beklagten würde lediglich ein Wohngeld in Höhe von 291,11 € anfallen. Die Ausführungen der Beklagten in dem Widerspruchsschreiben seien nicht ausreichend konkret, eine psychiatrische· Erkrankung sei gar nicht angeführt worden, sodass die Beklagte mit diesem Einwand präkludiert sei. Zudem habe die Beklagte bisher offenbar keinerlei Bemühungen angestellt, neuen Wohnraum zu finden. Die Wohnung würde zudem aufgrund ihrer Wohnfläche den Bedarf der Beklagten übersteigen. Der Kläger regt an, bei einer eventuellen Fortsetzung des Mietverhältnisses durch das Gericht die Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete anzuheben und behauptet insoweit, diese betrage 587,29·€.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung in der G.-straße xx,1xxxx Berlin, Quergebäude links, erstens Obergeschoss, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad, WC und Flur geräumt an ihn herauszugeben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die derzeit von dem Kläger und dessen Familie bewohnte Wohnung weise annähernd dieselbe Wohnfläche auf und liege nur ca. 1,5 km von der Wohnung der Beklagt n entfernt. Eine wesentliche Veränderung oder Verbesserung der Wohnsituation für den Kläger, sei somit nicht erkennbar. Noch im Februar 2017 habe der Kläger bei einer Besichtigung geäußert, dass er die Kündigung eventuell zurückziehen würde. Schon 2014 habe der Kläger nach dem Tod seiner Mutter versichert, dass er nicht in die Wohnung einziehen wolle. Die Beklagte führt weiter aus, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für sie eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Seit ihrer Geburt lebe sie in der näheren Umgebung, seit 37 Jahren nun in der Wohnung. Sie sei dort sozial fest verwurzelt, Bekannte und Verwandte lebten dort, unter anderem auch ihr Sohn. Es sei zudem nicht auszuschließen, dass ihre 82-jährige Mutter demnächst nicht mehr alleine wohnen könne und zu ihr in die Wohnung ziehen müsse. Sie lebe derzeit von ca. 880 € monatlich, sodass es ihr nicht möglich sein würde, in Berlin in einem innerstädtischen Bezirk eine vergleichbare Wohnung zu finden. Ein Umzug in einen Außenbezirk würde sie sozial entwurzeln und auch die Absicht zur Aufnahme ihrer Mutter zunichtemachen. Zudem sei sie schon seit Jahren psychisch erkrankt, sie leide aktuell an einer depressiven Symptomatik mit Antriebsdefizit, bedrückter Stimmung, Konzentrationsstörungen, Grübelneigung, Rückzugstendenzen und Zukunftsängsten. Ein Verlust der Wohnung würde ihren Zustand auf unabsehbare Zeit destabilisieren. Sie habe sich auch um weiteren Wohnraum bemüht, indem sie mehrere Wohnungsbaugesellschaften telefonisch kontaktiert habe. Die ortsübliche Vergleichsmiete für die derzeit von ihr bewohnten Wohnung betrage aufgrund der Ausstattung zudem höchstens 528,48 €. Zudem müsse bei einer eventuellen Anpassung der Miete die Kappungsgrenze von 15 % beachtet werden. Weitere Mieterhöhungen seien aufgrund des geplanten „Mietendeckels“ derzeit nicht möglich.
Das Gericht hat Beweis erhoben über den behaupteten Eigenbedarf durch uneidliche Vernehmung der Zeugin K.. … Das Gericht hat ferner Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten hinsichtlich der Folgen eines Wohnungsverlustes für ihre Gesundheit durch Einholung eines medizinisch-psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. H..
…
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von dieser bewohnten Wohnung nicht gemäß § 546 BGB zu. Dem Anspruch steht der Anspruch der Beklagten auf Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574 a BGB entgegen.
Das Mietverhältnis ist zunächst durch die Kündigungserklärung des Klägers 25. Januar 2017 zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Oktober 2017 beendet worden. Der Kläger hat in ausreichender Weise dargelegt, dass er die von der Beklagten bewohnte Wohnung für sich benötigt, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger ernsthaft plant, mit seiner Familie in die von der Beklagten bewohnten Wohnung einzuziehen. Die Überzeugung des Gerichts gründet sich insbesondere auf die glaubhafte Aussage der Zeugin K.. Diese hat überzeugend und nachvollziehbar dargestellt, aus welchen Gründen die streitgegenständliche Wohnung für die Nutzung durch die Familie des Klägers vorteilhaft wäre. Das Gericht konnte auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines vorgeschobenen Eigenbedarfs erkennen. Vielmehr scheint nachvollziehbar, dass nicht nur der günstigere Schnitt der Wohnung, sondern auch wirtschaftliche Erwägungen zu dem Entschluss der Familie geführt haben, die streitgegenständliche Wohnung für sich zu beanspruchen. Aufgrund der durch die Vorlage der Mieterhöhungserklärungen dargelegten Mietentwicklung der derzeit von dem Kläger bewohnten Wohnung ist das Motiv des Klägers zur Kündigung des Mietverhältnisses vernünftig und nachvollziehbar. Nach den Aussagen der Zeugin ist auch die Erreichbarkeit von Kita und Schule in der gewohnten Umgebung des gemeinsamen Kindes bei einem Umzug in die streitgegenständliche Wohnung weiterhin gegeben. Das Gericht hat danach keine ernsthaften Zweifel an dem Eigennutzungswunsch des Klägers. Dieser Wunsch ist auch grundsätzlich zu respektieren.
Die Beklagte kann jedoch trotz der wirksamen Kündigungserklärung des Klägers gemäß §§ 574, 574 a BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit verlangen, da die Beendigung des Mietverhältnisses für sie eine unzumutbare Härte darstellen würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Klägers nicht zu rechtfertigen wäre.
Bei der Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme zu berücksichtigen, dass der Verlust der Wohnung für die Beklagte die Gefahr erheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen mit sich bringt. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. H. in seinem schriftlichen Gutachten sowie seinen mündlichen Erläuterungen des Gutachtens besteht die Gefahr, dass die Beklagte aufgrund ihrer psychischen Konstitution nicht in der Lage sein würde, den Verlust der Wohnung ohne erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen zu kompensieren. Zum einen besteht die erhebliche Verwurzelung in dem Kiez aufgrund der langen Wohndauer, wobei diese Verwurzelung nicht allein auf den sozialen Kontakten, sondern auch auf dem gewohnten Umfeld beruht. Nach den weiteren Ausführungen des Gutachters wird die Beklagte nach seiner Einschätzung einen erzwungenen Umzug nicht unbeschadet überstehen. Er befürchtet Anpassungsstörungen mit erheblich belastenden Symptomen. Insoweit droht bei der Beklagten eine Chronifizierung der Anpassungsstörungen, da diese nach Einschätzung des Gutachters nur bei optimalen äußeren Umständen überwunden werden könnten. Dazu gehört nicht nur eine optimale Therapie, sondern auch eine Wohnung, in der sich die Beklagte wohlfühlt. Eine solche Wohnung zu finden, erscheint angesichts des angespannten Wohnungsmarktes in Berlin derzeit nur sehr schwer möglich. Ferner attestiert der Gutachter, dass auch die therapeutischen Maßnahmen in dem Alter der Beklagten geringere Erfolgsaussichten haben könnten. Der von dem Gutachter genannte optimale Fall zur Abwendung einer Chronifizierung der Anpassungsstörungen kann bei der Beklagten somit nicht angenommen werden. Auch in seinem schriftlichen Gutachten führt der Sachverständige aus, dass der therapeutischen Behandlung der Beklagten durchaus Grenzen gesetzt sind und aufgrund der höheren intrapsychischen Abwehr ein herausragendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten sei. Zwar sei keine lebensbedrohliche Beeinträchtigung der Beklagten zu erwarten und somit keine Räumungsunfähigkeit, jedoch lägen relevante Stressfaktoren vor und der Verlust der Wohnung und des Umfeldes würde für die Beklagte mit Sicherheit eine Härte darstellen.
Die vorgetragenen Tatsachen auch mit dem von den Parteien jeweils beigelegten Gewicht im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 15. März 2017, VIII ZR 270/15, GE 2017, 469 ff.). Dabei steht auf der einen Seite das Interesse des Klägers, eine Wohnung mit einem günstigeren Schnitt zu erlangen und seine wirtschaftliche Belastung zu reduzieren. Insoweit ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die derzeitigen Wohnverhältnisse des Klägers nicht derart ungünstig sind, dass ein Leben dort als Familie unmöglich wäre. Sowohl die Anzahl der Zimmer als auch die Wohnfläche entsprechen nahezu der Wohnung der Beklagten. Lediglich das Durchgangszimmer ist für die Wohnnutzung ungünstig. Auf der anderen Seite stehen jedoch die Interessen der Beklagten, das Interesse an ihrer körperlichen Unversehrtheit und dem Erhalt ihrer Gesundheit. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegen die Interessen der Beklagten. Für diese würde eine Räumung der Wohnung eine existentielle Bedrohung darstellen. Bei dieser wären die Belastungen auch unmittelbar mit dem Verlust der Wohnung verbunden. Die Beklagte wohnt seit mittlerweile 38 Jahren dort, die Wohnung und das Umfeld stellen für die Beklagte die vertraute Umgebung dar, die möglichen Folgen für ihre Gesundheit sind im Rahmen der Beweisaufnahme deutlich geworden. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen muss der unversehrten Gesundheit der Beklagten der Vorrang vor den Interessen des Klägers, eingeräumt werden.
Da auf Seiten der Beklagten nicht zu erkennen ist, dass sich die Gründe, die die unzumutbare Härte begründen, in absehbarer Zeit durchgreifend ändern werden, ist das Mietverhältnis gemäß § 574 a BGB i. V. m. § 308 a ZPO auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Die Parteien haben sich dazu bereits nach der Durchführung der Beweisaufnahme geäußert. Dabei ist das Mietverhältnis im Rahmen des § 574 a BGB zu Bedingungen fortzusetzen, die den Interessen beider Parteien möglichst nahe kommen (BGH a.a.O., zu 111.). Es ist deshalb eine Anpassung der Miete vorzunehmen, da das Interesse des Klägers auch auf nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen beruht. Der Kläger hat durch die Vorlage der Mieterhöhungserklärungen in ausreichender Weise dargelegt, dass sich die Mietbelastung für die derzeitige Wohnung deutlich erhöht hat. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, die Nettomiete für den Zeitraum ab der Wirkung der Kündigung zu erhöhen. Dabei kann nach Ansicht des Gerichts eine Erhöhung jedoch nicht auf die ortsübliche Vergleichsmiete erfolgen, die nach dem Vortrag, der Parteien zwischen 587,29 € und 528,48 € liegt. Vielmehr ist auch die Einkommenssituation der Beklagten zu berücksichtigen, sodass eine Erhöhung nur in einem sozialverträglichen Umfang entsprechend der Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 BGB erfolgen kann. Es ist deshalb eine Erhöhung der derzeitigen Nettokaltmiete von 414,79 € um 15% auf 477,01 € vorzunehmen. Dabei ist eine etwaige Auswirkung des Beschlusses des Berliner Senats zum sogenannten „Mietendeckel“ nicht anzunehmen, da die Mieteranpassung rückwirkend zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung eintritt. Erst für weitere Mieterhöhungen mag dieser Beschluss relevant werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 93 b Abs. 2 ZPO. Eine Kostenaufhebung erscheint trotz der Abweisung der Klage sachgerecht, da zum einen zur Überzeugung des Gerichts ein Eigenbedarf des Klägers vorliegt, zum anderen das Mietverhältnis aufgrund von Härtegründen fortzusetzen ist, die die Beklagte in ihrem Widerspruchsschreiben vom 19. August 2017 nur rudimentär angedeutet hat. Zwar ist der im Laufe des Rechtsstreits deutlich gewordene Härtegrund der Beklagten nicht gemäß § 574 b Abs. 2 BGB ausgeschlossen. ln dem die Beklagte in dem Widerspruchsschreiben erklärt, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für sie eine Härte bedeuten würde, sie bereits seit 36 Jahren in der Wohnung lebt und sie keinen gleichwertigen Wohnraum finden könne, beschreibt sie genau die Umstände, die die Gründe für die psychischen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen darstellen. Es war deshalb nicht erforderlich, nochmals explizit darauf hinzuweisen, dass die genannten Umstände für sie nachteilige gesundheitliche Folgen haben könnten. Dennoch ist das genaue Ausmaß der zu befürchtenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen erst im Rahmen des Rechtsstreits deutlich geworden, was die Entscheidung nach § 93 b Abs. 2 ZPO rechtfertigt.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO. Dabei sind lediglich die von dem Kläger gezahlten Gerichtkosten mit den zu den Verfahrenskosten zählenden und von der Beklagten verauslagten Gutachterkosten gegenüberzustellen.
28.03.2022