Die Komplettsanierung einer Wohnanlage mitzumachen, ist für Mieter immer eine Strapaze. Doch wenn man dann noch so gut wie keine Informationen über den Ablauf bekommt und kurzerhand vom Vermieter in eine zweite Umsetzwohnung verfrachtet werden soll, wird das Ganze unerträglich. Bei der Deutsche Wohnen scheint diese Vorgehensweise System zu haben.
„Wir Mieter sind nur Spielball“, sagt Irene Müller*. Seit über einem Jahr führt sie ein Nomadenleben. Erst musste sie monatelang ins Hotel – vereinbart waren eigentlich zwei Wochen. Ihre Sachen wurden größtenteils eingelagert. Dann zog sie in eine Umsetzwohnung, mitten auf der Riesen-Baustelle Grellstraße, Ecke Prenzlauer Allee. Doch als der vertraglich vereinbarte Rückzugstermin näher rückte, hieß es plötzlich, sie solle in eine weitere Umsetzwohnung ziehen. In ihrer Wohnung wäre Schwamm gefunden worden und es gebe einen Wasserschaden. Wo sich die Ersatzwohnung befindet und wie lange sie dort bleiben soll, weiß die Mieterin nicht. „Schriftlich habe ich gar nichts, ich wurde lediglich vom Mieterbetreuer der Baustelle angesprochen.“
Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein vertritt mehrere Mitglieder und kann die mangelhafte Kommunikation bestätigen. So klingelt beispielsweise ein Mieterbetreuer an der Tür, um den Mietern mitzuteilen, dass sie umziehen müssen, anstatt sie schriftlich zu informieren. „Den zweiten Umzug muss man nicht hinnehmen, es gibt dafür keine Rechtsgrundlage“, erklärt Bartels. In der Vereinbarung sei klipp und klar eine bestimmte Umsetzwohnung und ein Rückzugstermin festgehalten.
Klar ist, dass die Sanierung der rund 250 Wohnungen aus den 1930er Jahren und die Errichtung zweier Neubauten im Innenhof ein komplexes Vorhaben ist. Offenbar war ursprünglich geplant, die Aufgänge nacheinander zu sanieren. Per Rotationsprinzip sollten die Mieter von den noch unsanierten Ersatzwohnungen in ihre fertigen Wohnungen ziehen. Doch mittlerweile wird überall gebaut, der Lärm sei ohrenbetäubend.
Warum sich die Baumaßnahme verzögert, ist unklar. Die Deutsche Wohnen wollte sich nicht äußern. Weil der Berliner Mieterverein das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ unterstützt, spricht man dort nicht mehr mit dem MieterMagazin.
Birgit Leiß
* Name ist geändert
27.08.2020