Dass Berlins größter Vermieter, die Deutsche Wohnen, wieder einmal auf Einkaufstour war, ist für Mieter keine gute Nachricht. Anfang März gab das Unternehmen bekannt, dass man 3900 Wohnungen in der Hauptstadt hinzugekauft hat. Seit sie vor nunmehr zehn Jahren das ehemals gemeinnützige Wohnungsunternehmen Gehag geschluckt hat, ist die börsennotierte Aktiengesellschaft vor allem dafür bekannt, dass sie ihre Mieter „ausquetscht wie die Zitronen“, wie es beim Berliner Mieterverein heißt. Möglich wurde dies allerdings nur, weil das Land Berlin in der Vergangenheit kommunale Bestände en masse verscherbelt hat.
Noch will man nicht bekannt geben, wo sich die 3900 Wohnungen befinden. Nur so viel: Es handele sich überwiegend um Altbauten in zentralen Lagen. Der Kaufpreis beträgt nach Angaben des Unternehmens 655 Millionen Euro. Angesichts einer derzeitigen Miete von durchschnittlich 6,96 Euro pro Quadratmeter und einem Leerstand von 7 Prozent sehe man „weiteres Potenzial zur Optimierung“, wie es in einer Mitteilung heißt. Die Anleger dürfen sich also auf satte Gewinne freuen. Mit dem Zukauf ist der Berliner Bestand der Deutsche Wohnen (DW) auf rund 110.000 Wohnungen angewachsen. Der Expansionskurs zahlt sich aus: 2016 hat der Konzern mit 1,2 Milliarden Euro Gewinn das beste Ergebnis seiner Unternehmensgeschichte erzielt.
Gerichte spielen nicht mit
Die Geschäftsstrategie der DW ist im Grunde einfach: Profitmaximierung um jeden Preis. Weil der Berliner Mietspiegel die Mieterhöhungsmöglichkeiten einschränkt – seit einiger Zeit auch bei Neuvermietung – fährt das Unternehmen zweigleisig. Zum einen attackiert man den Berliner Mietspiegel seit Jahren. Mit der Begründung, er sei nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt, werden oft Mieten über dem Oberwert mit Verweis auf Vergleichswohnungen verlangt. Doch die Gerichte machen dieses Spiel nicht mit. Zuletzt musste die Deutsche Wohnen auch vor dem Landgericht Berlin eine Schlappe hinnehmen.
Zunehmend hat der Konzern einen anderen Hebel gefunden, um die Mieteinnahmen zu steigern: energetische Sanierungen. Während an Instandhaltung und Bewirtschaftung gespart wird, dient die Modernisierung als probates Mittel zur Gewinnmaximierung, wie es ganz unverblümt im Geschäftsbericht 2015 heißt: „87 Prozent unseres Portfolios generiert signifikante Mieteinnahmen und Wertzuwachs ohne nennenswerte Investitionen.“ Bei den übrigen 13 Prozent könne man im Rahmen von Modernisierungen „bedeutende Wertpotenziale realisieren und damit eine hohe Rendite erwirtschaften.“ Um das Potenzial für höhere Mieteinnahmen zu heben, will man allein in Berlin über 200 Millionen Euro in Modernisierungen investieren. Ausdrücklich erwähnt wird im Geschäftsbericht neben der Springsiedlung die Otto-Suhr-Siedlung. Beide Siedlungen liegen in Kreuzberg, nur einen Steinwurf vom Potsdamer Platz entfernt. Dass hier laut Sozialstrukturatlas einige der ärmsten Menschen Berlins wohnen, dürfte die Aktionäre kaum interessieren.
Seitdem die Modernisierungspläne bekannt wurden, laufen die Mieter Sturm: „Wir waren ja mal Sozialer Wohnungsbau, hier wohnen immer noch viele Migrantenfamilien, Rentner und andere Leute mit kleinem Einkommen, einige sogar im Erstbezug“, erzählt ein Bewohner. Viele, so der Vertreter der Mieterinitiative, fühlten sich völlig hilflos und hätten große Angst, sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten zu können.
Rein rechtlich haben die Mieter kaum Chancen, sich gegen die geplante Fassadendämmung sowie neue Isolierglasfenster zur Wehr zu setzen. Deshalb setzen sie auf politischen Druck. So hat die Mieterinitiative Unterschriften gesammelt und sich an die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gewandt. Dort wurde ihr Unterstützung zugesichert.
Einstimmig wurde beschlossen zu prüfen, ob die energetischen Maßnahmen überhaupt zu einer Energieeinsparung führen. Bereits Ende 2016 hat das Bezirksamt für die Otto-Suhr-Siedlung einen Aufstellungsbeschluss für ein Milieuschutzgebiet gefasst. Das bedeutet, dass Modernisierungs- und Umbaumaßnahmen künftig durch das Bezirksamt genehmigt werden müssen. Für einen Teil der Mieter kommt das aber zu spät. Zudem ist es fraglich, ob sich der Bezirk am Ende durchsetzen kann. Es ist anzunehmen, dass sich der Immobiliengigant das nicht gefallen lässt und den Rechtsweg ausschöpft. Dennoch setzen die Mieter große Hoffnungen in die politische Rückendeckung durch den Bezirk.
Erst vernachlässigen, dann modernisieren
Auch anderswo machen Mieter mobil gegen überteuerte Modernisierungen durch die Deutsche Wohnen. Neuestes Beispiel: die ehemalige Eisenbahnersiedlung im Baumschulenweg in Treptow. Auch hier die gleiche Masche: Über Jahre wurde die Instandsetzung vernachlässigt, nun soll energetisch saniert werden – auf Kosten der Mieter. Ende Januar kamen die Modernisierungsankündigungen mit Preissteigerungen um bis zu 77 Prozent. „Dabei haben wir noch Glück, wegen des Denkmalschutzes ist keine Fassadendämmung erlaubt“, erklärt Michaela Pietrzik vom „Mieterprotest Baume“. „Die Mieterhöhungen stellen viele von uns vor existenzielle Probleme, und das nur, damit ein Börsenkonzern seine Gewinne vergrößern kann“, heißt es bei der Initiative.
Welchen Druck die Deutsche Wohnen aufbaut, zeigt ein Beispiel aus Zehlendorf. Auch hier kündigte das Unternehmen Ende Januar eine Modernisierung an. Innerhalb kürzester Zeit sollten die Mieter die Duldung erklären, für die Baufreiheit sollten sie selber sorgen. Die Bewohner, darunter viele ältere Menschen, waren fassungslos. Zu einer Mieterversammlung kamen 200 empörte Mieter.
Was tun also gegen ein privates Wohnungsunternehmen, das nur die Rendite im Auge hat? „Druck ist das einzige, das etwas bewegt“, sagt Melanie Dyck vom Bündnis Kotti & Co, wo man sich seit Jahren gegen überhöhte Betriebskosten und Preistreiberei zur Wehr setzt. Mit ihrer Forderung nach Rekommunalisierung der einst öffentlichen Wohnungen dürften die Initiativen zwar bei der neuen Senatorin offene Türen einrennen. Aber im Einzelfall ist das bezirkliche Vorkaufsrecht eben schwer durchzusetzen. So soll es sich beim jüngsten Zukauf dem Vernehmen nach um einen Share-Deal handeln. Das bedeutet, dass lediglich Unternehmensanteile an Immobilien den Unternehmer wechseln. Die öffentliche Hand hat somit keinen Zugriff.
Wie wenig sich Berlins größter Vermieter um seinen Ruf schert, zeigt ein Vorfall von Mitte Februar, als Vorstandsvorsitzender Michael Zahn nicht zu einer Anhörung im Bauausschuss des Abgeordnetenhauses erschienen ist. Die Abgeordneten hatten ihn geladen, um ihn zur Geschäftspolitik zu befragen, angefangen bei den Angriffen auf den Mietspiegel bis hin zur mangelhaften Instandsetzung. Dass Zahn lediglich seine Sprecherin schickte, wurde als klarer Affront gewertet.
Birgit Leiß
Lange Liste der Ärgernisse
Überteuerte Modernisierungen sind nicht das einzige Problem, mit dem die Deutsche Wohnen beim Berliner Mieterverein negativ auffällt. Ständige Heizungsausfälle, nicht funktionierende Fahrstühle und vermüllte Außenanlagen – die Liste der Ärgernisse ist lang. „Die Bereitschaft, Mängel zu beseitigen, ist nicht sehr hoch, und bei Reparaturen wird häufig nur Flickschusterei betrieben“, sagt Stefan Schetschorke, Leiter der Rechtsabteilung des Berliner Mietervereins (BMV). Auf dem Tisch der Rechtsberater landen zudem ständig Mieterhöhungsverlangen und überhöhte Nebenkosten, etwa durch überdimensionierte Wasserzähler oder auffällig hohe Versicherungskosten. Generell werden die Bestände häufig schlecht bewirtschaftet und unzureichend instandgehalten, was zu Schäden führt. Auf Schreiben und Einwände des BMV wird häufig nur äußerst zäh reagiert.
bl
Der Weg zum Immobiliengiganten
Die Deutsche Wohnen mit Sitz in Frankfurt/Main wurde 1998 als Tochtergesellschaft der Deutschen Bank AG gegründet. Den Grundstock bildete das Wohnimmobilienportfolio der Bank. Ein Jahr später erfolgte der Börsengang. Doch erst seit Aufhebung des sogenannten Beherrschungsvertrags mit der Deutschen Bank im Jahre 2006 ist die Deutsche Wohnen eine unabhängige börsennotierte Aktiengesellschaft. Die Bestände konzentrierten sich zunächst im Rhein-Main-Gebiet, erst ab 2007, mit der Übernahme der Berliner Gehag (Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft) trat man auf dem Berliner Markt in Erscheinung. Seitdem gehören denkmalgeschützte Siedlungen wie die Wohnstadt Carl Legien oder die Hufeisensiedlung zum Bestand. 2012 folgte dann die Übernahme der BauBeCon Gruppe mit circa 23.400 Wohneinheiten, vor allem in Niedersachen und Berlin. In einem umstrittenen Immobiliendeal wurde dann Ende 2013 das einstige kommunale Wohnungsunternehmen GSW geschluckt. Der Konzern bekam mit einem Schlag rund 58.000 Wohnungen dazu und avancierte mit rund 100.000 Wohnungen allein in Berlin zum größten Vermieter in der Hauptstadt.
bl
„Schwarzbuch Privatisierung“: Kein weiterer Verkauf städtischer Wohnungen
03.03.2018