In der Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung „Wem gehört die Stadt?“ blickt der Autor Christoph Trautvetter auf die Eigentumsverhältnisse der Immobilien in Deutschlands Hauptstadt. Klar wird daraus: Wohnraum trägt zur Umverteilung des Vermögens von unten nach oben bei, auch wegen des hohen Anteils von Finanzakteuren und professioneller Investoren am Wohnungsmarkt.
„Die Studie gibt bewusst nur allgemeine politische Empfehlungen, sie will vor allem den Immobilienbesitz offenlegen, um die Wohnraum-Debatte mit dem bestmöglichen Wissensstand zu führen“, sagt Autor Trautvetter. Wer tatsächlich was besitzt, lässt sich nicht lückenlos sagen. Die Unzugänglichkeit der Grundbücher und die Komplexität der Steuergesetze legen einen Nebel über Berlin, den die Studie lichten will. Trautvetter sichtete dafür akribisch alle verfügbaren Quellen und analysierte mehr als 100 der größten Immobilienfirmen.
So gehören überraschenderweise 40,1 Prozent der Wohnungen Multimillionären, aber Multimillionär ist man bei den aktuellen Immobilienpreisen schnell. Bei circa 5000 Euro pro Quadratmeter reichen fünf Wohnungen zum Millionär – wer ein Mehrparteien-Wohnhaus besitzt, ist es sowieso.
Zweite Erkenntnis: Berliner Immobilienpreise sind international betrachtet überteuert. Die Durchschnittsmiete von 924 Euro ist zwar die niedrigste – New Yorker und Londoner zahlen jeweils 2988 und 1939 Euro –, die Kaufpreise betragen aber das 52-fache der Jahresmiete. Damit toppt Berlin sogar das teure London – der Faktor dort liegt bei 50,3. Allerdings: Bei Kosten von 11.000 Euro pro Quadratmeter spielt London in einer anderen Liga.
Trautvetter benennt die Akteure am Immobilienmarkt: Fonds wie Phoenix-Spree, aber auch deutsche Familienstiftungen und Erben, wie die des Autors Harry Gerlach. Er gliedert die Eigentümer in sechs Kategorien und skizziert ihr Geschäftsgebaren.
Wer wieviel erwirtschaftet, verdeutlicht das Rendite-Ranking. Spitzenreiter ist die Deutsche Wohnen. Wer 2012 Aktien erwarb und sie 2019 verkaufte, erzielte eine Rendite von jährlich 21,6 Prozent für sein Geld. Wohnungsfirmen wie Akelius, Immobilienfonds wie Blackstone und ZBI liegen mit neun bis elf Prozent im Mittelfeld. Genossenschaften und städtische Gesellschaften erwirtschaften zwei bis vier Prozent.
Alle Player steigerten durch sinkende Zinsen ihre Überschüsse, aber: Börsenunternehmen schütten das Geld an ihre Anleger aus. Und die bauen keine Wohnungen – im Gegensatz zu Genossenschaften und städtischen Wohnungsunternehmen.
Berlin tappt im Dunkeln
Transparenz herzustellen, wem was gehört, sollte die Aufgabe der Stadt sein, meint Trautvetter, nicht die seine: „Ich würde mich freuen, wenn die Stadt mich mit einem ordentlichen Wohnungsregister arbeitslos macht.“ Doch Berlin tappt im Dunkeln, die Gesetze fördern Intransparenz.
Die Vermögensverhältnisse zeigen: Die Hälfte des Vermögens des Landes, 15 Billionen Euro, besteht aus Immobilien. Die untere Hälfte der Bevölkerung hat daran nur einen Anteil von 1,4 Prozent. Da die Mieten in den letzten zehn Jahren um 45 Prozent gestiegen sind, die Gehälter aber nur um ein Bruchteil dessen, sind Immobilien eine Umverteilungsmaschine von unten nach oben.
Adrian Garcia-Landa
Ein weiterer Beitrag zur Debatte
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist die Parteistiftung der „Linken“. Insofern ist ihre Studie als wissenschaftliche Stütze für die politische Agenda der Linken zu lesen. Allerdings: Die Rosa-Luxemburg-Stiftung greift derzeit als einzige der politischen Stiftungen das Thema Wohnen auf. Und leistet mit mittlerweile drei Studien einen wertvollen Beitrag zur Debatte.
agl
27.11.2020