Weil seine 140 Quadratmeter große Wohnung viel zu klein für ihn sei, meldete ein Eigentümer Eigenbedarf für ein komplettes Vierfamilienhaus im Bezirk Mitte an. Nun muss auch noch die letzte Mieterin eines Hauses in der Steinstraße ausziehen, um Platz zu machen – für Fitnessraum, Sauna, Bibliothek, Büro, Speisezimmer und anderen „dringenden Wohnbedarf“.
Vor Gericht räumte Dr. Dr. Rainer E. ganz offen ein, dass er das Haus 2007 gekauft habe, um es einmal ganz alleine zu bewohnen. Das Arbeitszimmer in seiner jetzigen Vierzimmerwohnung sei viel zu klein dimensioniert. Auch brauche er dringend mehr Regale für seine zahlreichen Bücher. Seine jetzige Wohnung habe nicht einmal Platz für ein Gästezimmer, Besucher müssten auf einem aufblasbaren Bett im Arbeitszimmer schlafen – „für alle Beteiligten unschön“, erklärte er. Als freier Autor und Kolumnist empfange er regelmäßig Kunden und brauche daher ein großes Büro. Zudem sei seine Familienplanung noch nicht abgeschlossen, so der 55-Jährige. Perspektivisch werde also eventuell ein Kinderzimmer notwendig.
Gegen alle vier Mietparteien hat Rainer E. daher Eigenbedarfskündigungen angestrengt. Mit einer davon einigte er sich außergerichtlich, gegen zwei weitere wurden Räumungsklagen angestrengt, die mit einem Vergleich endeten. Die vierte Mieterin, die seit 1999 im Haus lebt, wehrte sich. Im Juni 2017 hatte sie ihre erste Kündigung erhalten. Diese wurde vom Gericht zurückgewiesen, weil der 20-jährige Kündigungsausschluss des mit öffentlichen Mitteln sanierten Altbaus noch nicht abgelaufen war.
Die zweite Eigenbedarfskündigung schmetterte das Gericht ebenfalls ab. Ein derart überhöhter Wohnbedarf rechtfertige keine Kündigung. Der Eigentümer könne bereits über drei freie Wohnungen im Haus verfügen und brauche nicht die gesamten 240 Quadratmeter. Doch Rainer E., der beruflich über ethisch-moralische Alltagsfragen publiziert, ging in die Berufung.
„Das Landgericht hat von der ersten Minute an signalisiert, dass es einen Vergleich will“, sagt Ludwig Eben, der die Mieterin während des Gerichtsverfahrens unterstützte. Seine gesundheitlich angeschlagene ehemalige Lebensgefährtin habe keine Kraft mehr gehabt. Daher ließ sie sich Mitte Januar auf einen Vergleich ein. Gegen Zahlung einer Abfindung wird sie ausziehen.
Birgit Leiß
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28.03.2022