Leitsätze:
a) Die Möglichkeit einer (weiteren) Erhöhung der Miete auf Grundlage der umlegbaren Modernisierungskosten nach § 559 BGB [aF] ist einem Vermieter, der im Anschluss an die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme die Miete zunächst auf Grundlage der ortsüblichen Vergleichsmiete für den modernisierten Wohnraum nach §§ 558 ff. BGB erhöht hat, nicht verwehrt.
b) Allerdings ist in diesem Fall der – nachfolgend geltend gemachte – Modernisierungszuschlag der Höhe nach begrenzt auf die Differenz zwischen dem allein nach § 559 Abs. 1 BGB [aF] möglichen Erhöhungsbetrag und dem Betrag, um den die Miete bereits zuvor nach §§ 558 ff. BGB heraufgesetzt wurde, so dass die beiden Mieterhöhungen in der Summe den Betrag, den der Vermieter bei einer allein auf § 559 BGB [aF] gestützten Mieterhöhung verlangen könnte, nicht übersteigen.
BGH vom 16.12.2020 – VIII ZR 367/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 15 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Im Jahr 2010 wurde die in der Mietwohnung befindliche Toilette zu einem Bad ausgebaut.
Kurz nach Abschluss der Arbeiten forderte der Vermieter unter Bezugnahme auf sechs mit einem Bad ausgestattete Vergleichswohnungen gemäß § 558 BGB die Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete von 186,61 Euro um 37,32 Euro auf insgesamt 223,93 Euro ab dem 1. Januar 2011. Der Mieter stimmte zu.
Im August 2011 machte der Vermieter zusätzlich eine Modernisierungsmieterhöhung (§ 559 BGB) um 116,53 Euro monatlich ab dem 1. Mai 2012 geltend. Auf den Widerspruch des Mieters reduzierte er aber den Modernisierungszuschlag mit Schreiben vom 31. Mai 2012 um den bereits im Jahr 2010 vereinbarten Mieterhöhungsbetrag (37,32 Euro) auf 79,21 Euro. Diesen zuletzt verlangten Erhöhungsbetrag entrichtete der Mieter lediglich unter Vorbehalt. Im Jahr 2014 klagte der Mieter auf Rückzahlung der geleisteten Modernisierungszuschläge für Mai 2012 bis einschließlich Juli 2014 in Höhe von insgesamt 2138,67 Euro (27 x 79,21 Euro) nebst Zinsen sowie auf Feststellung, den Modernisierungszuschlag (von 79,21 Euro monatlich) nicht zu schulden.
Das Landgericht (in MM 7+8/2019, Seite 38) wies die Klage des Mieters insgesamt als unbegründet ab. Der BGH bestätigte nun das landgerichtliche Urteil und begründete wie folgt: An einer Mieterhöhung gemäß § 559 Abs. 1 BGB sei der Vermieter nicht etwa deshalb von vornherein gehindert, weil er zuvor, unmittelbar nach Abschluss der Modernisierungsarbeiten, bereits eine Erhöhung der Miete gemäß §§ 558 ff. BGB auf Grundlage der ortsüblichen Vergleichsmiete für den modernisierten Wohnraum durchgesetzt habe.
Nach dem Gesetz stehe es dem Vermieter frei, im Anschluss an die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme die Miete nach §§ 558 ff. BGB zu erhöhen, sich also die aufgrund des modernisierten Zustands gestiegene Vergleichsmiete zunutze zu machen, oder nach §§ 559 ff. BGB vorzugehen, mithin die aufgewendeten Modernisierungskosten auf den Mieter umzulegen. Wähle er den letzteren Weg und bleibe die auf diese Weise erhöhte Miete hinter der ortsüblichen Vergleichsmiete für entsprechend modernisierten Wohnraum zurück, sei es dem Vermieter unbenommen, anschließend die Zustimmung des Mieters zu einer weiteren Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB zu verlangen. Dass das Gesetz ein solches Vorgehen erlaubt, zeige sich nicht zuletzt an den Regelungen des § 558 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 BGB, wonach Mieterhöhungen nach § 559 BGB sowohl bei der Warte- und der Jahresfrist nach § 558 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB als auch bei der Berechnung der Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 BGB unberücksichtigt blieben.
In vorliegendem Fall verneine der Mieter die Zulässigkeit eines Vorgehens des Vermieters in umgekehrter Reihenfolge. Danach solle dem Vermieter die Möglichkeit einer (weiteren) Erhöhung der Miete auf Grundlage der umlegbaren Modernisierungskosten (nach § 559 BGB) versperrt sein, wenn er zuvor eine Erhöhung der Miete nach § 558 BGB unter Heranziehung der ortsüblichen Vergleichsmiete für den modernisierten Wohnraum durchgesetzt habe. Diese Meinung werde auch zuweilen in der Mietrechtsliteratur und von der Instanzenrechtsprechung vertreten. Zur Begründung werde ein „Verbot der kumulativen Mieterhöhung“ in Anspruch genommen.
Diese Rechtsansicht – so der BGH – sei aber unzutreffend. Ein entsprechender gesetzgeberischer Wille lasse sich der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHG) vom 18. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3603) nicht entnehmen. Insbesondere die dortige Formulierung, der Vermieter solle nach § 3 MHG (heute § 559 BGB) Modernisierungskosten „anstelle einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete […] auch geltend machen können […], wenn dadurch der Mietzins über die ortsübliche Vergleichsmiete steigt“ lasse nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber zwei sich wechselseitig gänzlich ausschließende Möglichkeiten zu einer modernisierungsbedingten Mieterhöhung schaffen wollte.
Ebenso wenig erforderten schützenswerte Belange des Mieters eine umfassende Sperrwirkung der erfolgreich – auf der Grundlage des modernisierten Wohnungszustands – durchgesetzten Vergleichsmietenerhöhung gegenüber einer weiteren Mieterhöhung nach § 559 BGB.
Vor einer ungerechtfertigten „doppelten“ Belastung mit Mieterhöhungen im Zusammenhang mit der Durchführung einer Modernisierung werde der Mieter in diesen Fällen nämlich ausreichend geschützt, wenn der nachfolgend vom Vermieter geltend gemachte – nach § 559 BGB für sich betrachtet zulässige – Modernisierungszuschlag um den bereits nach § 558 BGB unter Zugrundelegung des modernisierten Wohnungszustands erzielten Erhöhungsbetrag gekürzt werde.
Allein der Umstand, dass eine wirksame Mieterhöhung nach § 558 BGB – anders als eine solche nach § 559 BGB – die Zustimmung des Mieters voraussetzt, rechtfertige es nicht, dem Vermieter eine schrittweise Mieterhöhung in dieser Reihenfolge zu verwehren. Das wäre schon deshalb nicht interessengerecht, weil ein solches Vorgehen des Vermieters durch Umstände veranlasst sein könne, die ihm nicht anzulasten seien, namentlich darauf beruhen könne, dass die notwendigen Voraussetzungen für die Erklärung einer Modernisierungsmieterhöhung, insbesondere die vollständige und nach Überprüfung für richtig befundene Abrechnung der durchgeführten Arbeiten durch die betreffenden Bauunternehmer, anfangs – zeitnah nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen – noch nicht vorliegen. Da der Mieter aber bereits ab Fertigstellung der Baumaßnahmen von der bewirkten Modernisierung profitiere, entspreche eine zeitnahe Mieterhöhung den beiderseitigen Interessen.
Auch mit Blick auf das dem Mieter zustehende Sonderkündigungsrecht nach § 561 BGB entstünden diesem durch die – noch in Unkenntnis der späteren Mieterhöhung nach § 559 BGB – erteilte Zustimmung zu der ersten Mieterhöhung nach § 558 BGB keine endgültigen Nachteile. Denn das Recht zur Sonderkündigung stehe dem Mieter nach § 561 BGB im Zusammenhang mit der zweiten Mieterhöhung erneut zu.
Letztlich könne in der zwischen den Parteien nach §§ 558 ff. BGB getroffenen Mieterhöhungsvereinbarung (über einen Erhöhungsbetrag von 37,32 Euro) auch nicht etwa ein stillschweigender Erlassvertrag erblickt werden, mit dem der Vermieter auf die spätere Geltendmachung eines Modernisierungszuschlags nach § 559 BGB verzichtet hätte.
27.03.2021