Leitsatz:
Es ist zweifelhaft, ob ein hydraulischer Abgleich, zu dem auch die Erneuerung der Thermostatventile gehört, um die neuen voreinstellen zu können, für sich genommen eine energetische Modernisierung darstellt.
AG Charlottenburg vom 20.8.2020 – 218 C 135/20 –
Mitgeteilt von RA Cornelius Krakau
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es sei dem Gericht bekannt, dass der hydraulische Abgleich dazu diene, alle Heizkörper gleichmäßig mit Wärme zu versorgen. In der Regel werde der kostenintensive Abgleich dann vorgenommen, wenn es Beschwerden der Bewohner gibt, bei ihnen würde zu viel oder zu wenig Wärme ankommen. Ohne Abgleich würden vor allem die weiter von der eigentlichen Heizanlage (hier der Fernwärmeübergabestation) entfernt gelegenen Heizkörper auch bei witterungsangemessener Heizleistung nicht hinreichend warm.
Deshalb spreche bei größeren Gesamtobjekten mit einer zentralen Heizanlage, die bisher ohne hydraulischen Abgleich betrieben wurde, einiges dafür, dass es sich um eine Mangelbeseitigung handele. Und soweit es keine Rügen über zu wenig Heizleistung am Ende der Stränge gegeben haben sollte, wäre die Heizung unwirtschaftlich betrieben worden, nämlich mit unnötig großer Leistung. Das – so das Gericht weiter – interessiere manche Vermieter wenig, denn bezahlt werde der unnötige Verbrauch von den Mietern. Ein Mangel sei es trotzdem.
Urteilstext
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495 ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage auf- nach Teilklagerücknahme – noch 534,37 € ist nicht begründet.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf 330,60 € aus §§ 535, 559 BGB in Höhe von 29 x 11,40 € betreffend die Zeit von April 2017 bis August 2019. Denn sie hat die vereinbarte Miete für die von der Beklagten genutzte Wohnung im Hause W.-Straße xx nicht wirksam erhöht.
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass das Mieterhöhungsschreiben vom 19.01.2017 formell ordnungsgemäß ist. Die Klägerin hat jedoch nicht dargetan, dass diesem Schreiben im notwendigen Umfang Modernisierungen im Sinne von § 555b BGB zugrunde lagen.
a) Mit knapp 280.000 € sind doch erhebliche Kosten für das Gesamtobjekt angefallen, wobei die eigentliche „Heizung“, d.h. die Fernwärmeübergabestation, wohl unverändert geblieben ist. Laut Anlage A wurden die „vorhandene Regelung“ ersetzt, hocheffiziente Umwälzpumpen eingebaut, die vorhandenen Thermostatventile durch voreinstellbare Ventile ersetzt und der hydraulische Abgleich vorgenommen. Ob es sich einzeln oder insgesamt um eine energetische Modernisierung im Sinne § 555b Nr. 1 BGB handelt, ist nicht hinreichend dargetan.
Die bauliche Veränderung, die für eine Modernisierung erforderlich ist, ist grundsätzlich nach dem gegenwärtigen (d.h. vor der Baumaßnahme) Zustand zu beurteilen (Palandt-Weidenkaff BGB 79. Aufl. § 555 BGB Rn. 2). Erforderlich wäre, dass jedenfalls dem Gericht der Vergleich zwischen Alt- und Neuzustand ermöglicht wird, sodass unter Hinzuziehung von Sachverständigen die behauptete Energieeinsparung überprüft werden kann. Die Klägerin teilt weder den Alt-, noch den Neuzustand hinreichend konkret mit.
Soweit im Schriftsatz vom 22.04.2020 von „Erneuerung der Heizungsanlage“ die Rede ist, handelt es sich wohl um die unverstandene Wiedergabe des Mieterhöhungsschreibens nebst Anlagen. Dort ist jedoch von „Erneuerung der Heizungsanlage“ nirgends die Rede. In Anlage A zum Mieterhöhungsschreiben heißt es: „Umbau der Fernwärmestation“. Unstreitig ist die vorhandene Regelung der Fernwärmestation demontiert und durch eine leistungsanpassende und außentemperaturgeführte Regelung ausgetauscht worden. Insoweit fehlt es sowohl an Angaben zur alten Regelung, die laut Angebot der Vonovia vom 18.04.2016 ebenfalls witterungsgeführt war und entsprechende Fühler hatte, als auch zur neuen Regelung, von der es nur heißt, sie sei leistungsanpassend und außentemperaturgeführt. Konkretere Angaben, welche Geräte mit welchen Verbrauchs- und Leistungsdaten aktuell vorhanden sind und welche vorher installiert waren, gibt es nicht. Auf dieser Basis kann auch ein Sachverständiger keine Feststellungen treffen, ob die Umbauarbeiten zu einer Modernisierung führten oder nicht.
Ähnliches gilt für die „hocheffizienten Umwälzpumpen“. Es bleibt unklar, ob es in der doch größeren Gesamtanlage bisher Pumpen gab, und wenn ja, welche Leistungs- und Verbrauchsparameter die alten hatten. Selbst für die neuen Pumpen fehlt es an konkreten Angaben. Es ist nicht Aufgabe eines Sachverständigen, derartiges im Hause zu ermitteln.
Ob der hydraulische Abgleich, zu dem auch die Erneuerung der Thermostatventile gehört, um die neuen voreinstellen zu können, für sich genommen eine energetische Modernisierung darstellt, ist ebenfalls zweifelhaft. Gerichtsbekannt ist, dass der hydraulische Abgleich dazu dient, alle Heizkörper gleichmäßig mit Wärme zu versorgen. In der Regel wird der kostenintensive Abgleich dann vorgenommen, wenn es Beschwerden der Bewohner gibt, bei Ihnen würde zu viel oder zu wenig Wärme ankommen. Ohne Abgleich werden vor allem die weiter von der eigentlichen Heizanlage (hier der Fernwärmeübergabestation) entfernt gelegenen Heizkörper auch bei witterungsangemessener Heizleistung nicht hinreichend warm. Deshalb spricht bei größeren Gesamtobjekten mit einer zentralen Heizanlage, die bisher ohne hydraulischen Abgleich betrieben wurde, einiges dafür, dass es sich um eine Mangelbeseitigung handelt. Und soweit es keine Rügen über zu wenig Heizleistung am Ende der Stränge gegeben haben sollte, wäre die Heizung unwirtschaftlich betrieben worden, nämlich mit unnötig großer Leistung. Das interessiert manche Vermieter wenig, bezahlt wird der unnötige Verbrauch von den Mietern. Ein Mangel ist es trotzdem.
Auch die – nicht nachvollziehbare – Berechnung der Energieeinsparung durch den Architekten G. lässt auf Instandsetzung schließen. Auch sie ist letztlich nicht nachvollziehbar, da nur Ergebnisse mitgeteilt werden, nicht aber, auf welchen Fakten sie beruhen. Eine End-Energieeinsparung von gut 3 % führt nach dieser „Berechnung“ vom 15.11.2016 (!) zu einer rechnerischen Heizkosteneinsparung von 0,051 € pro Quadratmeter und Monat, die der Mieter durch zusätzliche Kosten von knapp 0,20 € pro Monat und Quadratmeter „erkaufen“ soll.
Aber selbst wenn der hydraulische Abgleich vorliegend eine energetische Modernisierung darstellte, wäre dem Gericht eine Bestimmung der Teil-Mieterhöhung unmöglich, da die Klägerin die Kosten der Modernisierungsmaßnahmen nicht aufgeschlüsselt hat. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass eine Aufschlüsselung von Kosten nach Gewerken für die formelle Wirksamkeit der Mieterhöhung nicht erforderlich ist. Wenn aber erhebliche Teile der angefallenen Kosten für Maßnahmen aufgewendet wurden, bei den unklar geblieben ist, ob es sich um energetische Modernisierungen handelte, dann ist eben auch der andere Teil der Kosten nicht substantiiert und kann mangels jeglicher Angaben auch durch Schätzung nach § 287 ZPO nicht festgelegt werden.
Das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg, Aktenzeichen 7 C 227/19, betrifft nicht die streitgegenständliche Wohnung oder auch nur die Wohnanlage. Zudem war nach dem dortigen Tatbestand ein Gasbrennwertkessel eingebaut worden und nicht – wie hier – die Regelung einer schon vorhandenen Fernwärmestation erneuert worden.
Richtig ist, dass es bei einer Modernisierung nicht auf den Umfang einer Energieeinsparung ankommt, sondern nur auf deren Messbarkeit und Nachhaltigkeit. Das Gericht hat schon Zweifel ob 3 %, wenn denn die Angabe hinreichend substantiiert und damit beweisbar wäre, bereits im Rahmen der Messbarkeit läge oder nicht doch eher unter Fehlertoleranz und Wetterabhängigkeit fiele. Letztlich kommt es darauf vorliegend nicht an, weil die behauptete Energieeinsparung – wie oben dargelegt – dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich ist.
2. Hinsichtlich der Nebenkostenerhöhung um 6,- € d. h. insgesamt 66,- € ist die Klage zurückgenommen worden.
3. Soweit die Klägerin von der Beklagten weitere 105,23 € für September 2018 verlangt, ist die Klage ebenfalls unbegründet, weil die Beklagte erfolgreich die Aufrechnung erklärt hat mit einer Gegenforderung aus der Abrechnung 2017. Denn die Forderung aus der Abrechnung 2017 ist hinsichtlich der Hausmeisterkosten nicht bewiesen.
Das Gericht verkennt nicht, dass die Klägerin nun den „detaillierten Tätigkeitsnachweis“ für 2017, den Geschäftsbesorgungsvertrag nebst 2 Anlagen und die 12 Rechnungen für „umlegbare Hausmeister Dienstleistungen“ zur Akte gereicht hat. Es ist jedoch auch danach unklar geblieben, welche Leistungen tatsächlich abgerechnet worden sind und ob diese mit der Vonovia oder eventuell mit Dritten vereinbart waren. Immerhin wurden Winterdienst, Hausreinigung, Außenanlagen und private Straßenreinigung gesondert in der Betriebskostenabrechnung umgelegt.
Den Rechnungen ist nämlich nicht zu entnehmen, für welche konkreten Leistungen·welcher Betrag abgerechnet wurde. Denn bei den 15 Positionen werden ausschließlich „Hausmeisterleistungen allgemein gemäß Leistungsverzeichnis“ in Rechnung gestellt. Lediglich die Anzahl und der jeweilige Einzelpreis unterscheiden sich von Position zu Position. Welche konkrete Leistung hinter den einzelnen Positionen steckt, lässt sich auch dem Leistungsverzeichnis nicht entnehmen. Das Gericht vermutet, dass die nur teilweise lesbaren Tabellen das Leistungsverzeichnis darstellen sollen. Probleme ergeben sich bereits, weil der Text der eigentlichen Leistung vorn abgeschnitten ist. Nicht nachvollziehbar ist die Häufigkeit der zu erbringenden Leistung. Unter „Rhythmuseinheit“ tauchen die Buchstaben J (= Jahr?), W (=Woche?) und M (=Monat?) auf. Das passt aber nicht mit der „Anzahl der Durchgänge pro Jahr“ zusammen. So gibt es bei der 1. Rhythmuseinheit „J“ beispielsweise 26 Durchgänge pro Jahr, später 12 Durchgänge und nochmals später 2 Durchgänge pro Jahr. Sonstige Erläuterungen, was die 3 Buchstaben J, M und bedeuten, gibt es nicht.
Abgesehen davon sind die einzelnen Positionen der Rechnung auch keiner der vielen Positionen des Leistungsverzeichnisses zuzuordnen. Denn es gibt weder eine einheitliche Nummerierung noch befinden sich Preisangaben, die Rückschlüsse erlauben könnten, im Leistungsverzeichnis. Nichts anderes gilt unter Berücksichtigung des Tätigkeitsnachweises. Denn dieser sagt nichts über vereinbarte Preise aus, noch lassen sich die Einzelpositionen der Rechnungen den aufgeführten Tätigkeiten zuordnen.
Das Gericht kann nicht ausschließen, dass die Rechnungen inhaltlich richtig sind. Nachvollzieh bar sind sie aber nicht.
4. Ansprüche auf Erstattung von Mahn- und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280, 286 BGB sind mangels begründeter Hauptforderung nicht gegeben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
6. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil es sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung handelt, die weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordern würde, § 511 Abs. 4 ZPO. Insbesondere liegt keine Abweichung von der BGH-Rechtsprechung vor.
20.04.2021