Die 400 Delegierten mussten keine Fahrkarte nach Koblenz lösen, sondern loggten sich auf ihren Rechnern ein. Wegen der Corona-Beschränkungen fand der 69. Mietertag des Deutschen Mieterbundes (DMB) am 10. und 11. Juni am heimischen Computer statt. Das Experiment gelang – und dank der Podiumsgäste aus der CDU, SPD, den Grünen und Linken wehte sogar eine frische Brise Wahlkampf durch den virtuellen Raum.
Olaf Scholz, Robert Habeck und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hatten ihre Reden gehalten, dann stiegen die Fachpolitiker in den Ring. „Wir bauen hier wie die Blöden, und trotzdem gehen die Preise durch die Decke“, brachte Chris Kühn (Grüne) die Situation in seinem Wahlkreis Tübingen auf den Punkt, exemplarisch für andere angespannte Wohnungsmärkte.
Lösungen seien mit der CDU-Fraktion nicht in Sicht, die Christdemokraten seien zur wohnungspolitischen „Neinsager-Partei“ geworden. Deren Experte Karsten Möring gab sich sachlich, blieb aber vage. Immerhin: Schuld seien neben den ausgelasteten Kapazitäten der Bauwirtschaft und den hohen Neubaukosten auch die weiter steigenden Bodenpreise. Mietrechtliche Defizite erkannte er nur bei der Eigenbedarfskündigung, die zu viele Schlupflöcher lasse.
Sein Kollege Bernhard Daldrup (SPD) ließ es ihm durchgehen: Die Koalition habe das Mieten-Thema „nach oben gebracht“ und die Mietpreisbremse „scharfgestellt“. Seine Partei empfahl er den Delegierten mit einem Plädoyer für gemeinnützigen Wohnungsbau und, wie zuvor Olaf Scholz, mit der Bemerkung, ein temporärer Mietenstopp für angespannte Märkte sei richtig – wie es Grüne und Linke auch fordern. Das kam gut an, hatte doch DMB-Präsident Lukas Siebenkotten in seiner Eröffnungsrede an die Politiker appelliert, im Bund einen sechsjährigen Mietenstopp einzuführen.
Einen Schritt weiter ging Linke-Politikerin Caren Lay, die anregte, das gesamte Mietspiegel-System zu überdenken. Zudem forderte sie deutlich mehr Geld für den Sozialen Wohnungsbau.
Konsensfähig schien in der Runde, ein Ministerium für Bauen, Wohnen und Infrastruktur zu schaffen. Beim Klimaschutz war dagegen Streit vorprogrammiert. SPD-Mann Daldrup empörte sich über die Weigerung der CDU, die Kosten der CO2-Bepreisung zwischen Vermietern und Mietern zumindest zu teilen. CDU-Kontrahent Möring hielt dagegen, die Kostentragung müsse sich nach dem Wohnungszustand richten.
Zu entscheiden war auf dem Deutschen Mietertag über rund 70 Anträge zu Mietrecht, Wohnungspolitik und DMB-Organisation. Der vielleicht wichtigste Beschluss: die Forderung nach einem bundesweiten, sechsjährigen Mietenstopp.
Sebastian Bartels
16.12.2023