Leitsätze:
1. Eine Aktiengesellschaft kann sich nicht nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines ihrer Vorstände oder eines Angehörigen ihrer Vorstände berufen.
2. Überträgt eine Aktiengesellschaft zur Umgehung dieser Einschränkung des Kündigungsrechts wegen Eigenbedarfs einen geringfügigen Miteigentumsanteil (hier: 5/100) im Wege der Schenkung auf die Tochter eines Vorstands und kündigt sodann die aus der Kapitalgesellschaft und dieser natürlichen Person bestehende Vermietergemeinschaft wegen Eigenbedarfs, so kann hierin eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Kündigungsvorschriften liegen, die zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 242 BGB führt.
BGH vom 30.3.2021 – VIII ZR 221/19 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 6 Seiten]
Die vom Mieter im Jahre 2004 angemietete Wohnung wurde 2015 von einer Aktiengesellschaft (AG) erworben. Kurz danach kündigte die AG mit der Begründung, dass ein Vorstandsmitglied in die Wohnung einziehen wolle. Die hierauf gestützte Räumungsklage wurde – wegen der im Prozess sich zeigenden offensichtlichen Erfolglosigkeit – zurückgenommen.
Daraufhin übertrug die AG einen 5/100 Miteigentumsanteil an der Wohnung schenkweise der damals gerade volljährig gewordenen Tochter eines der Vorstände und Mehrheitsgesellschafters der AG.
Nach Eintragung des Bruchteilseigentums der Tochter im Grundbuch erklärten die AG und die Tochter als nunmehrige Vermietermehrheit im Juli 2019 die Kündigung wegen Eigenbedarfs der Tochter.
Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hatte darauf abgestellt, dass die Eigenbedarfskündigung unter Würdigung der Gesamtumstände rechtsmissbräuchlich sei, weil die AG als juristische Person keinen Eigenbedarf geltend machen könne und dies durch die schenkweise Übertragung eines völlig unbedeutenden Miteigentumsanteils an die Tochter eines Vorstandes lediglich umgangen werden sollte.
Der BGH hatte an dieser Wertung des Berufungsgerichts nichts auszusetzen.
27.03.2022