Pressemitteilung Nr. 46/2021
Beim Schlagabtausch der Berliner Spitzenkandidatinnen und -kandidaten für die Abgeordnetenhauswahlen unter dem Titel „Was tun gegen den Mietenwahnsinn?“ am 14.9.2021 prallten die unterschiedlichen Lösungsansätze für die Wohnungskrise heftig aufeinander. Einigkeit schien zwischen Bettina Jarasch (Bündnis90/Grüne), Franziska Giffey (SPD), Klaus Lederer (DIE LINKE), Burkard Dregger (CDU) und Sebastian Czaja (FDP) nur in dem Ziel zu herrschen, Mieterinnen und Mieter im Bestand zu schützen. Die Wege dorthin könnten jedoch unterschiedlicher nicht sein.
Wenig überraschend: CDU-Fraktionsvorsitzender Dregger und FDP-Spitzenkandidat Czaja postulierten übereinstimmend ihr Mantra „Bauen, bauen, bauen“ und setzten beim sozialen Mieterinnenschutz allein auf Subjektförderung – wie beispielsweise auf das im CDU-Programm verankerte Mietergeld. SPD-Spitzenkandidatin Giffey stimmte in diesen Kanon ein und vertrat in nahezu allen Antworten die Programmatik der wirtschaftsnahen Parteien. Zum Mieterinnenschutz fiel ihr vor allem eine Ausweitung der kostenlosen Mieterberatung ein – wenig innovativ, auch angesichts der Tatsache, dass diese bereits unter der rot-rot-grünen Landesregierung in dieser Legislatur ausgebaut worden war.
Bemerkenswert immerhin: Alle anwesenden Parteienvertreterinnen und -vertreter kündigten an, Mieterinneninitiativen in der zukünftigen Legislaturperiode stärker einbeziehen zu wollen. Ebenfalls erstaunlich für das anwesende Publikum war die Aussage von Sebastian Czaja, Milieuschutzgebiete abschaffen zu wollen. Ältere Menschen würden verdrängt, aufgrund mangelnder Barrierefreiheit in diesen Wohngebieten, so Czaja. So würden Aufzüge oft nicht genehmigt. Der BMV ist alarmiert. Sebastian Bartels, stellvertretender Geschäftsführer: „Czaja verschweigt, dass die Bezirke hier ein Ermessen haben und nur bestimmte, unpraktikable und besonders teure Ausführungen tabu sind.“ Weitere Fragen wie zum Beispiel nach der geplanten Abschaffung des Berliner Bodenfonds blieben durch die FDP weitgehend unbeantwortet. Die Verantwortung für leistbaren Wohnraum liege allein bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Mit einem Baulückenkataster wolle man die LWU in die Pflicht nehmen, mehr und schneller preisgünstige Wohnungen zu errichten. Eine Reform des Sozialen Wohnungsbaus thematisierte Bettina Jarasch, die hier allein eine bereinigte Kostenmiete als Mietbegrenzung zu Grunde legen will.
Große Sorge machte sich breit unter anwesenden Mieterbeiräten um die Wohnraumversorgung Berlin sowie in puncto Mieterinnenmitbestimmung bei den LWU. „Warum daran festhalten, wenn hinten nichts rauskommt“, gab Dregger zum Besten in Bezug auf die Anstalt öffentlichen Rechts. Die Novelle des Wohnraumversorgungsgesetzes wiederum war in dieser Legislatur laut Aussagen der Mieterbeiräte vor allem an der SPD gescheitert. Frau Giffey sicherte zu, dass die Novelle in der kommenden Legislatur wieder aufgenommen wird. Bei der gesetzlichen Verankerung der Mieterinnenmitbestimmung über die Mieterbeiräte komme es aber auf die Praktikabilität für die Unternehmen an. Für die Anwesenden kommt dies einer Absage an die Mieterbeiräte und ihre gesetzlich gesicherte Stellung gleich.
Die anstehende Abstimmung über die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen nahm einen breiten Raum ein. Einig scheinen sich alle darin zu sein, dass ein erfolgreicher Volksentscheid respektiert werden müsse. SPD, CDU und FDP gaben sich aber überzeugt, dass ein Vergesellschaftungsgesetz sowohl juristisch als auch ökonomisch scheitern werde. Deutlich wurde: Linke und Grüne unterstützen den Volksentscheid, Bettina Jarasch sieht diesen zudem als strategisches Instrument, die Wohnungswirtschaft zugunsten einer sozialen Bewirtschaftung einzufangen.
Die zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauer der Veranstaltung erfuhren aufs Neue: Ein Mietenstopp auf Bundesebene, der auch Berliner Mieterinnen und Mietern zugutekommen würde, wird mit der CDU und FDP nicht zu machen sein, eigentümlicherweise trat auch Frau Giffey hier nicht überzeugend auf. Deren Strategie läuft darauf hinaus: Der Markt wird es durch Neubau schon richten. Dass dieser Weg noch nie funktioniert hat, sondern einzig dazu beiträgt, die Angebotsauswahl für Besserverdienende und die Immobilienvermögen der reichsten 20 % in der Bevölkerung zu erhöhen, stört sie nicht. Allein durch die nicht funktionierende Mietpreisbremse verliert Berlin pro Jahr bei Wiedervermietung rund 60.000 bis 80.000 einigermaßen preisgünstige Wohneinheiten. Der Berliner Mieterverein ist überzeugt: Es ist ein Irrglaube, diesen Wegfall durch Neubau kompensieren zu können. Schon deshalb ist es unerlässlich, weiter für eine wirksame Mietenregulierung zu streiten und Neubau konsequenter auf die Errichtung von Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung auszurichten. Dazu der stellvertretende BMV-Geschäftsführer Bartels: „Warum die SPD den Kuschelkurs ihrer Spitzenkandidatin mit den konservativen und restaurativen Rezepten der Wohnungspolitik unterstützt und sich damit von der bisherigen Regierungsstrategie abwendet, bleibt unergründlich.“ Eines ist gewiss: Die gestrige Veranstaltung hat erneut gezeigt, dass die Initiativen inzwischen gut vernetzt und organisiert sind. Ganz egal, welche Regierungskoalition nach dem 26.9.2021 die Geschicke der Mieterinnenstadt bestimmen wird: Mieterinnen und Mieter werden mitmischen!
17.09.2021