Abstand zahlen – weiß eigentlich noch jemand, was das war? Eine Unsitte im alten West-Berlin, aber gang und gäbe, als ich vor über 40 Jahren in die ummauerte Stadt kam. Bis dahin hatte ich in Frankfurt Soziologie studiert, mit Schwerpunkt Stadt- und Regionalplanung. Das wollte ich noch einmal aus einem anderen Blickwinkel – und den bekam ich dann auch: Als ich endlich eine Wohnung gefunden hatte, verlangte der Makler von mir an die 3000 DM. Kein Abstand, keine Wohnung. Ich habe es irgendwie zusammengekratzt, mich dann aber an den Berliner Mieterverein gewendet. Es nutzte nichts, der Makler meldete kurzerhand Insolvenz an, und mein Geld war weg.
Aber dem BMV und seinem Kampf um soziale Gerechtigkeit bin ich treu geblieben. Damals schloss ich mich der Aktivengruppe des Mietervereins in Neukölln an und wurde schon drei Jahre später Bezirksleiter.
Wenn ich es mir recht überlege: Viele der Probleme, über die wir stritten, stehen jetzt wieder zur Debatte. Und wie damals gibt es auch heute keine einfachen Lösungen. Nehmen wir nur die Anpassungen an den Klimawandel, die sozial gestaltet werden müssen, damit den Leuten die Kosten nicht um die Ohren fliegen. Neukölln steht bei energetischen Modernisierungen in Milieuschutzgebieten eher auf der Bremse, weil alteingesessene Mieterinnen und Mieter nicht verdrängt werden sollen. Dafür gibt es aber heftige Kritik von Klimaaktivisten.
Über vier Jahrzehnte Arbeit im Mieterschutz und in verschiedenen Gremien und Initiativen des Bezirks haben mich gelehrt: Mit einem langen Atem lässt sich viel erreichen. Dass heute praktisch der gesamte Norden Neuköllns unter Milieuschutz steht, können Mieterinitiativen als großen Erfolg verbuchen. Wenn ich es aber bis jetzt nicht geschafft habe, den Staffelstab als Bezirksleiter weiterzugeben, zeigt das auch: Aktionsformen müssen sich verändern. Die Jüngeren sind ja nicht weniger aktiv, aber sie vernetzen sich anders und engagieren sich projektbezogener. Auch wenn die Probleme heute ganz ähnliche sind – die Jüngeren werden sie anders angehen als wir.
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28.03.2022