Der Berliner Gasanbieter Gasag zieht die Preise in der Grundversorgung erneut kräftig an – zum zweiten Mal in diesem Jahr. Gleichzeitig werden keine Verträge mehr an Neukunden vergeben. Viele andere Versorger verhalten sich genauso.
Mit 800.000 zufriedenen Kunden und 175 Jahren Erfahrung wirbt die Gasag auf ihrer Website. Viele Kunden des „Berliner Traditionsunternehmens“ werden bald weniger zufrieden sein, denn so teuer war es noch nie: Zum 1. Mai hebt der Gasversorger die Kilowatt-Preise in der Grundversorgung um satte 29 Prozent an: 10,92 Cent statt bisher 8,46 Cent. Bereits im Januar dieses Jahres hatte die Gasag die Preise um 16 Prozent angehoben. Die Preisspitze wird mit den stark gestiegenen Preisen auf dem Terminmarkt begründet, an dem „langfristig die erforderlichen Gas-Mengen gesichert“ werden mussten.
Der Gasanbieter führt nach eigenen Angaben ab Mai den im Dezember 2021 eingeführten Grundversorgungstarif für Neukunden mit dem für Bestandskunden zusammen. Der um den Jahreswechsel eingeführte Grundversorgungstarif ist extrem teuer. Hintergrund waren die Pleiten zahlreicher Billig-Gasanbieter, weswegen bundesweit Zehntausende Kunden in der Ersatzversorgung landeten. Wer diese drei Monate lang nicht kündigt, fällt automatisch in die teure Grundversorgung. Das Problem: Günstige Tarife zu finden, ist angesichts der Marktlage momentan schwierig bis unmöglich.
Mitunter hat man gar keine Möglichkeit, an einen neuen Tarifvertrag zu kommen. So bietet die Gasag aktuell keine Neukundenverträge mehr an. „Aufgrund der aktuellen Marktsituation und der steigenden Beschaffungspreise, verstärkt durch den Ukraine-Konflikt, ist es uns aktuell nicht möglich, Ihnen Angebote mit fairen Konditionen zu unterbreiten“, heißt es dazu auf der Unternehmens-Website. Die Versorgung der Bestandskunden sei aber ebenso gesichert wie die Grund- und Ersatzversorgung.
Bundesweit ist das kein Einzelfall: „Auch wir beobachten aktuell, dass sich Anbieter mit Neukundenangeboten zurückziehen“, sagte ein Sprecher des Vergleichsportals Verivox der Nachrichtenagentur dpa. Es sei zu beobachten, dass die allermeisten Gasunternehmen die Preise anheben, so Verivox weiter. Demnach hätten seit Jahresbeginn bereits 900 Gas-Grundversorger die Preise erhöht oder angekündigt, dies zu tun – um durchschnittlich 31 Prozent. Eine Familie mit einem Gasverbrauch von jährlich 20.000 Kilowattstunden hat dadurch rund 500 Euro an Mehrkosten.
Niemand weiß, wie lange noch Gas aus Russland kommt
Die Verivox-Experten rechnen in nächster Zeit mit keiner Entspannung am Gasmarkt. „Mittel- bis langfristig werden die überschießenden Preise im Großhandel vermutlich wieder deutlich abebben“, so das Unternehmen. An den Kosten für die Verbraucher wird das nicht allzu viel ändern: Die CO2-Abgabe, die die Bundesregierung in ihrem Klimapaket beschlossen hat, steigt alljährlich an. Zudem weiß niemand, wie lange noch Erdgas aus Russland fließt. Bundeskanzler Olaf Scholz möchte „Alternativen zur russischen Energie entwickeln“, die Erneuerbaren also weiter ausbauen. Doch dies wird noch einige Zeit dauern. Aktuell rechnen Experten mit keinen Einschränkungen bei der Energieversorgung, doch im nächsten Winter könnte es zu Engpässen kommen.
Katharina Buri
Aus Gas wird (auch) Strom
Rund die Hälfte der Deutschen heizt mit Erdgas. Der fossile Brennstoff wärmt aber nicht nur Wohnungen, sondern kommt auch in der chemischen Industrie und als Treibstoff zum Einsatz. Außerdem wird Erdgas zu Strom verarbeitet – in Gasturbinenkraftwerken, Dampfkraftwerken oder kombinierten GuD-Kraftwerken (Gas und Dampf) mit hohem Wirkungsgrad. Während Erdgas im dritten Quartal 2020 noch einen Anteil von 14,4 Prozent an der gesamtdeutschen Stromeinspeisung hatte, waren es im Vergleichszeitraum 2021 nur noch 8,7 Prozent. Das Statistische Bundesamt, das die Zahlen erhoben hat, sieht den Grund auch hierfür in den steigenden Preisen.
kb
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28.03.2022