Leitsatz:
Bei einem schriftlichen Wohnraummietvertrag und einem separat hiervon abgeschlossenen Mietvertrag über eine Garage oder einen Stellplatz spricht eine tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbstständigkeit beider Vereinbarungen. Es bedarf dann der Widerlegung dieser Vermutung durch besondere Umstände des Einzelfalls, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Mietverhältnisse über die Wohnung und die Garage oder den Stellplatz nach dem Willen der Beteiligten eine rechtliche Einheit bilden sollen.
BGH vom 14.12.2021 – VIII ZR 94/20 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 10 Seiten]
Der Streit ging um die Wirksamkeit der Kündigung eines Mietvertrags über einen Kraftfahrzeugstellplatz.
Die Mieterin mietete im April 1995 eine in einem Mehrfamilienhaus gelegene Wohnung in Berlin. Im Vertrag war unter anderem folgendes geregelt: „Dem Mieter ist die Benutzung des Parkplatzes zum Abstellen eines Personenkraftfahrzeugs gestattet. Diese Genehmigung ist jederzeit widerruflich. Ein Rechtsanspruch kann daraus nicht hergeleitet werden […] Auf reservierte Plätze besteht kein Anspruch.“
Im März 2006 schloss die Mieterin mit dem Vermieter, der eine Kostenpflicht für die auf dem Grundstück der Wohnanlage vorhandenen Stellplätze einführte und eine Schranke an deren Zufahrt anbrachte, einen „Mietvertrag über Kfz-Abstellplatz“ betreffend den zur Wohnanlage gehörenden Stellplatz Nr. 60, der es ihr gestattete, den Stellplatz gegen Zahlung von monatlich 23 Euro zu nutzen. § 2 Abs. 2 dieses Vertrags lautete: „Jeder Vertragspartner kann bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats für den Ablauf des übernächsten Kalendermonats schriftlich kündigen, unbeschadet des Rechts zur fristlosen Kündigung.“
Anfang des Jahres 2019 kündigte der Vermieter sämtliche Stellplatzmietverträge, so auch den von der Mieterin angemieteten. Daraufhin erhob die Mieterin Klage, feststellen zu lassen, dass die Kündigung des Mietvertrags über den Stellplatz unwirksam sei und der Stellplatzmietvertrag ungekündigt fortbestehe. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der BGH bestätigte die Vorinstanzen:
Vorliegend sei die Frage zu beantworten, ob der Stellplatzmietvertrag aus dem Jahr 2006 zu dem Regelungskontext des Wohnraummietvertrags aus dem Jahr 1995 zähle, mit der Folge, dass beide Vertragswerke als zusammengehörende Vereinbarungen anzusehen wären, die als rechtliche Einheit nur ein einheitliches rechtliches Schicksal hätten und nicht getrennt gekündigt werden könnten.
Nach der Rechtsprechung des BGH spreche bei einem schriftlichen Wohnraummietvertrag und einem separat hiervon abgeschlossenen Mietvertrag über eine Garage oder einen Stellplatz eine tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit beider Vereinbarungen. Es bedürfe dann der Widerlegung dieser Vermutung durch besondere Umstände des Einzelfalls, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Mietverhältnisse über die Wohnung und die Garage oder den Stellplatz nach dem Willen der Beteiligten eine rechtliche Einheit bilden sollen.
Solche Umstände lägen vorliegend nicht vor.
Zwar möge die Tatsache, dass der Stellplatz sich auf demselben Grundstück befinde wie die vermietete Wohnung, regelmäßig die Annahme rechtfertigen, dass dessen Vermietung nach dem Willen der Parteien in den Wohnraummietvertrag einbezogen sein solle. Zwingend sei dies indes jedenfalls dann nicht, wenn es andere Umstände gebe, die die tatsächliche Vermutung für zwei separate Verträge bekräftigten.
Solche seien hier darin zu sehen, dass der Stellplatzmietvertrag an keiner Stelle auf den Wohnraummietvertrag Bezug nehme und nicht unter denselben Voraussetzungen wie dieser ordentlich gekündigt werden könne. Zwar unterschieden sich die Kündigungsmöglichkeit für den Mieter in beiden Verträgen nicht, für den Vermieter indes erheblich, da der Stellplatzmietvertrag gekündigt werden könne, ohne dass hierfür – anders als bei einer ordentlichen Kündigung des Wohnraummietvertrags gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB – ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses vorliegen müsse. Dies lasse auf den Willen der Parteien schließen, dass es sich bei dem Stellplatzmietvertrag um ein separates, für beide Parteien unabhängig vom Vorliegen eines berechtigten Interesses kündbares Mietverhältnis habe handeln sollen.
Auch der Umstand, dass hier nicht eine kurze, von einem Wohnraummietverhältnis abweichende Kündigungsfrist, sondern – entsprechend dem Wohnraummietvertrag – (auch für den Mieter) eine dreimonatige Kündigungsfrist vereinbart worden sei, vermag das gefundene Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Denn die Länge der Kündigungsfrist sei gegenüber dem weit gewichtigeren Umstand, dass für die Kündigung des Stellplatzmietvertrags durch den Vermieter ein berechtigtes Interesse nicht erforderlich sei, von untergeordneter Bedeutung.
Letztlich ergebe sich auch aus der im Wohnraummietvertrag aufgeführten Regelung, wonach die Mieterin von 1995 bis 2006 – soweit tatsächlich verfügbar – einen Stellplatz habe kostenlos nutzen können, nicht, dass der Stellplatzmietvertrag vom März 2006, der diese Regelung abgelöst habe, nun ebenfalls als Bestandteil des Wohnraummietvertrags angesehen werden müsse, der nur zusammen mit diesem gekündigt werden könne. Denn in diesem Vertrag sei ausdrücklich bestimmt, dass sich aus der Gestattung der kostenlosen Nutzung des hier in Rede stehenden Stellplatzes ein Rechtsanspruch auf die (entgeltliche) Nutzung des Stellplatzes nicht ableiten lasse. Vielmehr sei die kostenlose Gestattung im Jahr 2005 widerrufen und eine Schranke angebracht worden. Dass die Stellplatznutzung danach nur noch Personen gestattet gewesen sei, die einen Mietvertrag über einen bestimmten Stellplatz abgeschlossen hätten, spreche vielmehr für die rechtliche Selbstständigkeit der beiden Verträge.
27.04.2022