Um einem höheren Bedarf an Geldern für die Förderung des Wohnungsbaus gerecht zu werden, könnte Berlin eine Sonderabgabe auf hohe Mieten erheben. Steuer darf diese Abgabe auf Landesebene nicht heißen, denn das Erheben von Steuern ist dem Bund vorbehalten. Steuer hin, Abgabe her – die Einnahmen aus dieser Sonderabgabe könnten bei jährlich 200 Millionen Euro liegen.
Die SPD-Abgeordneten Lars Rauchfuß und Mathias Schulz brachten die Idee einer Mietensteuer auf die politische Tagesordnung. Sie griffen eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auf. Mieten, die mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, könnten demnach mit 10 bis 30 Prozent besteuert werden – je nach Grad der Überschreitung. Rund 41 Prozent der Berliner Mieterhaushalte zahlen eine Miete, die über der Grenze liegt. Betroffen wären nur Vermieter, die aus der aktuellen Wohnungsnot übermäßigen Profit ziehen. Eigentümer mit moderaten Mieten blieben ohne Abgabe. Nach einer DIW-Berechnung hätte die Sonderabgabe 201 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr für Berlin zur Folge. Damit könnten 7500 neue Wohnungen finanziert oder die Mieten von 100.000 Wohnungen um 2,50 Euro je Quadratmeter gesenkt werden.
Vorbild ist die 1924 in Deutschland eingeführte Hauszinssteuer. Hauseigentümer waren durch die Hyperinflation von 1923 praktisch von selbst entschuldet worden. Die Hauszinssteuer sollte dies ausgleichen und dem Staat Mittel für den Wohnungsbau einbringen. In der „Hauszinssteuer-Ära“ von 1925 bis 1931 bauten gemeinnützige Unternehmen in Berlin 135.000 moderne Wohnungen. Eine Mietensteuer dürfte heute allerdings nur der Bund einführen. Das Land Berlin könnte aber das Geld stattdessen in Form einer Sonderabgabe erheben.
Der Berliner Mieterverein (BMV) begrüßt die Prüfung des Vorschlags. „Die finanziellen Herausforderungen in der Wohnungsversorgung werden in den nächsten Jahren stark anwachsen“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Der BMV hält aber die ortsübliche Vergleichsmiete wegen ihrer schwierigen Ermittlung als Grundlage für die Abgabenberechnung für ungeeignet. Die Sonderabgabe könne außerdem kein Ersatz für eine wirksame Mietenbegrenzung sein.
„Das ist für die Mieterinnen und Mieter ein teurer Etikettenschwindel“, meint CDU-Baupolitiker Dirk Stettner. „Steuern und Abgaben müssen am Ende sie bezahlen.“ Niklas Schenker, wohnungspolitischer Sprecher der Linksfraktion, entgegnet: „Es muss ausgeschlossen sein, dass die Kosten auf Mieterinnen und Mieter umgelegt werden.“
Jens Sethmann
05.06.2022