Alter: 65,
erlernter Beruf: Buchhalterin
Foto: Christian Muhrbeck
Wenn von Gentrifizierung die Rede ist, denken die meisten an das hippe Prenzlauer Berg oder das angesagte Neukölln. Ich dagegen spreche über die Auswirkungen in Kaulsdorf Nord.
Die große Neubausiedlung entstand gegen Ende der DDR. Ich war heilfroh, dass ich mit meiner Familie Mitte der 1990er Jahre hier herausziehen konnte: In eine große Wohnung und eine ruhigere grüne Umgebung – weg von der Koppenstraße in Friedrichshain, mit den Baustellen in der Nachbarschaft und der Partyszene um die Ecke. Außerdem dachte ich mir: Eine Genossenschaftswohnung ist eine sichere Bank. Da hatte ich mich gründlich geirrt. Das Altschuldenhilfegesetz forderte auch von den einstigen DDR-Genossenschaften einen Teilverkauf ihrer Bestände.
Unser Haus ging an einen privaten Investor, in anderen Blöcken wurden Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen, und viele zogen von hier weg. Die bunt gemischte Gemeinschaft, die so lange Bestand hatte, zerfiel nach und nach. Dafür flatterte uns schon bald mit der Information über eine beabsichtigte Sanierung die Mieterhöhungsankündigung ins Haus. Das war der Moment, wo mir klar wurde: Ohne sachkundigen Rat bist Du hier aufgeschmissen – eine Erkenntnis, die mich zum Berliner Mieterverein brachte. Schon bald wurde ich gefragt, ob ich nicht mitarbeiten wolle. Es wurden dringend ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gebraucht, worauf ich seitdem kleine Beratungsstellen betreut habe: Typische Themen: fehlerhafte Modernisierungsankündigungen oder niedrig angesetzte Lockmieten, denen dann mit der ersten Betriebskostenabrechnung ein böses Erwachen folgte.
In Kaulsdorf leben inzwischen viele Menschen, die Sozialleistungen erhalten. Sie brauchen nicht nur Rechtsrat, sondern müssen auch ermutigt werden, sich zu wehren. Unsere BMV-Bezirksgruppe trifft sich einmal im Quartal und bespricht all die Probleme im Kiez. Neue Mitstreiter können wir gut gebrauchen. Denen verspreche ich viele gute soziale Kontakte – vor allem aber einen starken Auftritt gegenüber den Vermietern.
Aufgeschrieben von Rosemarie Mieder
Zu den Bezirksgruppen des Berliner Mietervereins
27.06.2022
