Leitsatz:
Die in § 10 Absatz 1 WoBindG beschriebenen formellen Anforderungen an ein Mieterhöhungsverlangen werden durch § 4 Absatz 7 Satz 1 NMV ausgefüllt und konkretisiert. Der von § 10 Abs. 1 Satz 2 WoBindG geforderten Erläuterung des Mieterhöhungsverlangens kommt der Vermieter bereits dann ausreichend nach, wenn er die Gründe, aus denen sich die laufenden Aufwendungen erhöht haben, und die auf die einzelnen laufenden Aufwendungen entfallenden Beträge angibt.
BGH vom 6.4.2022 – VIII ZR 246/20 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 12 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es ging in dem Rechtsstreit unter anderem um die Frage, ob eine Mieterhöhungserklärung nach Modernisierung im Sozialen Wohnungsbau wegen mangelnder Erläuterung formell unwirksam ist oder nicht.
Der Vermieter hatte dem Mieter mitgeteilt, dass sich die zu zahlende Grundmiete infolge der Modernisierungsmaßnahmen nach den Vorschriften der II. Berechnungsverordnung sowie des Wohnungsbindungsgesetzes zum 1. Juli 2016 um 59,44 Euro von 605,37 auf 664,81 Euro monatlich erhöhe. Dem Schreiben waren mit „Mietanhebung zum 01.07.2016“ bezeichnete Unterlagen beigefügt, in dem die Modernisierungsmaßnahmen und die angefallenen Gesamtbaukosten (679.297,32 Euro beziehungsweise 182.017,23 Euro) aufgeführt waren sowie die Mietanhebung berechnet wurde. Dabei wurden unter anderem bei den jährlichen Aufwendungen „1,5152 %
AfA von 679.297,32 Euro Baukosten = 10.292,38 Euro“ sowie „1,5152 % AfA von 182.017,23 Euro = 2757,84 Euro“ angesetzt.
Der Mieter hielt die Mieterhöhungserklärung aus formellen Gründen für unwirksam, weil der Vermieter den Ansatz einer Abschreibung (AfA) von 1,5152 % der Gesamtbaukosten, die den gesetzlichen Regelsatz der Abschreibung (1 %) übersteigt, in dem Schreiben nicht näher erläutert habe.
Das sah der BGH anders. Er bestätigt seine fast vierzig Jahre zurückliegende Grundsatzentscheidung (BGH vom 11.1.1984 – VIII ARZ 10/83 –).
Sinn und Zweck der Regelung des § 10 Absatz 1 WoBindG sei es, den Mieter darüber zu informieren, weshalb die Miete erhöht wird (hier: Erhöhung der laufenden Aufwendungen wegen Modernisierung). Aus der dem Mieterhöhungsverlangen beizufügenden Wirtschaftlichkeitsberechnung oder einem die laufenden Aufwendungen des Vermieters ausweisenden Auszug könne der Mieter ersehen, ob sich der Vermieter auch mit der erhöhten Miete noch im Rahmen der ihm durch § 8 Absatz 1 WoBindG auferlegten Verpflichtung halte, die Wohnung nicht gegen ein höheres Entgelt zum Gebrauch zu überlassen, als zur Deckung seiner laufenden Aufwendungen erforderlich sei.
Der Umstand, dass nach § 10 Absatz 1 Satz 2 WoBindG die Mieterhöhung nicht nur zu berechnen, sondern auch zu erläutern sei, bedeute nicht, dass jeder einzelne Schritt der Berechnung so detailliert zu begründen sei, dass der Mieter bereits hierdurch über sämtliche Informationen verfüge, um abschließend prüfen zu können, ob die Mieterhöhung sachlich berechtigt sei. Dies ergebe sich zum einen aus der die Vorschrift des § 10 Absatz 1 Satz 2 WoBindG ausfüllenden Bestimmung des § 4 Absatz 7 Satz 2 NMV, wonach für die Erläuterung im Sinne der erstgenannten Regelung die Angabe der Gründe für die Erhöhung der einzelnen laufenden Aufwendungen und der hierauf entfallenden Beträge ausreichend sei. Zum anderen folge dies daraus, dass das Gesetz in § 8 Absatz 4 Satz 1 WoBindG, § 29 Absatz 1 NMV dem Mieter zur Deckung seines Informationsinteresses zusätzlich ein jederzeitiges, an keine weiteren Voraussetzungen geknüpftes Auskunfts- und Einsichtsrecht gewähre und der Vermieter im Hinblick auf seine gemäß Art. 14 GG geschützten Interessen an der Erzielung einer zulässigen Kostenmiete nicht vor zu hohe formelle Anforderungen an die Berechnung und Erläuterung der Mieterhöhung gestellt werden dürfe.
Den danach zu stellenden Erläuterungsanforderungen würden das Schreiben des Vermieters und die ihm angefügten Unterlagen im vorliegenden Fall gerecht.
Ein Hinweis auf die Abweichung des Satzes für die Absetzung für Abnutzung (AfA) von dem gesetzlichen Regelsatz oder gar eine nähere Begründung für die Inanspruchnahme eines höheren Abschreibungssatzes sei weder nach dem Wortlaut der Vorschriften des § 10 WoBindG, § 4 Abs. 7 NMV noch aufgrund der nach der Zielsetzung dieser Bestimmungen gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen geboten gewesen. Davon abgesehen, dass der bloße Umstand einer Abweichung vom Regelsatz noch nicht mit einem wirklichen Erkenntnisgewinn verbunden sei, weil er nichts darüber besagt, ob die Inanspruchnahme eines höheren Satzes berechtigt sei, könne die weitere Aufklärung des Mieters ohne Weiteres durch Geltendmachung des ihm jederzeit eröffneten Auskunfts- und Einsichtsrechts (§ 8 Abs. 4 Satz 1 WoBindG, § 29 Absatz 1 NMV) erfolgen. Das Gesetz verlange dem Mieter insoweit eine gewisse Eigeninitiative ab. Wollte man die sachliche Begründung für den Ansatz einer vom Regelsatz abweichenden Abschreibung beziehungsweise die Erteilung eines Hinweises hinsichtlich des Ansatzes eines höheren Abschreibungsgrundsatzes zu den Anforderungen an die formelle Wirksamkeit der Mieterhöhung erheben, würde dem Vermieter die Durchsetzung seines Anspruchs auf eine gesetzlich zulässige Erhöhung der Kostenmiete erschwert, ohne dass dies zum Schutz des Informationsinteresses des Mieters gerechtfertigt wäre.
Die Frage, ob der Vermieter die in den der Mieterhöhungserklärung beigefügten Beiblättern ausgewiesene AfA von 1,5152 % der Gesamtbausumme zu Recht angesetzt habe, sei (allein) eine Frage der materiellen Berechtigung des Erhöhungsverlangens.
29.08.2022