In der Chausseestraße in Mitte stehen in zwei Mietshäusern insgesamt fast 70 Wohnungen leer – ungenehmigt und zum Teil seit 2015. Wie häufig in solchen Fällen behauptet das Bezirksamt, man könne nichts unternehmen, solange das gerichtliche Verfahren laufe. Ein Kenner in Sachen Verwaltungsrecht sieht das anders.
Das Gebäude Chausseestraße 53 ist eine Ruine. Die meisten Fenster sind eingeschlagen und wurden von innen provisorisch verrammelt. Die Toreinfahrt ist zugemauert. Hier wohnt ganz offensichtlich niemand mehr. Ein paar hundert Meter weiter, in der Chausseestraße 32, wurden kürzlich alle Versorgungsleitungen gekappt. Auch dieses Haus ist arg heruntergekommen.
Trotz mehrerer Nachfragen des MieterMagazins will das Bezirksamt Mitte unter Hinweis auf das laufende Verfahren zur Zweckentfremdung keinerlei Informationen an die Öffentlichkeit herausgeben. Für das Gebäude Chausseestraße 32 wird von der „immowert“-Immobiliengruppe auf deren Homepage die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses samt Garage angekündigt. Der Abriss scheint beschlossene Sache zu sein.
Erst eine Kleine Anfrage der Bezirksverordneten Martha Kleedörfer (Linke) machte das erschreckende Ausmaß öffentlich. In der Chausseestraße 53 stehen 25 Wohnungen leer, der Leerstand sei seit 2015 bekannt. In der Nummer 32 stehen sogar sämtliche 43 Wohnungen leer. Vom Bezirksamt angeschrieben, reichten beide Eigentümer Anträge auf Zweckentfremdung nach. Für die Nummer 32 werden diese derzeit bearbeitet, für die Nummer 53 wurde der Antrag abgelehnt. Hier sei aktuell ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anhängig, weshalb der Leerstand in beiden Fällen nicht sanktioniert wird.
Die behördliche Untätigkeit sei zwar nachvollziehbar, aber rechtlich nicht geboten, erklärt Rechtsanwalt Klaus-Martin Groth: „Mit dem Ablehnungsbescheid hat die Behörde verbindlich entschieden, dass die rechtlichen Voraussetzungen nicht dafür vorliegen, das Gebäude leerstehen zu lassen.“ Die mögliche Anfechtung einer solchen Entscheidung von der Eigentümerseite führe nicht dazu, dass die Behörde nicht gegen den Leerstand vorgehen und beispielsweise die Wiedervermietung anordnen kann. Doch das würde weitere gerichtliche Verfahren nach sich ziehen – und diesen Aufwand scheuen die Bezirksämter. Die Folge: 68 Wohnungen in bester Lage stehen dem Markt nicht zur Verfügung.
Birgit Leiß
27.10.2022