Wohnungen zu dauerhaft bezahlbaren Mieten für Einkommensschwache – das soll die „Neue Wohngemeinnützigkeit“ leisten. Seit Jahren wird über die Einführung dieses Instruments diskutiert. Die Bundesregierung hat dies in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, konkrete Schritte blieben jedoch aus. Der Deutsche Mieterbund (DMB) macht jetzt Druck.
Der Autor des DMB-Gutachtens, Jan Kuhnert, ist ein ausgewiesener Experte. Er war unter anderem Mitinitiator des Berliner Mietenvolksentscheids von 2015 und anschließend bis 2021 Vorstand der Wohnraumversorgung Berlin. Schon Ende der 1980er Jahre hatte er sich für die Beibehaltung der damaligen Wohnungsgemeinnützigkeit stark gemacht.
Deren Grundprinzip soll auch für die Neue Wohngemeinnützigkeit gelten: Wohnungsunternehmen, die ihre Wohnungen dauerhaft günstig an Personen mit geringen Einkommen vermieten, werden vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt und bekommen dadurch Erleichterungen bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer, bei der Grunderwerb- und Grundsteuer sowie eine Befreiung von der Umsatzsteuer. Anders als beim Sozialen Wohnungsbau, wo die Bindungen nach 20 bis 30 Jahren auslaufen, hat man in gemeinnützigen Beständen Mietpreis- und Belegungsbindungen für alle Zeiten.
Die Schwächen des Vorläufers werden behoben
Die Schwächen der alten, 1989 abgeschafften Wohnungsgemeinnützigkeit werden in der vorgeschlagenen Neuregelung behoben. Insbesondere die wenig zielgenaue Förderung und die schlechte Kontrolle der Unternehmen hatten die Gemeinnützigkeit seinerzeit in Verruf gebracht.
Die Mieten sollen nach Kuhnerts Vorschlag grundsätzlich 20 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Mieterhöhungen könnten nur an den inflationsabhängigen Bewirtschaftungskosten orientiert vorgenommen werden. Für die in den betreffenden Wohnungen Lebenden würde es eine „Leistbarkeitsgarantie“ geben: Bei besonders geringen Einkommen soll die Bruttokaltmiete nie mehr als 25 Prozent des Haushaltseinkommens ausmachen.
Für die Unternehmen soll es nicht mehr wie früher nach dem Prinzip „ganz oder gar nicht“ gehen. Stattdessen sollen sich Steuerbefreiungen und etwaige Fördermittel danach berechnen, an welche Einkommensgruppen die Wohnungen vermietet werden. Maßstab ist die Bundeseinkommensgrenze für den Wohnberechtigungsschein.
Für jüngere Wohnungsunternehmen, die nur geringe Überschüsse erwirtschaften, sind die Steuervorteile bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer relativ gering. Um ihnen einen größeren Anreiz zum Wechsel in die Gemeinnützigkeit zu geben, wird eine gestaffelte Zuschussförderung vorgeschlagen. Wohnungsunternehmen können auch nur mit Teilen ihrer Bestände an der Gemeinnützigkeit teilnehmen. Auch ist eine Ankaufsförderung vorgesehen, mit der der gemeinnützige Wohnungsbestand erweitert wird. Zur Kontrolle müssen die Unternehmen detaillierte Geschäftsberichte offenlegen und Mietergremien einrichten, die bei Investitionsentscheidungen mitbestimmen können.
Im bundesweiten „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ haben sich die Beteiligten zur „konstruktiv-kritischen Begleitung eines Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung einer Neuen Wohngemeinnützigkeit“ verpflichtet. Der DMB hat mit seinem praxisorientierten Gutachten nun einen Anstoß gegeben.
Jens Sethmann
Die alte Wohnungsgemeinnützigkeit
Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft war ein fester Bestandteil der alten Bundesrepublik. Sowohl die kommunalen und staatlichen Wohnungsbaugesellschaften als auch die gewerkschaftlichen Unternehmen und die meisten Wohnungsgenossenschaften waren gemeinnützig. Das bedeutete: Die Unternehmen hatten sich verpflichtet, alle ihre Wohnungen auf Dauer zu beschränkten Preisen zu vermieten, die auszuschüttende Rendite auf vier Prozent zu begrenzen und das Firmenvermögen nur für den Wohnungsbau einzusetzen. Dafür waren sie von der Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer, in einigen Bundesländern auch von der Grunderwerbsteuer befreit. Die konservativ-liberale Kohl-Regierung schaffte die Wohnungsgemeinnützigkeit 1989 ab.
js
Sozialen Wohnraum kurzfristig schaffen und langfristig erhalten
Downloads:
- DMB-Konzept „Neue Wohngemeinnützigkeit“ [PDF, 52 Seiten]
- Dr. Rainer Tietzsch: Konzept zur „Neuen Wohngemeinnützigkeit“ [PDF, 6 Seiten]
- Flyer zum DMB-Konzept „Neue Wohngemeinnützigkeit“ [PDF, 2 Seiten]
16.03.2023