Obwohl der Milieuschutz durch den Wegfall des Vorkaufsrechts geschwächt ist, bauen die Berliner Bezirke diesen Verdrängungsschutz weiter aus. Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitte haben je zwei neue Milieuschutzgebiete festgelegt. Und nach jahrelangem Zögern stellt auch Steglitz-Zehlendorf die Weichen für drei Gebiete.
Die Wohngebiete Brabanter Platz beiderseits der Mecklenburgischen Straße und Wilmersdorf-West rund um den Hochmeisterplatz wurden im November unter Milieuschutz gestellt. Nach sieben Gebieten in Charlottenburg stattet der City-West-Bezirk damit die ersten zwei Gebiete in Wilmersdorf mit diesem Status aus. „Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, Gebiete zu definieren, in denen die Gentrifizierung noch nicht zu weit fortgeschritten ist“, sagt Stadtentwicklungsstadtrat Fabian Schmitz-Grethlein (SPD). „Milieuschutz ist immer auch ein Rennen gegen die Zeit, hier haben wir es geschafft.“
Es sind die ersten neuen Milieuschutzgebiete in Berlin, seitdem das Bundesverwaltungsgericht im November 2021 die Ausübung des Vorkaufsrechts im Milieuschutz praktisch unmöglich gemacht hat. Der Milieuschutz ist dadurch stark eingeschränkt. Trotz dringender Appelle von Kommunen, Initiativen und Mieterverbänden hat die Bundesregierung das Vorkaufsrecht noch nicht wiederhergestellt.
Kurz nach Charlottenburg-Wilmersdorf hat auch der Bezirk Mitte für die Gebiete Badstraße und Müllerstraße-Nord zwei weitere Milieuschutzverordnungen erlassen. Auch der Bezirk Steglitz-Zehlendorf will nun erstmals Wohngebiete unter Milieuschutz stellen, nämlich die drei Steglitzer Quartiere Mittelstraße, Feuerbachstraße und Gritznerstraße-Nord. Damit macht die neue Ampel-Mehrheit im Bezirk möglich, was das alte Bezirksamt 15 Jahre lang blockiert hatte. So lange wurde in wechselnden Gebieten um den Milieuschutz diskutiert – schließlich war die jeweils schutzbedürftige Bewohnerschaft weitgehend verdrängt. Das „Rennen gegen die Zeit“ hatte man im Südwesten vertrödelt. Mit dieser Erfahrung im Hintergrund bleibt Barbara von Boroviczeny, Bezirksleiterin des Berliner Mietervereins, skeptisch: „Das ist besser als nichts, aber wir erwarten keine großen Erfolge.“
Der Bezirk Spandau lässt hingegen in seinen zwei Milieuschutzgebieten Wilhelmstadt und Neustadt schon untersuchen, ob die Voraussetzungen für den Milieuschutz weiterhin vorliegen. Üblich sind solche Nachuntersuchungen alle fünf Jahre – eine Zeitspanne, die auch Baustadtrat Thorsten Schatz (CDU) angibt, eingehalten zu haben („knapp fünf Jahre alt“). Tatsächlich fanden sie aber vor genau drei Jahren statt. Der Spandauer Bezirksleiter des Berliner Mietervereins, Jürgen Wilhelm, erkennt im Verhalten des Bezirksamts „eine Tendenz, den Milieuschutz vermeiden zu wollen“.
Jens Sethmann
26.01.2023