Leitsatz:
Zur Frage, wann ein Mietvertrag mit einem einige Tage später abgeschlossenen Nachtrag über Modernisierungsmaßnahmen mit entsprechendem Mietzuschlag als einheitliche Vereinbarung über die Miethöhe bei Mietbeginn zu werten ist und damit die Regeln über die Mietpreisbremse auf den Gesamtbetrag anzuwenden sind.
LG Berlin vom 4.1.2023 – 63 S 166/22 –
mitgeteilt von RA Cornelius Krakau
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter bot eine noch nicht fertiggestellte Wohnung für 1626 Euro kalt an. Später wurden zu verschiedenen Zeitpunkten zwei Dokumente von beiden Mietvertragsparteien unterzeichnet, nämlich ein „Mietvertrag“ mit einer Kaltmiete von 1339 Euro und eine „Bauoption“ über weitere 287 Euro. Schon allein die Miete von 1339 Euro als auch erst recht die 1626 Euro stellten einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse dar.
Das Amtsgericht gab der Zahlungs- und Feststellungsklage des Mieters mit Urteil vom 1.6.2022 statt. Mit seiner Berufung behauptete der Vermieter weiter, dass die Vertragsgestaltung keinen Verstoß gegen die Mietpreisbremse darstelle. Das Landgericht wies die Berufung zurück, weil es sich hier um „eine unzulässige Vereinbarung zur Umgehung der Mietpreisbremse“ handele. Es liege weder eine Vereinbarung nach § 557 BGB vor, noch sei eine Grundlage für eine Mieterhöhung wegen Modernisierungsarbeiten et cetera gemäß § 559 BGB ersichtlich.
Die sogenannte „Bauoption“ aus § 8 des Mietvertrags und der Nachtrag 1 stellten einen einheitlichen Mietvertrag dar. Dabei sei nicht ausschlaggebend, dass die Parteien zwei Dokumente an zwei verschiedenen Tagen unterschrieben hätten, sondern nach §§ 133, 157 BGB der tatsächliche Parteiwille, ausgelegt am objektiven Empfängerhorizont. Gewollt sei nämlich der Abschluss eines einheitlichen Vertrags gewesen. Das zeige sich daran, dass der Vermieter die Wohnung zu einem Preis von 1625,54 Euro inseriert habe. Dieser Mietzins ergebe sich allerdings rechnerisch nur dann, wenn die Bauoption ausgeübt werde. Sie wurde also vom Vermieter bei der Vertragsanbahnung vorausgesetzt. Sein unbestrittenes Verhalten während Besichtigung und Vertragsverhandlung untermauerten dies. So erklärte ein Vertreter des Vermieters am Besichtigungstermin, dass Sanierungsarbeiten noch vor Einzug vorgenommen werden würden. Dies sei als Fakt, nicht als Option dargestellt worden. Ähnlich sei in einer späteren E-Mail lediglich die Rede davon gewesen, sich den gewünschten Umbau des Gäste-WCs durch den Kopf gehen zu lassen; nicht die Umbaumaßnahmen als solche. Auch eine weitere E-Mail spreche von zwei Teilen des Vertrags und bringe damit zum Ausdruck, dass ein Vertrag, bestehend aus zwei textlichen Bestandteilen gewünscht worden sei.
Diese Umstände stellten auch kein lediglich ungewöhnliches Verhandlungsverhalten der Parteien dar. Sie hätten nämlich tatsächlich über die Ausgestaltung des Gästebades verhandelt. Das zeige, dass ihnen sehr wohl der Unterschied zwischen ergebnisoffener Vertragsverhandlung und der Anbahnung eines Einheitsvertrags bewusst gewesen sei.
Auf diesen Vertrag finde die Mietpreisbremse Anwendung, ohne dass die Mieterhöhung nach § 559 Abs. 1 BGB gestattet gewesen wäre. Die Maßnahmen seien schon nach § 555 c Abs. 1 BGB nicht wirksam angekündigt worden. Sinn und Zweck dieser Ankündigung sei es nämlich, den Mieter umfassend über Baumaßnahmen zu informieren, die in sein Vertragsverhältnis eingreifen. Doch vorliegend habe der Vermieter die Maßnahmen in den Vertrag mit aufnehmen lassen. Damit fehle allerdings die notwendige Klarheit für den Mieter.
Der Nachtrag 1 könne auch nicht als Geltendmachung der Erhöhung nach § 559 b BGB gewertet werden. Diese wäre nicht wirksam. Der Vermieter wäre nämlich verpflichtet gewesen, den Mietern nach Abschluss der Baumaßnahmen eine Erhöhung des Mietzinses aufgrund der entstandenen Kosten zu berechnen (§ 559 b Abs. 1 S. 2 BGB). Doch hätten vorliegend die Maßnahmen schon Eingang in den Mietvertrag selbst gefunden. Damit stelle dies nicht nur ein rechtliches aliud zur Erklärung nach § 559 b BGB dar, sondern es wären auch die Formvorschriften des § 559 b Abs. 1 S. 2 BGB verletzt. Eine Umdeutung wäre ferner nach § 559 b Abs. 3 BGB unzulässig.
Die Kosten der Baumaßnahme könnten auch nicht nach § 556 e Abs. 2 BGB auf die Mieter umgelegt werden, weil die Maßnahme entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht vor Beginn des Mietverhältnisses vorgenommen wurde. Für eine Analogie fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke.
Urteilstext
Gründe
I.
Die Kläger verlangen die Rückzahlung von Miete sowie die Feststellung einer niedrigeren als vertraglich vereinbarten Miethöhe. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihren Klageabweisungsantrag weiter. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 1.6.2022 Bezug genommen.
Mit der Berufung macht die Beklagte außerdem geltend, die Sanierung des Badezimmers und die Erneuerung des Holzfußbodens stellten Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555 b BGB dar, die fälschlicherweise unberücksichtigt gelassen worden seien. Man habe sich einvernehmlich über die Miete nach § 557 BGB geeinigt. Nach der Modernisierungsmaßnahme sei die Miete höher als die ortsübliche Vergleichsmiete. Sie, die Beklagte, sei analog den Vorschriften über die Modernisierungsmieterhöhung berechtigt, die Investitionskosten auf die Kläger umzulegen.
Die Beklagte hat außerdem hilfsweise die Aufrechnung mit einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe der Investitionskosten von 17.916,05 Euro erklärt.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Schöneberg zum Az. 11 C 196/20 vom 1.6.2022 abzuändern und die Klage antragsgemäß in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 1.6.2022, Aktenzeichen 11 C 196/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass: Die MietenbegrenzungsVO ist anwendbar. Sie ist nicht wegen fehlender Begründungsveröffentlichung unwirksam. Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Berliner Senat die Verordnung an einer öffentlich leicht zugänglichen Stelle bekannt gemacht, indem er sie dem Berliner Abgeordnetenhaus übersandte, welches sie dann wiederum auf seiner Website veröffentlichte (vgl. BGH Urt. v. 30.3.2022- VIII ZR 121/21, MDR 2022, 754 Rn. 23, beck-online, m.w.N.).
Dabei ist unerheblich, ob die Begründung, wie die Beklagte ausführt, nicht oder nur schwer über das Katalogsystem der Website des Abgeordnetenhauses zugänglich war. Denn es reicht aus, „wenn die Verordnungsbegründung an anderer (amtlicher) Stelle als im Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht wird und dabei gewährleistet ist, dass die Verordnungsbegründung für den Regelungsadressaten leicht zugänglich ist“ (BGH Urt. v. 17.7.2019 – VIII ZR 130/18, NZM 2019, 584 Rn. 37, beck-online). Genau dies war der Fall. Das Abgeordnetenhaus hatte die Begründung nämlich dergestalt auf ihren Servern hinterlegt, dass sie vor lnkrafttreten der Verordnung am 1.6.2015 durch gängige Suchmaschinen auffindbar war. Grenzt man etwa bei der Suchmaschine google die Suche auf Ergebnisse von vor dem 1.6.2015 ein, so erhält man als erstes Resultat die streitgegenständliche Begründung. Für den Vortrag der Beklagten in der Stellungnahme zum gerichtlichen Hinweis, dass gängige Suchmaschinen im Jahr 2015 das Dokument nicht gefunden hätten, etwa weil die Algorithmen dafür an einem Wochenende hätten laufen müssen, weil Computer im Jahre 2015 zu langsam für derartige Aufgaben gewesen seien oder weil sich damals weniger Daten im Netz befunden hätten, gibt es keine Anhaltspunkte.
Die Miete für den streitrelevanten Zeitraum betrug 1.097,24 €, nicht 1.626,00 € pro Monat.
Eine anderweitige mietvertragliche Vereinbarung ist nach § 557 Abs. 3, 558 Abs. 1, 558 d BGB unwirksam. Die sog. „Bauoption“ aus §8 des Mietvertrags vom 2.7.2019 und der Nachtrag 1 vom 3./10.7.2019 stellen einen einheitlichen Mietvertrag dar. Dabei ist nicht ausschlaggebend, dass die Parteien zwei Dokumente an zwei verschiedenen Tagen unterschrieben haben, sondern nach §§ 133, 157 BGB der tatsächliche Parteiwille, ausgelegt am objektiven Empfängerhorizont. Gewollt war allerdings der Abschluss eines einheitlichen Vertrags. Das zeigt sich daran, dass die Beklagte die Wohnung zu einem Preis von 1.625,54 € inserierte. Dieser Mietzins ergibt sich allerdings rechnerisch nur dann, wenn die Bauoption ausgeübt wird. Sie wurde also von der Beklagten bei der Vertragsanbahnung vorausgesetzt. Ihr unbestrittenes Verhalten während Besichtigung und Vertragsverhandlung untermauert dies. So erklärte ein Vertreter der Beklagten am Besichtigungstermin am 21.5.2019, dass Sanierungsarbeiten noch vor Einzug vorgenommen werden würden. Dies wurde als Fakt, nicht als Option dargestellt. Ähnlich war in der E-Mail vom 13.6.2019 lediglich die Rede davon, sich den gewünschten Umbau des Gäste-WCs durch den Kopf gehen zu lassen; nicht die Umbaumaßnahmen als solche. Auch die E-Mail vom 1.7.2019 spricht von zwei Teilen des Vertrags und bringt damit zum Ausdruck, dass ein Vertrag, bestehend aus zwei textlichen Bestandteilen gewünscht war.
Diese Umstände stellen auch kein lediglich ungewöhnliches Verhandlungsverhalten der Parteien dar. Sie verhandelten nämlich tatsächlich über die Ausgestaltung des Gästebades. Das zeigt, dass ihnen sehr wohl der Unterschied zwischen ergebnisoffener Vertragsverhandlung und der Anbahnung eines Einheitsvertrags bewusst war.
Auf diesen Vertrag findet die Mietpreisbremse Anwendung, ohne dass die Mieterhöhung nach § 559 Abs. 1 BGB gestattet gewesen wäre. Die Maßnahmen wurden schon nach § 555 c Abs. 1 BGB nicht wirksam angekündigt. Sinn und Zweck dieser Ankündigung ist es nämlich, den Mieter umfassend über Baumaßnahmen zu informieren, die in sein Vertragsverhältnis eingreifen(vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 15. Aufl. 2021, BGB § 555c Rn. 11). Doch vorliegend hat die Beklagte die Maßnahmen in den Vertrag mit aufnehmen lassen. Damit fehlt allerdings die notwendige Klarheit für den Mieter.
Der Nachtrag 1 kann auch nicht als Geltendmachung der Erhöhung nach § 559 b BGB gewertet werden. Diese wäre nicht wirksam. Die Beklagte wäre nämlich verpflichtet gewesen, den Klägern nach Abschluss der Baumaßnahmen eine Erhöhung des Mietzinses auf Grund der entstandenen Kosten zu berechnen (§ 559 b Abs. 1 S. 2 BGB). Doch fanden vorliegend die Maßnahmen schon Eingang in den Mietvertrag selbst. Damit stellt dies nicht nur ein rechtliches aliud zur Erklärung nach § 559 b BGB dar, sondern es wären auch die Formvorschriften des § 559 b Abs. 1 S. 2 BGB verletzt. Eine Umdeutung wäre ferner nach § 559 b Abs 3 BGB unzulässig.
Die Kosten der Baumaßnahme können auch nicht nach § 556 e Abs. 2 BGB auf die Mieter umgelegt werden, weil die Maßnahme entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht vor Beginn des Mietverhältnisses vorgenommen wurde. Für eine Analogie fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Etwas Gegenteiliges folgt auch nicht aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin (65 S 107/19), der ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Dort wurden die Baumaßnahmen vor dem Beginn des Mietverhältnisses vorgenommen. Eine fiktive Berechnung erfolgte, weil die Baumaßnahme nur teilweise eine Modernisierungsmaßnahme darstellte.
Entgegen der Ansicht der Berufung ist es auch nicht verwerflich, gesetzliche Ansprüche und Regelungen des sozialen Mietrechts in Anspruch zu nehmen. Andernfalls würden die Regelungen ins Leere laufen, da selbst bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale die Anspruchsberechtigten von der Geltendmachung präkludiert wären.
Die hilfsweise erklärte Aufrechnung verliert entsprechend·§ 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, S. 2 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt, wobei auf den ursprünglichen Klageantrag zu 1. 1.057,52 € und auf den Feststellungsantrag zu 2. gemäß § 9 ZPO 22.207,92 € entfallen. Die hilfsweise erklärte Aufrechnung war nicht zu berücksichtigen, weil über sie nicht entscheiden worden ist (§ 45 Abs. 3 GKG).
22.02.2024