Erschreckend viele Vermietende ignorieren die gesetzlichen Bestimmungen der Mietpreisbremse. Das ergab eine Untersuchung des Berliner Mietervereins. Erstmals wurde dargelegt, welche Dimensionen die Verstöße haben.
Dass die 2015 eingeführte Mietpreisbremse nicht greift, belegen die rasant steigenden Angebotsmieten. Grund genug für den Berliner Mieterverein (BMV), sich die Fälle, die über Mitglieder sowie die Aktion Mietpreisüberprüfung an ihn herangetragen wurden, einmal genauer anzuschauen. Von den insgesamt 935 Überprüfungsfällen, die größtenteils aus dem Jahre 2021 stammen, überschritten 912 (98 Prozent) die nach dem Gesetz zulässige Miethöhe. Das allein hat nicht so sehr überrascht, wie BMV-Geschäftsführerin Wibke Werner bei der Vorstellung der nicht-repräsentativen Studie erklärte. Schließlich hatten die Ratsuchenden bereits Grund zur Annahme, dass ihre Miete zu hoch ist. Aber dass in der Hälfte der Fälle die Überschreitung bei mehr als 50 Prozent der zulässigen Miethöhe (ortsübliche Vergleichsmiete plus 10 Prozent) liegt, sei besorgniserregend.
Private Vermieter an der Spitze
Durchschnittlich wurden Überschreitungen von 287 Euro festgestellt, es gab aber auch Fälle, in denen die Miete um 700 bis 1000 Euro überschritten wurde. Zu 53 Prozent waren es private Wohnungsunternehmen, die gegen das Gesetz verstoßen haben, zu 23 Prozent private Einzel-Vermieter. Besonders bezeichnend: In nur 228 aller Fälle berufen sich Vermieterinnen und Vermieter auf einen Ausnahmetatbestand, etwa eine vorangegangene umfassende Modernisierung oder auf die Vormiete. In nur 35 Fällen konnten diese Ausnahmefälle letztendlich auch belegt werden. Sanktionen müssen die Vermieter:innen nicht befürchten. „Wir sind empört, dass die Politik seit Jahren zuschaut, wie die gesetzlich verankerte Bremse umgangen wird“, erklärte Werner. Die Forderungen des BMV, um die Anwendung zu vereinfachen: die Einrichtung einer externen Überprüfungsstelle – wie es sie beim Mietendeckel gab – und die Streichung aller Ausnahmeregelungen mit Ausnahme derer, die sich auf den Neubau beziehen. Ein Konstruktionsfehler der Bremse sei zudem, dass Verstöße kein Bußgeld nach sich ziehen. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Unternehmen (BBU) spricht angesichts der Ergebnisse der BMV-Studie von einzelnen schwarzen Schafen. Das sieht man beim Berliner Mieterverein anders. Die Dunkelziffer dürfte erheblich sein, denn viele Mieterinnen und Mieter scheuen sich, ihre Rechte aktiv einzufordern.
Ein weiteres Problem: All diese gesetzlich unzulässigen Mieten fließen in den Mietspiegel mit ein und treiben ihn weiter in die Höhe.
Birgit Leiß
Kosmetik bringt die lahme Ente nicht in Schwung
Die Mietpreisbremse wurde zum 1. Juni 2015 von der Großen Koalition eingeführt und 2019 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Sie kann nur für Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch die jeweiligen Landesregierungen angewendet werden, so wie das in Berlin der Fall ist. Ziel des Bundesgesetzgebers war es, die rasant steigenden Mietpreise zu dämpfen. Zweimal wurde das Gesetz schon nachgebessert. Seit 2019 gilt, dass der Vermieter die Ausnahmen nennen muss, auf die er sich beruft. 2020 wurde eingeführt, dass zuviel gezahlte Miete rückwirkend ab Beginn des Mietverhältnisses eingefordert werden kann und nicht erst ab dem Zeitpunkt der Rüge. Doch das sind kosmetische Verbesserungen. Eine wirksame Schärfung der Bremse konnte bisher trotz mehrerer Bundesratsinitiativen nicht erreicht werden.
bl
26.05.2023