Dass viele Kündigungen wegen Eigenbedarf vorgetäuscht sind, ist kein Geheimnis. Doch wie kann man das vor Gericht beweisen? Mitgliedern des Berliner Mietervereins bietet sich die Möglichkeit, auf eigene Kosten einen professionellen Ermittler zu beauftragen.
Hendrik W. ist seit 30 Jahren Detektiv. Lange Zeit hatte er es vor allem mit „normalen“ Betrugssachen zu tun. Seit einigen Jahren häufen sich die Anfragen zu Ermittlungen wegen Eigenbedarfskündigungen. Meistens sind es Klienten von Anwältinnen und Anwälten, die ihn empfohlen haben. Seinen vollen Namen möchte Hendrik W. nicht in der Zeitung lesen. Auch die Methoden, mit denen er arbeitet, will er verständlicherweise nicht verraten. Nur so viel: „Ich sammele Beweise.“ Hendrik W. recherchiert die Lebens- und Wohnverhältnisse derjenigen, für die die Wohnung angeblich gebraucht wird: Steht da wirklich eine Scheidung an, oder ist die Ehe intakt? Will die Tochter tatsächlich zurück nach Berlin, oder hat sie in München, wo sie studiert hat, bereits eine Stelle angenommen? Seine Informationen bekommt der Detektiv unter anderem übers Internet, über Meldeämter und – hier bleibt er bewusst vage – über verdeckte Ermittlungen im privaten und beruflichen Umfeld. Vor Gericht tritt er dann als Zeuge auf.
Die Methoden von Hendrik W. sind völlig legal. Von nicht zulässiger Beweisbeschaffung hält er sich fern. Telefonate mitzuschneiden wäre beispielsweise illegal. „Das mache ich grundsätzlich nicht“, erklärt er. Bei den meisten seiner Aufträge geht es darum, die Kündigung abzuwehren, eher selten um Schadensersatz, wenn sich nach der Räumung herausstellt, dass gar kein Eigenbedarf vorgelegen hat. Ein paar Mal hatte er es auch mit der seit einigen Jahren beliebten Masche „Untervermietung durch einen Strohmann“ zu tun. In diesen Fällen fand Hendrik W. nicht nur heraus, dass der angebliche Hauptmieter nie in der Wohnung gewohnt hat, sondern auch, dass dieser geschäftlich eng mit der Immobilienfirma verflochten ist.
Pascal Lehmanns* Vermieter fiel die Kinnlade herunter, als Hendrik W. vor Gericht seine Aussage machte. „Der Vermieter war richtig verärgert“, erklärt der Mieter – der allerdings ebenfalls allen Grund hatte, sauer zu sein. Nachdem er und seine Frau mehrere Mieterhöhungsverlangen erfolgreich abgewehrt hatten und dann noch die Beseitigung eines Wasserschadens verlangten, kam vor zwei Jahren plötzlich eine Eigenbedarfskündigung. Der knapp 80-jährige Vater wolle sich von seiner frisch angetrauten Ehefrau scheiden lassen. „Das kam uns höchst unglaubwürdig vor“, erklärt Pascal Lehmann. Um an belastbare Fakten zu kommen, empfahl ihnen ihr Anwalt Benjamin Raabe die Dienste des Detektivs. Raabe macht seit Jahren sehr gute Erfahrungen mit Hendrik W. „Er ist ein Profi und bekommt oft wichtige Infos heraus, die den behaupteten Eigenbedarf vor Gericht erschüttern.“
Aufatmen nach zwei nervenaufreibenden Jahren
Da diese Dienstleistung, die vom Berliner Mieterverein und seinen Anwält:innen vermittelt wird, nicht im BMV-Mitgliedsbeitrag enthalten ist, zögern viele mit einer Beauftragung. Doch der Erfolg kann sich sehen lassen. Laut Henrik W. konnte in 90 Prozent seiner beauftragten Fälle eine Eigenbedarfskündigung abgewehrt werden.
Auch das Ehepaar Lehmann kann nach zwei nervenaufreibenden Jahren endlich aufatmen. Das Amtsgericht wies die Kündigung zurück. Hendrik W. hatte Indizien vorgelegt, dass eine Scheidung nicht beabsichtigt war. „Für uns hat sich die Ausgabe auf jeden Fall gelohnt“, sagt Pascal Lehmann.
Birgit Leiß
* Name der Redaktion bekannt
Eine Investition, die sich lohnen kann
Je nach Aufwand kostet die Dienstleistung 1000 bis 1400 Euro, manchmal auch mehr. Ist man erfolgreich im Prozess, kann man versuchen, das Geld als Ausgabe für das Verfahren zurückzufordern. Das gelingt in vielen Fällen, aber darauf verlassen sollte man sich nicht. Vor der Beauftragung macht Hendrik W. einen Kostenvoranschlag und skizziert grob, wie er vorgehen würde. Je mehr Infos die Mietenden ihm schon zu Beginn an die Hand geben, desto kostengünstiger kann er tätig werden.
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Telefon 030 226 260
Stundensatz: 50 Euro
01.12.2023