Forderungen auf Heizkostennachzahlungen von mehreren tausend Euro erreichten viele Mieter:innen mit Fernwärmeversorgung. Grund genug für den Berliner Mieterverein, im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe „Forum Wohnungspolitik“ dieses aktuelle Problem aufzugreifen.
Der Raum war bis auf den letzten Platz gefüllt. Betroffene Mieter:innen aus ganz Berlin waren gekommen, um die Lage zu diskutieren und sich zu informieren, aber auch Forderungen an die Politik zu formulieren. Am Anfang stellte die Moderatorin, Franziska Schulte vom Berliner Mieterverein (BMV), die Frage in den Raum: „Wer denkt, dass es die Versorgungsunternehmen sind, die hier abzocken?“ Alle Hände gingen hoch. „Und wer denkt, dass es die Vermieter sind?“ Wieder gingen alle Hände hoch. „Da brauche ich ja nicht noch zu fragen, ob es beide sind“, fasste Franziska Schulte das Ergebnis zusammen.
Als erstes berichtete BMV-Geschäftsführerin Wibke Werner, von den Anfragen überrollt worden zu sein. „Wir haben uns sofort mit den Initiativen der Betroffenen zusammengeschlossen, um zu beraten.“ Peter Hennig von „CO2 Online“ folgte mit einigen Hintergründen zur Wärmeversorgung. Neben der bekannten Fernwärme, bei der die Wärme in großen Heizkraftwerken erzeugt wird, gibt es auch die sogenannte Nahwärme. Sie wird meistens in kleineren Kraftwerken erzeugt. Es ergeben sich, abhängig von Gebäudetyp, Fernwärmeanbieter und Verbrauch im bundesweiten Heizspiegel Preisspannen von 9,50 Euro bis 21,51 Euro. „Grundlage der Abrechnungen ist die Fernwärmeverordnung“, erläuterte der Experte.
Fernwärme und Nahwärme
„Kunde des Versorgers sind allerdings nicht die Mieter, sondern die Vermieter“, ergänzte Frank Maciejewski, Leiter der Abteilung Juristische Fortbildung und Dokumentation im BMV. „Die Mieter:innen haben einen Anspruch auf ordnungsgemäße Abrechnung nur gegenüber dem Vermieter.“ Wollen Mieter:innen die Grundlage der Heizkosten, nämlich die Rechnung des Versorgungsanbieters an den Vermieter zwecks Überprüfung der Heizkostenabrechnung einsehen, müssen sie diese anfordern. „Die Vermieter müssen die Einsicht gewähren“, so Maciejewski weiter. Bis diese Einsicht ermöglicht wird, besteht ein Zurückbehaltungsrecht: Man muss die Nachzahlung erst einmal nicht bezahlen.
So hat es auch Ruth Carcassonne, Mitstreiterin in der berlinweiten Vonovia-Mieter:innenvernetzung, gemacht. Sie hatte eine Nachforderung von über 6000 Euro erhalten. Gemeinsam mit den anderen Mieter:innen forderte sie die Belege an. Dass diese Anforderung in einer gemeinsamen Aktion geschah, erhöhte den Druck auf die Vonovia. Mieterin Carcassonne: „Und siehe da: Das Unternehmen hat die Forderung in meinem Fall auf 1300 Euro abgesenkt.“ Immer noch zu hoch, wie sie findet, aber ein erster Erfolg. Jedenfalls musste sie sich dabei nicht mit der Abrechnung des Versorgers herumschlagen. „Die Formeln und Berechnungen sind so kompliziert, das verstehen auch Rechtsanwälte erst nach mehreren Stunden Einarbeitung“, kritisiert Maciejewski. Bei den in der abschließenden Diskussionsrunde aufgestellten Forderungen an die Politik standen folglich die Transparenz der Abrechnung, die Kontrolle der Fernwärmeversorger und Hilfen für die Betroffenen im Vordergrund. Die Politik ist hier gefordert – darüber war man sich am Ende einig.
Stefan Klein
Das ist die Formel, mit der Fernwärmeversorger den Arbeitspreis berechnen. Die findet sich in den Abrechnungen wieder, und bereitet laut Frank Maciejewski vom Berliner Mieterverein selbst Rechtsanwält:innen viel Mühe. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) sieht das anders: Etwas Kenntnis der Algebra dürfte man Mieter:innen schon zutrauen, und das Transparenzgebot der Abrechnung sei damit erfüllt. Mit dieser Ansicht dürfte der BGH (Urteil vom 1.6.2022 – VIII ZR 287/20 –) aber ziemlich allein dastehen. Wer sich verständlicherweise überfordert sieht, weil er oder sie nicht zufällig Mathematik oder Physik studiert hat, dem hilft die Beratung des BMV auch in dieser Frage weiter.
stk
30.03.2024