Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat den Gesetzentwurf zur „großen Baugesetzbuch-Novelle“ vorgelegt, die der Bundestag noch in diesem Jahr verabschieden will. Die Novelle strebt beschleunigte Genehmigungs- und Bauprozesse sowie eine Vereinfachung der Innenentwicklung in Städten an. Enttäuschend sind die Vorschläge für das kommunale Vorkaufsrecht sowie das derzeit noch bestehende Umwandlungsverbot.
Anpassungen im Baugesetzbuch (BauGB) sind für den Schutz von Mieter:innen vor Verdrängung und für die Sicherung von bezahlbarem Wohnraum von großer Bedeutung. Der uns vorliegende Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung weist jedoch beim Schutz von Mietenden kritische Leerstellen auf:
Paragraf 250 BauGB: Die Verlängerung des Umwandlungsverbots reicht nicht aus
Insbesondere das Umwandlungsverbot nach Paragraf 250 im BauGB ist ein wichtiges Werkzeug, um die (spekulative) Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu verhindern – in unserem Infoblatt haben wir das durch Länderverordnung legitimierte Umwandlungsverbot vorgestellt. In Berlin ist es seit Inkrafttreten nicht mehr zu nennenswerten Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen gekommen. Damit werden Mietende ganz unmittelbar vor dem Verlust ihrer Wohnung sowie massiven Mietanstiegen geschützt.
Voraussetzung für die Anwendung des Umwandlungsverbots (Paragraf 250 BauGB) ist, dass die Kommunen entsprechende Gebiete per Rechtsverordnung nach Paragraf 201a BauGB als angespannten Wohnungsmarkt bestimmen können. Während der Paragraf 201a BauGB entfristet werden soll, wird das Umwandlungsverbot nach Paragraf 250 BauGB lediglich um zwei Jahre verlängert, also bis Ende 2027: Eine solche befristete Regelung ist unzureichend. Angesichts der anhaltenden Wohnungskrise wäre eine Entfristung oder zumindest eine Verlängerung um fünf weitere Jahre notwendig, um den Schutz der Mieter:innen mittelfristig sicherzustellen. In einem Interview berichteten wir erst kürzlich über die Auswirkungen des Umwandlungsverbots aus der Sicht zweier Berliner Stadträte.
Paragrafen 24 und 26 BauGB: Dringende Reaktivierung des Vorkaufsrechts erforderlich
Das kommunale Vorkaufsrecht ist ein weiteres für Mieter:innen entscheidendes Instrument, das das Baugesetzbuch regelt. Es dient dazu, Mieter:innen in Milieuschutzgebieten vor Verdrängung zu schützen, indem es überteuerte Immobilientransaktionen renditeorientierter Eigentümer:innen durch den bezirklichen Vorkauf unterbindet. Durch die Veräußerung zu hohen Marktpreisen steigt der Renditedruck auf den Eigentümer enorm an. Die einträgliche Verwertung eines Mietshauses führt nicht nur zu stark ansteigenden Mieten, sondern auch zu Umwandlung und Einzelverkäufen. Seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November 2021 ist es den Bezirken nicht mehr möglich, den Vorkauf von Wohngebäuden zugunsten gemeinwohlorientierter Wohnungsunternehmen auszuüben. Der BMV fordert seitdem vehement, das kommunale Vorkaufsrecht wieder nutzbar zu machen – gerade in Berlin konnten in den Jahren zuvor tausende Haushalte durch das Vorkaufsrecht zugunsten städtischer Wohnungsunternehmen und Genossenschaften geschützt werden. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 wurden in Berlin noch 4.061 Wohnungen durch Vorkauf oder Abwendungsvereinbarungen gesichert. 2021 sank diese Zahl auf 2.350. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November 2021 konnten im Jahr 2022 schließlich nur noch 45 Wohnungen durch dieses Instrument geschützt werden.
Der aktuelle Entwurf sieht nun zwar Erweiterungen vor, etwa die Einbeziehung von per „Share Deal“ getätigten Verkäufe für das kommunale Vorkaufsrecht des Bezirks, aber der Kern des Problems bleibt bestehen: Das Vorkaufsrecht gilt weiterhin nur bei stark vernachlässigten Problemhäusern. Damit müssen gravierende bauliche Mängel am Gebäude und im direkten Gebäudeumfeld vorliegen, damit der Bezirk in Verkaufstransaktionen per Vorkaufsrecht eintreten kann.
Wichtige Verbesserungsvorschläge aus 2022 ignoriert
Das enttäuscht nicht zuletzt aufgrund eines Referentenentwurfs aus dem Jahr 2022, den die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) einbrachte: Mit ihm hängt seit mehr als zwei Jahren ein wichtiger Vorschlag zur Änderung der relevanten Paragrafen (§§ 26, 27 und 27a BauGB) in der Ressortabstimmung mit dem Bundesjustizministerium fest. Der Entwurf würde das Vorkaufsrecht im Geltungsbereich einer Milieuschutzsatzung erleichtern – dazu gehört auch der Erwerb von Immobilien in sozialen Erhaltungsgebieten (Milieuschutzgebieten). Der BMV fordert, die Vorlage aus 2022 aufzunehmen. Derzeit sind jedoch offenkundig keine weiteren Regelungen für ein starkes Vorkaufsrecht in der BauGB-Novelle vorgesehen.
Die genannte Einbeziehung von Share Deals in das Vorkaufsrecht ist hingegen eine längst überfällige Maßnahme. Bislang konnten Immobiliengesellschaften das Vorkaufsrecht umgehen, indem sie Anteile an Gesellschaften erwarben, anstatt die Immobilien und Grundstücke direkt im Grundbuch eintragen zu lassen. Da bei solchen Transaktionen von Gesellschafteranteilen keine Änderung im Grundbuch erfolgt, fand das Vorkaufsrecht bislang keine Anwendung. Die Erweiterung auf Share Deals kann dieses Schlupfloch schließen und den Schutz von Mieter:innen vor spekulativen Immobiliengeschäften verbessern.
Der BMV fordert darüber hinaus auch, den Verkehrswert nach Paragraf 194 BauGB durch einen sogenannten sozialen Ertragswert zu ersetzen. Dieser Wert soll sich „sozial“ an den Prinzipien des Gemeinwohls orientieren, anstatt wie bisher an spekulativen Marktwerten. Diese Änderung könnte die Spekulation mit Boden und Grundstücken reduzieren und es den Kommunen ermöglichen, ihre Bestände an kommunalen Grundstücken durch Ankauf zu vergrößern.
Dringender Nachbesserungsbedarf
Die BauGB-Novelle greift wichtige Themen auf, ist jedoch schon allein wegen des nur um zwei Jahre verlängerten Umwandlungsverbots und der unzureichenden Reaktivierung des kommunalen Vorkaufsrechts unzureichend.
Die vorgenannte Bewertung des vorliegenden Gesetzentwurfs ist vorläufig. In einem unserer nächsten Newsletter werden wir weitergehend die Regelungen zu den Klimaanpassungsmaßnahmen sowie den Innenentwicklungsmaßnahmen bewerten. Mit dem Umwandlungsverbot und dem gemeindlichen Vorkaufsrecht haben wir uns zunächst auf die Instrumente konzentriert, die bedeutend für die Sicherung des bezahlbaren Wohnungsbestands in unserer Stadt sind.
Vera Colditz, Franziska Schulte
15.08.2024